Wird Cannabis in Deutschland bald legal? Seit Oktober wird die Politik immer konkreter. Welche Auswirkungen hätte eine Legalisierung auf das Tegernseer Tal?
Legaler Zugang zu Genusscannabis. Ein Aufreger-Thema für genussbefreite Konservative? Jedenfalls steht es im Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition. Gesundheitsminister Karl Lauterbach präsentierte bereits ein „Eckpunktepapier“ für einen Gesetzentwurf.
Cannabis und THC sollen zukünftig nicht mehr unter das Betäubungsmittelgesetz fallen. Aktuell ist der Konsum von Cannabis zwar nicht verboten, dafür der Anbau, Handel und Besitz. Ab 2024 könnte sich das ändern. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg.
Jürgen Neumeyer, Geschäftsführer des Branchenverband Cannabiswirtschaft weiß: „Das Eckpunktepapier aus dem Oktober mündet in einem ersten Referentenentwurf.“ Daraufhin komme es zu einem parlamentarischen Verfahren. „Dazwischengeschaltet ist außerdem die Europäische Union“, so Neumeyer. Denn auch die EU müsse der Legalisierung von Cannabis in Deutschland zustimmen.
Warum soll eine Droge legal werden?
Laut dem Bundesministerium für Gesundheit rauchen deutschlandweit etwa 12 Millionen Menschen, 1,6 Millionen sind alkoholkrank. Schätzungen legen zudem nahe, dass etwa 2,3 Millionen von Medikamenten abhängig sind. Etwa 600.000 Menschen weisen einen problematischen Konsum von Cannabis und anderen illegalen Drogen auf.
Laut Bundesregierung könne eine kontrollierte Abgabe von Genusscannabis den Schwarzmarkt austrocknen und in weiterer Folge einen besseren Jugendschutz sowie Gesundheitsschutz begünstigen.
Dort hakt auch Neumeyer wieder ein: „Im Moment gibt es keine Kontrolle über die Substanz am Schwarzmarkt.“ Streckmittel wie Sand, Haarspray, Lack oder Zucker sind keine Seltenheit. Jahrelang habe man die Idee verfolgt: Wenn etwas verboten ist, wird es nicht gemacht. Gekifft werde aber trotzdem, so Neumeyer.
Weiter sollte man auch die vielen Arbeitsplätze, die durch eine Legalisierung entstehen, nicht vergessen. „Da hängen viele Gewerbe drinnen – Beleuchtung, Düngung, Trimmen, Wassern oder die Portionierung“, erklärt Neumeyer.
Was macht Deutschland anders?
Wenn es um die Entkriminalisierung von Drogen geht, ist Deutschland nicht das erste Land, das diesen Schritt wagen will. Sowohl Portugal als auch die Niederlande und Kanada fahren eine sehr liberale Drogenpolitik. Laut Neumeyer müsse man jedoch auch sehen, dass in diesen Ländern Drogen nur toleriert werden.
So sei in der Niederlande nur die Endabgabe von Cannabis legal. Die Lieferung sowie den Anbau übernimmt der Schwarzmarkt. Eine Fundgrube für das organisierte Verbrechen. Auch in Portugal gebe es keine „richtige Legalisierung“, Cannabis werde lediglich geduldet. Deutschland will es besser machen. Neumeyer weiß:
In Deutschland wäre die komplette Produktionskette legal und kontrolliert. Jürgen Neumeyer, Geschäftsführer des Branchenverband Cannabiswirtschaft
Kanada hat 2018 Cannabis als Rauschmittel für Personen ab 19 Jahren freigegeben. Auch hier ortet Neumeyer Versäumnisse: „Kanada hat den Fehler gemacht, gute Qualität nicht flächendeckend anzubieten.“ Deshalb seien die Menschen in Kanada lieber bei ihrem örtlichen Dealer geblieben, dem Schwarzmarkt konnte kein Riegel vorgeschoben werden.
Cannabis am Tegernsee: immer schon da, bald legal?
Marihuana sollte nicht unbedingt frei zugänglich sein, doch es sei wohl unabdingbar. So äußert sich der lokale Apotheker und Tegernseer Stadtrat, Andreas Obermüller. „Die soziale Komponente, dass der Schwarzmarkt ausgetrocknet wird, ist auf jeden Fall erwähnenswert“, bemerkt der Apotheker.
Eine ganz andere Frage ist, ob Genusscannabis am Tegernsee überhaupt ankommen würde. Obermüller ist erstmal überzeugt und erklärt:
Es gibt ja eine nicht allzu kleine Drogenszene am Tegernsee. Andreas Obermüller, Apotheker und Stadtrat
Er selbst würde Genusscannabis im Falle einer Legalisierung in seiner Apotheke anbieten – „Ja, selbstverständlich. Wir verkaufen auch schon medizinisches Cannabis.“ Seiner Meinung nach werde bereits seit 20 Jahren über eine Legalisierung gesprochen. Jetzt muss endlich eine Entscheidung getroffen werden. “Ich tendiere eher zu ‘ja'”, so der Tegernseer.
Auch sollten, so Obermüller, Apotheken die erste Wahl für den Verkauf sein. Noch ist das nicht fix. Obermüller argumentiert: „Wir kennen uns mit so Dingen aus und können einen sicheren Vertrieb bieten.“ Denn, wenn Apotheken kein Genusscannabis verkaufen dürfen, wer dann? So sorgt sich der Apotheker, dass eigene Cannabis-Shops versuchen, so viel wie möglich zu verkaufen. „Wenn man nur ein Geschäftsfeld abdeckt, muss viel verkauft werden“, sagt Obermüller und betont: „Ist das wirklich der richtige Weg?“
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