Abfälle und Einsichten

Es gibt eine schwarze, eine blaue und eine braune Tonne. Das wissen wir. Und wann die jeweils abgeholt werden. Was danach mit unseren Verpackungen, Essensresten und anderen Hinterlassenschaften passiert, ist vielen nicht bekannt. Es hat irgendwas mit der VIVO in Warngau zu tun – und genau dort haben wir hinter die Kulissen geblickt.

„Der bringt gerade den Restmüll aus Otterfing“, erklärt VIVO-Abfallberaterin Dr. Martina Peters, in der Halle mit den Inhalten der schwarzen Tonnen. Dabei müsste sie nicht mal den genauen Abfuhrplan kennen, sie erkennt quasi am Müll die Gegend: „Es gibt leider so etwas wie ein signifikantes Nord-Süd-Gefälle, was das Abfallvermeidungs- und Mülltrennungsbewusstsein betrifft“, so die promovierte Chemikerin aus Holzkirchen.

Sie reißt beherzt ein paar Beutel vom Tegernseer Nachbarhaufen auf und sortiert flink den Inhalt: „Biomüll, Folien, Leichtverpackungen, Alu, Alu, Papier – dieser Restmüllbeutel ist eigentlich keiner. Wäre alles wiederverwertbar gewesen. Dieser riesige Berg da hätte eigentlich insgesamt höchstens halb so riesig sein dürfen.

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“Was im Restmüll landet, ist für den Wertstoffkreislauf verloren. Auf der einen Seite kommen die Lastwagen der VIVO, kippen den Müll ab und befüllen die große Halle mit einem bunten, stinkenden und bisweilen skurillen Potpourri dessen, was wir nicht mehr brauchen. Hier liegt ein Schuh, dort eine Gitarre. Und immer noch jede Menge Wertstoffe. Überall flattert das bunte Plastik in der Zugluft, die den Gestank etwas erträglicher macht.

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Auf der anderen Seite der Halle werden die Sattelzüge der VIVO mit dem verpressten Restmüll befüllt und auf den Weg ins Heizkraftwerk Rosenheim geschickt. Viermal am Tag, jeweils etwa 20 Tonnen.

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Auch die Restmüll-Umladestation ist eine Station, die Peters mit vielen vierten Schulklassen des Landkreises durchläuft. Müll, Recycling und Abfallvermeidung ist inzwischen an den Schulen ein fixer Bestandteil des HSU-Unterrichts – und für die Abfallberaterin des Warngauer VIVO KU eine Herzensangelegenheit.

Sortieren leicht gemacht

„Anfangs sagen die Kinder noch ‘Iiiih, hier stinkt’s aber eklig’. Wenn ich ihnen dann aber erkläre, dass wir den Gestank quasi bei jedem einzelnen zu Hause abholen, können die Kleinen einen Bezug herstellen zwischen dem, was da liegt und dem, was sie zu Hause wegwerfen. Und beginnen sich, für das Thema zu interessieren.“

Daher gibt es für die Kinder in der stillgelegten Sortieranlage für Leichtverpackungen an einem Förderband die Möglichkeit, das Sortieren spielerisch nachzuvollziehen. Auf kurzweiligen Schautafeln wird erklärt, was Abfallvermeidung heißt und warum eine Gummibärchen-Tüte voller kleiner Gummibärchen-Tüten ein besonders „gutes schlechtes Beispiel“ ist.

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Wir ziehen weiter, auf Gitterrosttreppen durch die monströse Sortieranlage. Sie wurde vor wenigen Jahren stillgelegt – das Sortieren der Leichtverpackungen übernehmen mittlerweile andere Firmen. Was mit der beinahe 20 Jahre alten Sortieranlage geschieht, ist noch ungewiss.

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Nun steht die Besichtigung der modernen kombinierten Vergärungs- und Kompostieranlange auf dem Programm. Im Akkord fressen sich große Radlader durch Grünschnitt- und Bioabfallhaufen und füttern die große Siebtrommel, die Grobes von Feinem trennt und mit einem Magneten alle Eisenteile aus der braunen Masse holt – das sind neben Dosen und Drähten ironischerweise eine ganze Menge Gartengeräte.

Dann ist Handarbeit angesagt, um den zukünftigen Kompost vom Plastik zu befreien. Wir erfahren, dass die vermeintlich biologisch abbaubaren Supermarkttüten viel zu langsam verrotten, um im Kompost bleiben zu dürfen. Sie haben also, wie andere Kunststoffe, im Bioabfall nichts verloren.

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Ebensowenig haben in der braunen Tonne Fäkalien oder gar Tierkadaver etwas zu suchen. „Immer wieder kommen tote Hamster und dergleichen auf dem Förderband daher – das ist für unsere Mitarbeiter einfach sehr unangenehm“, mahnt Peters und schildert uns einen weiteren makaberen Höhepunkt: „Vor wenigen Jahren fanden unsere Fahrer in Bayrischzell ein ganzes Wildschwein in einer Biotonne.“

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Wir lassen uns im sogenannten „EX-Bereich“ die Fermenterkammern erklären, an denen uns eine heiße und sehr würzige Note in den Kopf steigt bevor wir, vorbei an Gasballon und -fackel, eine Runde durch das Blockheizkraftwerk drehen, wo ein MAN-Zwölfzylinder nagelt und aus Biogas 1,2 Millionen KWh Stunden Strom pro Jahr ins regionale Netz einspeist.

 

Neben der Produktion von reinem Kompost als Dünger und als Beimischung zu unserer Oberlanderde erzeugt die Anlage also „Bio-Strom“ im besten Sinne und leistet einen wichtigen Beitrag zum regionalen Energie-Mix.

Wir erfahren viel von Peters und sind beeindruckt vom Blick hinter die Kulissen des Wertstoffzentrums – von dem wir, wie die meisten Bürger, eigentlich nur Flohmarkt, Styroporsäcke und die freundlichen Mitarbeiter an den Containern kannten.

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Wir werfen noch einen Blick in die Giftkammer, auf die die Müllexpertin als Chemikerin qua natura ein besonderes Auge hat. „Viele wissen immer noch nicht, dass Reste aggressiver oder gar chlorhaltiger Reinigungssubstanzen hier oder am Giftmobil der Firma Heinz kostenlos abgegeben werden können – und müssen. Wir sortieren die Chemikalien und schicken sie dann in eine spezielle Verbrennungsanlage nach Augsburg, wo sie in einem besonderen Verfahren und unter hohen Umweltschutzauflagen verbrannt werden.“

Das alles kostet Geld. Peters:

Aus Vergleichen mit anderen Landkreisen und Bundesländern wissen wir, dass die VIVO sicher nicht zu den teureren Verwertern gehört. Unsere Grundgebühren sind niedrig. Dafür zahlt der Bürger nach Bedarf – also nur, wenn er mal umbaut oder etwas außerplanmäßig zu entsorgen hat. Das ist ein gerechtes System.

Die VIVO ist ein Kommunalunternehmen, das keinen Gewinn erwirtschaften darf. Dennoch verschlingen der laufende Betrieb, Neuinvestitionen und vor allem die Nachsorge für die alte Deponie am Haushamer Brenten große Summen.

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Mit diesen und zahlreichen anderen Einsichten und Eindrücken verlassen wir das trubelige Gelände an der Valleyer Straße wieder.

Jetzt wissen wir, dass aus unserem Plastikmüll tatsächlich Fleece-Jacken hergestellt werden, dass Altglas tatsächlich nach Farben getrennt bleibt und dass uns dort in Warngau mit Frau Dr. Martina Peters jemand auf eine spannende und sachverständige Art das noch einmal näher bringt, was wir fortgeworfen haben.

Wer also das Prinzip und den facettenreichen Kosmos des Umgangs mit unserem Müll verstehen möchte, sollte sich für eine der regelmäßigen Führungen durch das VIVO Wertstoffzentrum auf jeden Fall die Zeit nehmen. Denn: Was ganze Schulklassen begeistert, kann für uns erwachsene Verbraucher und Verursacher nicht uninteressant sein.

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