Die Medienberichte nach einer Warnung der Polizei über die angeblich versuchte Kindesentführung in Rottach-Egern brachten Ende Juli zahlreiche Eltern zum Nachdenken. Zwar hatte sich der Verdacht im Nachhinein als “Kommunikationsproblem” zwischen dem Jungen und dem angeblichen Entführer herausgestellt. Das heißt jedoch nicht, dass Väter und Mütter danach weniger beunruhigt waren.
Auf jegliche Meldungen, die ihren Nachwuchs beeinträchtigen könnten, reagieren Eltern nunmal stets besorgt. Noch ehe die Polizei am 25. Juli von dem Vorwurf des Jungen erfahren hatte, warnten sich Eltern im Tegernseer Tal in Chatgruppen über whatsapp. Auch wenn sich der Fall dann doch schnell aufgeklärt hatte, bleibt wohl der Elternwunsch, wie diese das Thema mit ihren Kindern behandeln sollen. Deshalb hat die TS-Redaktion bei der Polizeiinspektion Bad Wiessee sowie beim Polizeipräsidium Oberbayern Süd in Rosenheim nachgefragt.
Tipps der Polizei für Eltern und Kinder zum Umgang mit Fremden
Eltern sollten laut Polizei ihren Kindern ein gesundes Misstrauen gegenüber Fremden vermitteln. So dürften Kinder auch gegenüber Erwachsenen jederzeit “Nein” sagen. Sie müssten nicht mit Fremden reden oder ihnen etwa einen Weg persönlich zeigen, geschweige denn in ein Auto einsteigen. Es reiche vollkommen aus, jemandem, der danach fragt, den Weg verbal zu erklären.
Kinder sollten – wenn möglich – stets in Gruppen und nie allein unterwegs sein. Beispielsweise sollte der Schulweg mit Freunden zurückgelegt werden. Denn bei mehreren Personen hätte ein möglicher “Gefährder” schlechtere Karten und die Hemmschwelle für eine wie auch immer geartete Tat sei niedriger. Wenn Kinder doch einmal bei einem Gespräch mit einem Erwachsenen ein eher komisches Gefühl hätten, wäre es gut, wenn sie danach darüber mit ihren Eltern sprächen. Dies schaffe eine Vertrauensbasis und das Kind werde sich so auch in Zukunft bereitwilliger anvertrauen.
Wurden Kinder einmal angesprochen, so wäre es gut, wenn sie sich Aussehen des Fremden sowie das KFZ-Kennzeichen merken könnten. Bei begründetem Verdacht bestehe immer die Möglichkeit, sich direkt an die Polizei zu wenden, die dann den Wahrheitsgehalt des jeweiligen Falls prüfen kann. Abzuraten sei laut Polizei von der Weitergabe eventueller Verdächtigungen in privaten Chatgruppen.
Keine Panikmache durch Gerüchte
Kann man nun den Verdacht eines Kindes wirklich für bare Münze nehmen? Wie gehen Polizeibeamte in der Praxis mit den Aussagen von Kindern um? Laut Stefan Sonntag, Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd, gibt es bei der Befragung von Kindern folgende Dinge zu beachten:
Bei der Anhörung von Kindern muss die Polizei besonderes Fingerspitzengefühl beweisen. Einerseits möchte man belastbare Informationen von dem Kind bekommen, um einen Sachverhalt aufzuklären oder einen Täter zu überführen, andererseits geht es auch um den Schutz und das Wohl des Kindes.
Bei solchen Anhörungen durch die Polizei spielen viele Dinge eine Rolle: Wo steht das Kind in seiner Entwicklung? Welche Fragen kann man stellen und wie? Wie hoch ist die Erinnerungsfähigkeit des Kinden? Vermischt es die Realität mit seiner Fantasie? Stets gelte dabei aber der Grundsatz, dass die Polizei auf kindgerechte Art und Weise vermitteln will, dass die Angaben der Wahrheit entsprechen müssten. Denn sowohl für das Kind als auch für einen potenziellen Beschuldigten könnten Falschaussagen fatale Folgen haben.
Roman Hörfurter, der stellvertretende Dienststellenleiter der Polizeiinspektion Bad Wiessee, betont, dass Kinderaussagen allerdings nicht weniger verlässlich seien als diejenigen von Erwachsenen:
Kinder sind hervorragende Beobachter und sehen oft mehr als Erwachsene. Außerdem können sie sich oft auch an Einzelheiten genauer erinnern.
Wenn Kinder ein verdächtiges Ansprechen durch einen Erwachsenen bemerkten, sollten und dürften sich die Eltern des Kindes ruhig bei der Polizeidienststelle melden. Auch Hörfurter hält nichts von Panikmache in eigenen Eltern-Gruppenchats, im schlimmsten Fall mit vielen Gerüchten, ohne dass wirklich etwas aufgeklärt wurde.
Wäre die Belästigungssituation, die der Junge im Rottacher Fall geschildert hatte, also real gewesen, hätten dieser und seine Eltern somit richtig gehandelt. Doch wäre es wohl in diesem konkreten Fall angebrachter gewesen, den Jungen vorher zu mehr Wahrheitstreue zu ermahnen.
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