Gudrun Gallin arbeitet für den Frauennotruf. Hier verrät sie, wie der Notruf in Miesbach arbeitet.
Gewalt gegen Frauen hat viele Gesichter: Sexuelle und häusliche Gewalt sind zwei davon. Der Frauennotruf Rosenheim hat es sich zur Aufgabe gemacht, Betroffenen zu helfen. Seit wenigen Monaten ist zudem ihre Außenstelle in Miesbach fix. Dort arbeitet Gudrun Gallin. Für sie zählt: “Unser Interesse ist es, dass Frauen neuen Mut finden.”
Dabei ist es gar nicht so einfach, Gewalt gegen Frauen zu erkennen oder sichtbar zu machen. Der Strafbestand ‘häusliche Gewalt’ existiert beispielsweise gar nicht, “lediglich die einzelnen Handlungen hierzu stellen strafrechtliche Tatbestände dar”, betont die Polizei. Bei sexueller Gewalt ist die polizeiliche Zuordnung etwas simpler. Darunter fallen alle Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, also etwa Exhibitionismus, sexuelle Nötigung oder Vergewaltigung.
In der Gewaltspirale gefangen
“In der Regel beginnt es mit verbaler Gewalt”, erklärt Gallin, auf die Frage, wo häusliche Gewalt anfängt. Beleidigungen und Demütigung sind oftmals die ersten Anzeichen. “Verbale Gewalt geht daraufhin über ins erste Schubsen”, so Gallin weiter. Die Spirale dreht sich weiter. Schubsen führt zum ersten Schlag. Auch gibt es laut Gallin nicht ‘den’ Auslöser: “Meistens bringen Männer die Gewalt in die Beziehung. Männer manipulieren erst und stellen sich als Fels in der Brandung dar. Fühlt sich die Frau sicher, zeigt der Mann sein wahres Gesicht.” Spricht man von häuslicher Gewalt, geht es automatisch auch um systematische und Dominanzgewalt. Anfang mag es sich gut anfühlen einen Partner zu haben, der wissen will, mit wem man sich trifft, wer gerade am Telefon war. Der Übergang zu einer kontrollierenden Situation ist oft fließend. Gallin erklärt:
Diese Gewalt entsteht nicht aus dem Affekt
Der aggressive Teil der Beziehung wird seine Vormachtstellung niemals aufgeben. Auch nicht, wenn sich eine Frau trennt. “Ohne externe Hilfe kommt eine Frau aus diesen Situationen kaum heraus”, sagt Gallin. Ziel sei immer Isolation und Abhängigkeit.
Hilfe zu suchen, ist keine einfache Angelegenheit. Beim Frauennotruf anrufen ist mit einer hohen Hürde verbunden, weiß Gallin – nicht zuletzt, weil sich viele Betroffene schämen oder meinen, sie müssten die Gewalt der Familie zuliebe aushalten.
Häusliche Gewalt
Laut Daten des Polizeipräsidiums lag der Anteil der männlichen Tatverdächtigen in Bezug auf häusliche Gewalt 2022 übrigens bei 75,7 Prozent. 75,3 Prozent der Opfer waren weiblich. Bei den Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung waren 89,3 Prozent der Tatverdächtigen Männer. Die Opfer waren mit 80,9 Prozent ganz überwiegend Frauen.
Der Frauennotruf ist für euch da
Auch die Beratung in der Miesbacher Außenstelle basiert auf einer Komm-Strategie. Nur wissen viele Frauen gar nicht, dass es einen Frauennotruf in Miesbach gibt. Auch deshalb sei Öffentlichkeitsarbeit so wichtig, bemerkt Gallin. Bei der Außenstelle handelt sich um ein komplett freiwilliges und anonymes Angebot. Betroffene müssen zudem keine persönlichen Daten abgeben, um beraten zu werden.
Das Angebot des Notrufs ist breit gefächert. Gallin unterscheidet zwischen kurzfristiger Beratung – beispielsweise bei der Recherche zu eigenen Rechten – und langfristiger Beratung. Dabei werden Gewalterfahrungen aufgearbeitet und versucht, Schmerz zu lindern.
Vor einigen Jahren war politisch geplant, dass jede Polizeiinspektion mit einer Fachstelle für Gewalt gegen Frauen kooperiert. Laut Angaben des Polizeipräsidiums gibt es im Landkreis Miesbach auf jeder Inspektion eine zuständige Sachbearbeiterin oder Sachbearbeiter. Sie kümmern sich um die angezeigten Fälle von häuslicher Gewalt. Willigt eine Betroffene ein, darf die Polizei persönliche Daten an den Frauennotruf weitergeben. So kann die Interventionsstelle des Notrufs auch proaktiv mit Opfern in Kontakt treten.
Telefonnummern und weitere Links:
- Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen: 0800 116 016.
- Hilfetelefon gegen sexuellen Missbrauch – für Erwachsene, Kinder und Jugendliche: Online, via Livechat oder per Telefon unter der Nummer 0800 225 55 30 und unter www.kein-kind-alleine-lassen.de oder unter Stelle deine Playlist zusammen.
- Hilfe für Menschen in Krisen unter 25 Jahren: krisenchat.
- Kinder- und Jugendtelefon: unter der Nummer 116 111 oder auf dieser Website.
- Nora: Die Notruf-App für Menschen mit Hör- oder Sprachbehinderung.
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