Über 80 Personen, einige schwer dement, leben oberhalb des Schliersees in der „Seniorenresidenz Schliersee“. 2009 wurde das Heim eröffnet. Mehrfach wechselte der Besitzer. Immer wieder geriet die Einrichtung in die Schlagzeilen. Pflegedefizite sollen abgemahnt worden sein, immer wieder sollen Patienten geflohen sein, mussten mühsam wieder gesucht werden. Angehörige beschwerten sich, einige gaben schlechte Bewertungen im Netz ab.
Etwas ruhiger wurde es, als im Juni 2019 eine italienische Firma den Komplex von einer belgischen Firma kaufte und Verbesserung im Pflegebereich versprach. Dann kam Corona. Das Gesundheitsamt forderte entsprechende Maßnahmen im Hygienebereich, die aber immer wieder nur unzureichend umgesetzt worden sein sollen. Im März infizierten sich Patienten und Personal. Das Gesundheitsamt forderte eine Isolierstation.
Bisher haben sich insgesamt 18 Bewohner und sieben Mitarbeiter mit dem SARS-CoV-2-Virus infiziert. Ein Bewohner und eine Mitarbeiterin verstarben nach Angaben des Landratsamts Miesbach im Zusammenhang mit dem Coronavirus. Sieben Bewohner werden derzeit stationär im Krankenhaus betreut.
Bewohner bestmöglich betreuen
Zwischenzeitlich flieht am 08. Mai ein 63-jähriger Patient, musste mit einem Großaufgebot gesucht werden. Er wird in Hausham an einer Bushaltestelle gefunden. Einziger Lichtblick: Er infizierte keine Polizisten, Feuerwehrler und Bergwachtler, die bei der Suche halfen. Zunehmend verschlechterte sich die Situation vor Ort. Personal, das positiv getestet wurde, fehlte. „Die Lücke hätte auch nicht durch Ehrenamtliche geschlossen werden können, da die Pflege und Betreuung von fast 90 pflegebedürftigen Personen viel zu aufwendig gewesen wäre. Zivile Kräfte hätten die Betreuung nicht stemmen können“, erklärt Sophie Stadler, Pressesprecherin des Landratsamts.
Fieberhaft half der Krisenstab, bat um Personal aus einem Pool des Ministeriums. Andere Einrichtungen halfen aus. „Wir versuchen, die Bewohner soweit medizinisch vertretbar in der Einrichtung zu lassen und dort Strukturen aufzubauen, die die bestmögliche Pflege der Bewohner sicherstellen. Dazu brauchen wir die Bundeswehr, die zusätzlich von BRK und THW unterstützt wird“, so Stadler. Würde man alle Bewohner evakuieren, würde man die umliegenden Krankenhäuser völlig überlasten.
Eine Situation, die eben genau zu vermeiden ist, um nicht italienische Verhältnisse zu schaffen. Das Landratsamt bat in Ermangelung anderer Kräfte die Bundeswehr um Amtshilfe. Jetzt läuft es. Aber das ist natürlich nur ein vorübergehender Zustand. Stadler bestätigt: „Durch den Einsatz der Bundewehr seit knapp einer Woche ist es möglich, dass die Bewohner soweit medizinisch vertretbar in der Einrichtung bleiben.“
Die gewohnte Umgebung sei für ältere und kranke Menschen besonders wichtig. „Gleichzeitig muss der Krisenstab verhindern, die umliegenden Krankenhäuser und Covid-Kliniken zu überlasten, damit diese sich auf die Betreuung intensivpflichtiger Patienten konzentrieren können.“
Ermittlugen gegen Heimleitung laufen
Mittlerweile laufen Ermittlungen der Polizei gegen die Heimleitung. „Ermittelt wird wegen des Vorwurfs der Körperverletzung von der Kriminalpolizei Miesbach unter Sachleitung der Staatsanwaltschaft München II.“, bestätigt Pressesprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd Alexander Huber.
Laut Huber habe das Landratsamt Miesbach Anzeige gegen die Einrichtung erstattet. „Bei der täglichen Arbeit in der Einrichtung fielen verschiedene Missstände auf. Der Sachverhalt wurde deshalb an die Ermittlungsbehörden weitergegeben“, so Stadler vom Landratsamt. Da die Ermittlungen am Anfang stehen, könne man nach Angaben der Polizei aus ermittlungstaktischen Gründen keine weiteren Angaben machen.
Die Verantwortlichen der Seniorenresidenz wollten sich weder auf unsere telefonische noch auf unsere schriftliche Anfrage äußern.
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