Hans Sepperl ist Vorsitzender der Holzkirchner Tafel. Seit 2005 gibt er Lebensmittel an Bedürftige aus. Angefangen hat er als Fahrer und Helfer. Bis heute ist er mit der gleichen Leidenschaft dabei. Uns verrät er, was ihn antreibt und warum sich nicht alle Bürger trauen, zur Tafel zu kommen.
Herr Sepperl, was hat sich in der Zeit, in der Sie bei der Tafel arbeiten, verändert?
Sepperl: So einiges, von den Räumlichkeiten über die Autos bis zu den Spendern, aber sie spielen wahrscheinlich auf die Bedürftigen an…
…genau.
Sepperl: Nun, die Zahl der Bedürftigen ist zwar generell gestiegen, insbesondere im Rahmen der Flüchtlingswelle mit all den Asylsuchenden, doch das hat sich wieder beruhigt. Mittlerweile stagniert die Zahl der Bedürftigen hier bei uns in Holzkirchen.
Aber es heißt doch, dass es immer mehr Bedürftige gibt und auch immer mehr Rentner darunter sind. So jedenfalls verkündet es Jochen Brühl, der Vorsitzende des Bundesverbandes.
Sepperl: Das mag vielleicht auf Bundesebene gelten, doch für Holzkirchen kann ich das nicht bestätigen. Auch nicht, dass wir jetzt mehr Rentner haben. Ich sehe ja ganz konkret, wer bei uns vorstellig wird und wie viele Personen es insgesamt sind.
Wie viele Personen werden denn ganz konkret durch die Holzkirchner Tafel versorgt?
Sepperl: Insgesamt sind es rund 100 Personen, die wir versorgen. In die Tafel selbst kommen ungefähr 40 bis 50. Doch hinter jeder Person, die uns aufsucht, steht im Durchschnitt mindestens noch ein weiterer Bedürftiger. Hinzu kommen noch um die zehn Personen, die wir beliefern, weil sie nicht selbst in der Lage sind, die Lebensmittel abzuholen. Allerdings sollte man auch erwähnen, dass es wohl um die 300 Bedürftige in Holzkirchen gibt. Doch viele schämen sich und gehen deshalb nicht zur Tafel.
Warum ist das so?
Sepperl: Man muss – um es salopp zu sagen – die Hosen herunterlassen, also die Einkommensverhältnisse vollständig offenlegen. Nur auf diese Weise kommt man an die Bescheinigung, wie etwa die Holzkirchen Card, die zum Erhalt der Lebensmittel berechtigt. Doch damit kommt einfach nicht jeder klar. Stichworte Scham und Stolz.
Das hat auch die Leiterin der Gmunder Tafel erzählt, dass Scham ein Thema ist.
Sepperl: Das ist leider nicht nur bei uns in Holzkirchen so, sondern überall und eben auch im Gmund.
Apropos andere Tafeln, haben Sie untereinander Kontakt?
Sepperl: Ja, wir helfen uns auch gegenseitig, wenn wir können. Die Gmunder Tafel beispielsweise hat uns vor kurzem den Kontakt zu einem neuen Lebensmittelspender gemacht. Auch wir haben gerade etliche, uns zur Verfügung gestellte Schneidebretter anderen Tafeln zukommen lassen.
Wie sind denn die neuen Räumlichkeiten, in die Sie vor etwa einem halben Jahr gezogen sind?
Sepperl: Wir sind sehr zufrieden, auch wenn natürlich nicht alles perfekt ist. Vor allem aber müssen wir der Gemeinde danken. Sie hat die Räume für uns hier im Ladehof umgebaut, was insgesamt um die 95 000 Euro gekostet hat. Jetzt haben wir einen großen Ausgaberaum, einen Lager- und einen Kühlraum sowie unter anderem den verglasten Eingangsbereich bzw. Wartebereich. Leider wird der aber im Sommer sehr heiß. Mitunter hat es dort über 30 Grad, wenn es sich aufheizt.
Manche Tafeln klagen über Personalmangel. Wie sieht es denn bei Ihnen aus?
Sepperl: Natürlich hätten wir nichts gegen mehr Mitarbeiter, aber einen wirklichen Personalmangel haben wir derzeit glücklicherweise nicht. Allerdings gehen einige der Damen, die bei uns die Lebensmittel ausgeben, schon auf die 80 zu. Und andererseits können oder wollen die Leute auch nicht in Dauerbelastung arbeiten. So können wir jede Ausgeberin durchschnittlich nur einmal im Monat einsetzen und jeden Fahrer nur etwa alle sechs Wochen. Natürlich gibt es Ausnahmen, aber derzeit lässt sich das zumindest als grober Richtwert nehmen.
Wie oft sind Sie denn da?
Sepperl: Ich bin jede Woche da.
Was glauben Sie, ist die Motivation hinter derartigen, ehrenamtlichen Tätigkeiten?
Sepperl: Ich glaube, zum einen ist es der Wunsch, helfen zu wollen und zum anderen vielleicht auch ein Stück Zeitvertreib. Irgendwann aber bekommt das eine Eigendynamik, sodass man mit Leidenschaft dabei ist. Mich hat auch der einfache Gedanke beeindruckt, dass Lebensmittel zur Verfügung gestellt werden, die es an Bedürftige zu verteilen gilt.
Bekommt oder braucht man bei der Arbeit in einer Tafel ein dickeres Fell, da man ständig mit den Bedürftigen konfrontiert ist?
Sepperl: Es ist vermutlich ähnlich wie bei einem Arzt, der jeden Tag viele Kranke sieht. Irgendwann gewöhnt der sich sicherlich ein bisschen daran und bekommt ein dickeres Fell. Aber so wie der Arzt die Schmerzen der Kranken eben lindert, lindern wir auch die Bedürftigkeit der Leute und freuen uns darüber.
Herr Sepperl, vielen Dank für das Gespräch.
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