Die Nachricht kam überraschend und war für viele ein Schock. Der Biergarten in Kaltenbrunn galt als einer der schönsten in ganz Bayern und war weithin bekannt. Seit 2008 liegt das historische Anwesen in einer Art Dornröschenschlaf. Das geplante Hotel wurde nie gebaut. Der Biergarten ist geschlossen, die Fronten zwischen den Beteiligten verhärtet. Und der schönste Platz am See verfällt.
Wie es so weit kommen konnte
Eine Wasserwanne für Schafe ‒ ohne Herde ‒ steht inmitten der Wiese. Dort, wo sich eigentlich das Luxushotel von Stefan Schörghuber hätte ausbreiten sollen. Es wurde nie gebaut. Der Gmunder Gemeinderat hatte die Pläne des Unternehmers damals befördert, die Schutzgemeinschaft Tegernseer Tal (SGT) sie bekämpft. Der Ruf von fünf Bürgern, geäußert in Form einer Popularklage, nach mehr Denkmalschutz hatte vor dem Bayerischen Verfassungsgericht Widerhall gefunden. Schlussendlich kippte die Justiz das Projekt.
Die Quittung bekam unter anderem Gaststättenwirt Josef Brenner: Die Schörghuber-Gruppe kündigte 2008 den Pachtvertrag. Die sechs Sommer zuvor wurde hier eine riesige Gästeschaft bewirtet. Dort, wo früher viele anhielten, um bei Brotzeit und Bier den atemberaubenden Blick in die Alpen zu genießen, bleibt heute „nur noch“ das Panorama. Ein kleinkarierter Streit um die Pläne von damals scheint neue Vorhaben bis heute zu verhindern.
„Die Wiesen werden gut gepflegt“
Denn spätestens nach dem Tod von Stefan Schörghuber steht auf Gut Kaltenbrunn die Zeit still. Laut Antonia Asenstorfer, Sprecherin der Farmer’s Markt Landhandel GmbH, die zur Schörghuber-Gruppe gehört, existieren keine Zukunftspläne. „Es ist nichts spruchreif in Bezug auf einen neuen Biergarten“, berichtet sie auf Nachfrage.
Das Gelände und die umliegenden Wiesen würden gut gepflegt. Wie üblich fänden zweimal jährlich Begehungen der Gebäude statt, und die üblichen Instandhaltungsarbeiten würden durchgeführt, weiß Asenstorfer.
Wenn es nach Angela Brogsitter von der Schutzgemeinschaft Tegernseer Tal (SGT) geht, hätte die Option von damals auch heute noch Gültigkeit. Die Gemeinschaft würde sich den Erhalt des Gutes in seiner ursprünglichen Form wünschen: kleines Hotel mit Gaststätte und Strandbad. Oder auch die Errichtung eines Musterhofs – ähnlich der Herrmannsdorfer Landwerkstätten.
Sich selbst überzeugen und sehen, wie Tiere leben, wo das Fleisch, die Milch und das Gemüse herkommen. „Das ist wichtig und sinnvoll“, ist Brogsitter überzeugt.
Keine Rückkehr zu alten Zeiten?
Ganz früher hatte das Gut durch Erfolge in der Viehzucht und -haltung, als Pferdezuchtgut, als große Meierei beziehungsweise als beliebtes Ausflugsziel geglänzt. Heute ist die Zukunft völlig offen. Auch Alfons Besel, Geschäftsleiter im Gmunder Rathaus, weiß nichts Konkretes: „Uns liegen keine neuen Erkenntnisse vor“, heißt es aus dem Gmunder Rathaus.
Und somit geht der nächste ‒ der fünfte ‒ Sommer ins Land. Doch das Anwesen wird auch noch im nächsten Jahr leer stehen. Eine Bauruine. Die anfangs noch als Provisorium gedachten Planen über den Dächern haben sich mittlerweile ebenfalls zum festen Bestandteil von Kaltenbrunn entwickelt. Ein schiefer Bauzaun soll verhindern, dass Interessierte das Gelände betreten. Manchmal hausen Obdachlosen in den Gebäuden. Auch Jugendliche würden hierher zum Trinken kommen, heißt es im Tal.
Doch mit jedem Winter, der an dem sanierungsbedürftigen Bau nagt, wird eine Rückkehr zu alten Zeiten schwerer. Kaltenbrunn, so etwas wie das optische Kronjuwel der Schatzkammer Tegernsee, fristet das Dasein eines vor sich hin rottenden Zankapfels.
Drei Parteien, die nicht miteinander reden, die nichts tun ‒ außer sich in den Schmollwinkel zurückzuziehen. Gut Kaltenbrunn ist ein Lehrstück aus Borniertheit, falsch verstandenem Bürgersinn und politischer Trägheit.
Verpflichtet Eigentum noch?
Bleibt eigentlich nur die Frage offen, was die größere Beleidigung für die Bürger im Tal ist: die Tatsache, dass sich die Parteien nicht an einen runden Tisch setzen und über die Zukunft des Gutes verhandeln. Oder der traurige Anblick, der einen jedes Mal an den Spruch erinnern lässt: „Eigentum verpflichtet“ ‒ nur zu was?
Schade um das Gut, schade um den schönsten Platz am See.
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