Er steht einsam als Vorposten und scannt mit geschultem Blick Kennzeichen und Fahrzeuginsassen. Kommt dem Polizeibeamten der Bereitschaftspolizei etwas verdächtig vor, zückt er seine Kelle. Die Autoinsassen werden angehalten und rechts raus gewunken. Dort erwartet sie gegenüber dem ehemaligen Café Bayerwald in einer Parkbucht ein kleiner Trupp von Polizisten, darunter zwei Beamtinnen. Das Kommando hat an diesem Tag Bernhard F. von den Schleierfahndern in Kreuth. Die bisherige Polizeistationen Fahndung wurde mit der Umorganisation in eine Bayerische Grenzpolizei zur Grenzpolizeistation umbenannt. Die unmittelbare organisatorische Anbindung an das Polizeipräsidium Oberbayern Süd bleibt unverändert.
Da die Station in Kreuth aber nicht über genügend „Manpower“ verfügt, wie in Polizeikreisen zu hören ist, sind bei der Grenzkontrolle in den Mittagsstunden auch Kollegen der Bereitschaftspolizei dabei. Sie nehmen die zugewiesenen Fahrzeuge in Augenschein. Zunächst aber fragen sie nach Ausweisen und Führerscheinen. Deren Echtheit wird regelrecht unter die Lupe genommen, dann erfolgt die Abfrage über das Polizeiinformationssystem im „Crafter“, einem Kastenwagen mit Bildschirmen und viel Elektronik.
Saudis und Russen
Bei einer Familie aus Saudi-Arabien, die mit Münchner Kennzeichen eines Leihwagens unterwegs ist, wird auch nach der Fahrerlaubnis für Deutschland gefragt. Russen müssen für ihre Führerscheine eine Übersetzung aus dem Kyrillischen vorweisen können. Der große Fisch ist an diesem Tag wie auch an anderen Tagen allerdings nicht dabei. Auch keine illegale Einreise. Meist geht es in den vergangenen Monaten bei diesen mobilen Grenzkontrollen um kleinere Delikte. Ob Verstöße gegen das Betäubungsmittel- oder das Waffengesetz, sagt eine Beamtin aus dem Oberland. Auch Haftbefehle seien schon vollstreckt und die Gesuchten nach Rosenheim überstellt worden.
Effektiver ist wohl die Schleierfahndung, die in Zivilfahrzeugen die Gegend abgrast. Zuletzt konnten Beamten in Zivil im März am Achenpass ein voll besetztes Fahrzeug mit zehn Migranten stoppen. Dem Fahrer und Schleuser aber gelang um Mitternacht die Flucht in der Weissach. Dieses Beispiel zeige, heißt es in Polizeikreisen, dass die Schleierfahndung nicht nur effektiver wäre, sondern auch weniger Manpower „verbrate“. Bei Grenzkontrollen beispielsweise an der Bäckeralm bei Bayrischzell würde kaum etwas „hängenbleiben“. Ohnehin bestimme die Bundespolizei als Grenzbehörde, an welche Übergänge die Bayerische Grenzpolizei dürfe.
Grenzpolizei „unverzichtbar“
Doch für Bayerns Innenminister Joachim Herrmann ist die Grenzpolizei nach einem Jahr Bestand „wichtig und unverzichtbar“. Ihre Bilanz ist, dass sie in dieser Zeit 26 000 Straftaten, Verkehrsdelikte und Fahndungstreffer festgestellt hat, so Herrmann. Flüchtlinge allerdings waren kaum dabei. Bei den Kontrollen direkt an der Grenze wurden bis Ende Juni 34 Menschen aufgegriffen, die unerlaubt einreisen wollten. 15 von ihnen wurden nach Österreich zurückgewiesen.
Ministerpräsident Markus Söder nannte die Grenzpolizei und vor allem ihre Schleierfahndung “bayerische Vorbilder für ganz Europa”. Die Staatsregierung werde “diesen Kampf gegen Schlepper, Schleuser und grenzübergreifende Kriminalität” fortsetzen und verstärken. Zu den anfangs 500 und derzeit 600 Grenzpolizisten sollen jedes Jahr 100 weitere hinzukommen, bis 2023 eine Stärke von 1000 Beamten erreicht ist. “Unser Ziel ist, Kriminelle schon in Grenznähe abzufischen und sie nicht unkontrolliert ins Landesinnere zu lassen”, betonte Söder.
Im ersten Jahr stieß die Grenzpolizei bei der Schleierfahndung im Hinterland auf mehr als 13 000 gesuchte Gegenstände und Personen, darunter 750 Menschen, gegen die ein offener Haftbefehl vorlag. Mehr als 3000 Mal hatte sie es mit Rauschgift zu tun, gut 900 Mal mit Waffen und rund 2000 Mal mit gefälschten Dokumenten. In gut 4800 Fällen ging es um Verkehrsdelikte.
Erfolgreiche Schleierfahnder
Die illegale Zuwanderung, die Anlass und Begründung für den Aufbau der Grenzpolizei gegeben hatte, spielt in deren Alltag nur eine untergeordnete Rolle. So ertappten die Fahnder binnen eines Jahres 66 mutmaßliche Schleuser und knapp 1400 Menschen, die unerlaubt eingereist waren. Zusammen liegen all diese Zahlen laut Innenministerium um 13 Prozent über der Bilanz der Schleierfahnder in den zwölf Monaten zuvor – damals noch nicht als Grenzpolizei.
An diesem Tag im Kreuther Ortsteil Bayerwald, der vom Durchreiseverkehr bestimmt ist, geht allerdings nichts ins Netz. Nach vier Stunden Kontrolle bauen sie ihren Posten wieder ab. Doch die Hoffnung motiviert Herrmanns kleinen Trupp der Grenzpolizei immer wieder in Kreuth: „Vielleicht bleibt doch was hängen“.
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