Ab jetzt nur noch kalt duschen?

Der Krieg in der Ukraine lässt die Preise auf dem Weltenergiemarkt explodieren. Wie wirkt sich das auf unsere Strom- und Gasrechnungen aus? Ist die Energieversorgung noch sicher? Fragen, die wir Manfred Pfeiler von E-Werk gestellt haben.

Das altehrwürdige Gebäude des E-Werks in Tegernsee – davor der Geschäftsführer Manfred Pfeiler

Die weltweiten Krisen der letzten Jahre und der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine erschüttert den Markt für fossile Brennstoffe. Für uns Normalmenschen schmerzhaft spürbar, wenn wir tanken. Die Preise für Gas, Benzin, Super und Diesel erreichen Höchstwerte.

Das E-Werk ist seit mehr als 120 Jahren der Grundversorger für Energie für das Tegernseer Tal. Über die Zentrale in Tegernsee werden rund 20.000 Haushalte mit Strom und 2.000 Haushalte mit Gas versorgt. Manfred Pfeiler Geschäftsführer des Unternehmens beantwortet unsere Fragen zu der aktuellen Situation.

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TS: Der Krieg in der Ukraine wirkt sich auch auf die deutsche Wirtschaft und auf den deutschen Energiemarkt aus. Das merken wir Verbraucher schmerzhaft beim Tanken. Müssen wir uns Sorgen machen, dass wir uns bald das Heizen und den Strom nicht mehr leisten können?

Manfred Pfeiler: Es besteht kein Grund zur Panik – dazu gibt es zurzeit wirklich keinen Anlass. Auch wenn im Moment jede noch so kleine Meldung in den Medien eine negative Auswirkung am Energiemarkt auslöst.

TS:Wie stellt sich die aktuelle Preis-Situation beim Gas und Strom hier im Tal dar?

Manfred Pfeiler: Die Kunden, die mit dem E-Werk oder einem anderen Anbieter einen Liefervertrag abgeschlossen haben, merken momentan noch gar nichts von der Preisexplosion an den Energiemärkten. Unsere Beschaffungsstrategie ist über mehrere Jahre angelegt. Die benötigten Strom-/Gasmengen wurden schon lange vorher zu festgelegten Preisen eingekauft.

Für Vertragskunden des E-Werkes gab es für 2022 beim Strom keine Preiserhöhung.

Beim Gas hatten wir eine moderate Preiserhöhung im Oktober 2021, die für das komplette Jahr 2022 gültig ist.

TS: Aber es gibt aktuelle Preiserhöhungen? Wer ist davon betroffen?

Manfred Pfeiler: Nur die Preise in der Grundversorgung mussten wir erhöhen. Wir sind der Grundversorger für Strom in fünf und für Gas in vier Kommunen am Tegernsee. In der Grundversorgung sind aber nur alle Haushalte und Unternehmen, die keine langfristigen Verträge mit uns oder anderen Energielieferanten abgeschlossen haben. Diese zusätzlichen Bezugsmengen sind über unsere langfristige Beschaffungsstrategie nicht eingedeckt.

TS: Für diesen Verbrauch müssen Sie am Energiemarkt Teilmengen zu tagesaktuellen Preisen zukaufen?

Manfred Pfeiler: Genau. Aber die Preise werden auf dem Spotmarkt stundenaktuell gehandelt. Dabei erreicht der Preis für Strom beängstigende Höhen. Im Moment liegt eine Kilowattstunde bei bis zu 70 ct auf dem Markt. (Informationen hier) Ebenfalls müssen wir zum Ausgleich der Verbrauchsspitzen diesen hohen Preis auf dem Energiemarkt zahlen.

TS: Wie entstehen diese Verbrauchsspitzen?

Manfred Pfeiler: Wir arbeiten mit einer Bandversorgung. Das heißt, wir planen immer mit dem gleichen Verbrauch in einem Monat. An den Abweichungen nach oben oder unten sind das Wetter und das abweichende Verbraucherverhalten unserer Kunden (Urlaub, Arbeitstag, Sonn- und Feiertage) der Grund.

TS: Dann hilft uns im Tal auch der vergleichsweise sonnige und milde Winter?

Manfred Pfeiler: Ja, ansonsten hätten wir wahrscheinlich schon im Januar oder Februar größere Probleme in der Versorgung bekommen.

TS: Da war aber noch gar kein Krieg in der Ukraine.

Manfred Pfeiler: Ja – aber im laufenden Winter waren die Gasspeicher nicht ausreichend gefüllt. Das ging ja durch alle Medien.

An Tagen ohne Wind und Sonne müssen die fossilen Kraftwerke vermehrt Strom produzieren und den Ausfall der regenerativen Energiequellen ausgleichen.

Zur Produktion von Strom wird Kohle und Gas und teilweise noch Öl benötigt. Und gerade beobachten wir auch einen rasanten Anstieg beim Preis für Kohle und Gas. Der Kohlepreis geht gerade durch die Decke.

TS: Dann müssen wir kalt duschen und frieren, wenn die Russen den Gashahn und die Kohlelieferungen kappen – oder wir Europäer die Einfuhr stoppen im Rahmen der Sanktionen?

Manfred Pfeiler: Nein, – das nicht (lacht). Wir befinden uns im kalendarischen Frühling und damit am Ende der energieintensiven Heizperiode. Zudem sind die bundesdeutschen Gasspeicher aktuell mit 29 Prozent ausreichend gefüllt. Das hat im Januar und Februar noch ganz anders ausgesehen.

TS: Aber trotzdem – gesetzt den Fall, es kommt kein Gas mehr aus Russland, – was passiert dann?

Manfred Pfeiler: Wir sind im Verband der Energieversorger auf die einzelnen Szenarien vorbereitet. Für jede mögliche eintretende Situation haben wir Notfallpläne vorbereitet. Nach aktueller Einschätzung würden wir mit den bestehenden Reserven bis zum Spätherbst auskommen.

TS: Aber wir müssten unseren Energieverbrauch drastisch einschränken?

Manfred Pfeiler: Den Verbrauch einzuschränken ist ohne Frage der beste Weg, um langfristig mehr Energie einzusparen – nicht nur in einer Krise wie aktuell. Und sollte es tatsächlich zu Einschränkungen kommen, was ich betone ausdrücklich aktuell nicht der Fall ist, dann haben Privathaushalte absolute Priorität bei der Versorgung. Zuerst wird der Verbrauch der größeren Kunden in der Industrie reguliert. Das ist ganz klar gesetzlich geregelt.

TS: Doch was passiert in der nächsten Heizperiode in 2022/23?

Manfred Pfeiler: Zukünftig soll eine Mindestreserve in den Gasspeicher aufgebaut werden, die durch den staatlichen Eingriff reguliert werden soll. Dazu laufen aktuell im Hintergrund die Vorbereitungen.

Hierbei freut es mich, dass gerade unser „Grüner Energieminister“ Robert Habeck eine Kehrtwende vollzieht, in dem indem er klar macht: ‚Ökonomie geht über die Ökologie‘.

TS: Dazu gehört dann auch die Entprivatisierung der Gasspeicher, die aktuell zu einem großen Teil der Gazprom gehören?

Manfred Pfeiler: Diese Fehler wurden vor Jahren gemacht. Die Speicher waren in Deutschland nie als Not-Reserven gedacht. Vielmehr war es früher so, dass die Speicher die Aufgabe hatten, zwischen Sommer- und Winterpreis zu regulieren. Spätestens aber, seitdem der Gaspreis im Sommer so hoch wie im Winter ist, stellten sie wirtschaftlich keinen Wert mehr.

TS: Und was können wir im Tegernseer Tal neben dem „Energiesparen“ tun, um unabhängiger von den Energiepreisen auf dem Weltmarkt zu werden?

Manfred Pfeiler: Leider nur sehr wenig, wir beziehen aktuell rund 10 Prozent aus regenerativen Energiequellen. Das sind bei uns traditionell die Wasserkraft und hinzu kommt die Solarenergie.

Wir könnten diesen Wert bestenfalls auf rund 20 Prozent ausbauen, wenn wir alle Ressourcen nutzen. Aber dafür brauchen wir viel Wasser und viel Sonne.

TS: Was meinen Sie damit konkret?

Manfred Pfeiler: Man müsste vieles verändern, wie zum Beispiel die Satzungen der Kommunen. Besonders auch in Hinsicht auf Photovoltaik-Anlagen. Das ist aber immer dann möglich, wenn die Leute erkennen welche Auswirkungen eine Krise und die dann entstehenden Abhängigkeiten haben. Wie schon gesagt, gilt nun erstmal: Ökonomie vor Ökologie – auch bei uns im Tal.

Wir danken Herrn Pfeiler für das Gespräch.

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