Acht Vorschläge gegen die Bauwut

Der Bauvirus grassiert im Tegernseer Tal. Grünflächen verschwinden, die Immobilienpreise steigen in immense Höhen, statt Bäume wächst Beton. Für einige Einheimische ein Skandal. Gegensteuern lautet die Devise. Doch welche Möglichkeiten haben die Gemeinden überhaupt?

Die Nachfrage nach Immobilien im Tegernseer Tal ist groß.

Die höchsten Immobilienpreise im Tegernseer Tal bewegen sich jenseits der Zehn-Millionen-Euro-Marke. Bauflächen am See sind beliebter denn je. Doch basiert die vermeintlich hohe Nachfrage nach Immobilien ausschließlich auf Spekulationshoffnungen? Gibt es in Wirklichkeit gar keine Wohnraum-Nachfrage, wie es Kommentatoren sehen?

Müssen die Verantwortlichen mit entsprechenden Regeln gegensteuern, damit landwirtschaftliche Flächen nicht zum Spekulationsobjekt werden? Und wie sieht das Gegensteuern konkret aus? Was sollen die Gemeinden beziehungsweise der Landkreis tun? Hier insgesamt acht Vorschläge eines TS-Lesers, der mit seinem Kommentar unter dem Artikel “Teuer, Teurer, Tegernsee” Bürgermeister Johannes Hagn herausfordert.

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Vorschlag 1: Bebauungspläne mit Einschränkungen schaffen

Antwort von Tegernsees Bürgermeister Johannes Hagn: Wir haben nur über die Bauleitplanung, also über Bebauungspläne und Flächennutzungspläne die Möglichkeit, zwischen Wohngebieten, Mischgebieten und Sondergebieten (z.B. Hotel, Klinik, etc.) in die Zukunft gerichtet zu steuern. Wir können nicht darüber entscheiden, wer bauen darf und wer nicht (ob reich, Spekulant, sozialschwach).

Das geht nur, wenn uns der Grund gehört, und wir Verkäufer oder Vermieter sind. Im Einzelfall bleibt uns eine kleine Möglichkeit, über den Verhandlungsweg etwas zu erreichen. Nachdem aber jedes Projekt und jedes Grundstück anders ist, kann man kaum eine Regelung schaffen, die sowohl für die Zukunft rechtskonform ist, als auch jeden einzelnen möglichen Fall erfasst. Wenn mir das Grundstück gehört, kann ich diese Regelungen voll durchsetzen. In allen anderen Fällen, muss ich auf das Koppelungsverbot achten.

Vorschlag 2: Baugenehmigungen verweigern

Johannes Hagn: Wenn wir über das Recht zu bauen sprechen, dann sprechen wir nur über das Wo und Wie. Wir dürfen schlechterdings nicht entscheiden, ob uns der Bauwerber gefällt. Insbesondere haben wir keine Eingriffsmöglichkeit, an wen der Eigentümer, und später der Investor verkauft. Im Grunde wird hier doch über massive Eingriffe in die persönlichen Grundrechte gesprochen. Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz: alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Und dann fällt mir ad hoc noch unser Rechtsstaatsprinzip ein: alles staatliche Handeln ist an das Recht gebunden.

Die Möglichkeit, Wiesen in Baugrund umzuwandeln und hier über Einheimischenmodelle günstigen Baugrund zu schaffen, führt zu Flächenverbrauch. Ist in Tegernsee mangels Fläche nicht möglich. Auch zu beachten ist, ob hier nicht weiteres Baurecht geschaffen wird und das zu erreichende Ziel städtebauliche gravierende Nachteile nach sich zieht. Also im Einzelfall ja, generell fürs Tal kein Allheilmittel.

Vorkaufsrechte sind nur in Einzelfällen möglich, da Eingriff in die Vertragsfreiheit. Diese sind sehr aufwändig zu begründen und müssen tatsächlich für jedes Objekt erarbeitet werden. Wir haben und werden Vorkaufsrechtssatzungen erarbeiten. Aber: wir müssen bei jeder Vorkaufsrechtssatzung mit einer Normenkontrollklage rechnen, für die wir, wenn wir uns mal für die Satzung entschieden haben, auch bereit sind.

Die in rot eingezeichneten Flächen im Tegernseer Flächennutzungsplan sind Wohnflächen. Grüne Wiesen könnte man in Baugrund umwandeln.

Antwort vom Landratsamt, in dessen Zuständigkeitsbereich diese Frage fällt:

Das Landratsamt kann eine Baugenehmigung nicht einfach verweigern. Die Baugenehmigung ist eine sogenannte gebundene Erlaubnis. Das heißt, Art. 68 der Bayerischen Bauordnung bindet die Baugenehmigungsbehörde – also das Landratsamt Miesbach – insofern, als dass es sie verpflichtet, die beantragte Baugenehmigung zu erteilen, wenn das Vorhaben den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspricht. Andernfalls würde sich die Baugenehmigungsbehörde sogar schadenersatzpflichtig machen. Selbst wenn eine Gemeinde einen Bauantrag ablehnt, und diese Ablehnung gegen geltendes Recht verstößt, muss das Landratsamt den Bauantrag genehmigen.

Vorschlag 3: Wenn gegen eine Bauverweigerung geklagt wird, nicht gleich den Schwanz einziehen, sondern über einige Instanzen gehen.

Johannes Hagn: Da hätte ich gerne mal ein konkretes Beispiel. Wir sind in allen Fällen über alle Instanzen gegangen, wenn Aussicht auf Erfolg bestand. Wir haben kein Prozessrisiko gescheut. Im Falle Hailer (Lieberhof) haben wir uns konkret auf ein Normenkontrollverfahren eingestellt und uns auch sehr gute Chancen ausgerechnet. Übrigens mit hohen Anwaltskosten verbunden.

Vorschlag 4: Nicht gleich im Gemeinderat den Schwanz einziehen und immer mit der Schulter zucken, um dann den Spruch zu bringen „Da stimmen wir lieber mal gleich zu, ansonsten werden wir vom Landratsamt überstimmt“.

Johannes Hagn: Haben wir wiederholt gemacht, insbesondere am Leeberg wegen Unstimmigkeiten bei der Anwendung des Einfügungsgebots nach § 34 BauGB. Aber ich werde nicht den Schwarzen Peter ans Landratsamt weiterreichen: Wenn ich im Unrecht bin, kann ich mich nicht durch so etwas ins Recht setzen.

Vorschlag 5: Sich selbst an die Nase fassen und stundenlang dafür abwatschen, dass man das „System der Einwohnergleichwerte“ verlassen hat.

Johannes Hagn: Siehe mein Interview in der TS – was waren denn die Folgen? Verknappung des Angebots, steigende Preise, hohe Bauzinsen – schlecht fürs gemeine Volk. Dann Einwohnergleichwerte aufgehoben, Preise gefallen (bis 2007), Tal zugebaut. Der Grund für die hohen Preise wird von den Kommentatoren doch aufs trefflichste beschrieben. Nur, wo kann ich über das Baurecht die Politik der EZB beeinflussen?

Vorschlag 6: Sich mal den Parteikollegen (in diesem Falle Seehofer/Söder) vorknöpfen und ihnen so dermaßen eins zwischen die Hörner geben (Stichwort: Landesentwicklungsplan von Söder, Wegfall des Anbindegebots!)

Johannes Hagn: Sehr sachlicher Kommentar, wirklich. Wofür und mit welchem Ziel? Für den Umgang mit Münchner Wohnungen? Was bringt uns das hier? Wo ist hier die persönliche Verantwortung von Söder und wo die aller anderen beteiligten Akteure? Mal anders gefragt: all die, die sich hier jetzt aufregen, hätten doch in die Gemeinde- und Stadträte gehen können oder entsprechend Druck ausüben. Das Thema ist doch wahrlich kein neues, es wäre mehr als genug Zeit gewesen – siehe dieser Zeit-Artikel aus dem Jahre 1996.

Also, die Politik hat nicht geschlafen. In Tegernsee und anderen Gemeinden wurden in der Vergangenheit gezielt Wohnungen gekauft oder den Lenggrieser und Tegernseer Siedlungsgenossenschaften Grundstücke billigst überlassen. Wir sind und bleiben dran. Aber wir können nicht alle mit billigen Wohnraum versorgen, dafür reicht das Geld nicht. Wir müssen ja noch sanieren und da kriege ich dann Prügel, wenn ich die Mieten auf ein für beide Seiten erträgliches Maß anhebe – was darf´s denn nun sein? Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass?

Vorschlag 7: Nachweis des Bauwerbers geben lassen, woher er sein Geld hat.

Johannes Hagn: Bei Zahlungen über 15.000 Euro muss von der Bank eine Geldwäschemitteilung erstellt werden. Wenn Zahlungen und Einkommen nicht zusammenpassen, gehen überall die roten Lampen an. Wir sind hier als Kommunen nicht in der Lage, solche komplexen und aufwändigen Ermittlungen anzustellen. Wir sind am Zahlungsverkehr nämlich überhaupt nicht beteiligt. Der Nachweis der Rechtmäßigkeit des Besitzes an Geld und Vermögen liegt bereits weit vor dem Kaufgeschäft bei Steuer- und Zollbehörden. Und wenn ich jeden Oligarchen bezichtige, dass er sein Geld über Drogenhandel und dergleichen erworben hat, dann muss gegen ihn strafrechtlich ermittelt werden. Bis dahin gilt die Unschuldsvermutung auch für ihn. Und noch was: Die allermeisten Immobilien über fünf Millionen werden von reichen Deutschen erworben.

Vorschlag 8: Sich mal im Tal untereinander abstimmen: Wie viele neue Betten sind momentan in Planung?

Johannes Hagn: Im Landkreis und im Tal sind in den letzten Jahrzehnten massiv Betten „abgebaut“ worden. Wir Tal-Bürgermeister sind uns einig, dass wir hier gegensteuern müssen.

Hagns Schluss-Resümee:

Geht es nur uns so? Keinesfalls, siehe Rügen oder Bodensee . Alle suchen händeringend nach Lösungen, aber den Markt kann man nicht außer Kraft setzen. Wer das fordert, muss auch die Lösung bieten. In Bayern wird der Bau von Wohnraum derzeit übrigens massiv gefördert. Nur, was mache ich ohne ausreichend Grund? Und wie gehe ich mit dem Flächenverbrauch um? Also Innenverdichtung – das ist nur begrenzt eine Lösung und passt auch nicht allen.

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