Allgemeinwohl gegen Privatinteresse

Im Juni 2013 wurde bekannt, dass der Lieberhof in Tegernsee verkauft wird. Bis heute dauert die Diskussion um die Veränderungssperre und das Vorkaufsrecht der Stadt Tegernsee an. Enteignung aufgrund planerischer Städtebauvorhaben? Ein fragwürdiges Recht, von dem die Stadt aber jederzeit Gebrauch machen kann.

"Fremdenzimmer" und eine "bürgerliche Küche" werden die Gäste auch weiterhin auf dem Lieberhof finden.
„Fremdenzimmer“ und eine „bürgerliche Küche“ wünscht sich die Stadt Tegernsee auch weiterhin auf dem Lieberhof.

Vor zwei Jahren wurde durch einen Bericht der Tegernseer Stimme bekannt, dass der Lieberhof verkauft werden soll. Die Stadt reagierte damals schnell. Mit einer Veränderungssperre wollte die Stadt sicherstellen, dass das Anwesen mit Fremdenbeherbergung und Bewirtung weiterhin touristisch genutzt wird. Vor allem weil der Hof, seit 1970 in Besitz der Familie Hailer, sich zu einem traditionsreichen Gasthof im Tal etabliert hat.

Erst kürzlich hat die Stadt nun beschlossen, die Veränderungssperre zu verlängern und von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen. Zum Ärgernis des Eigentümers Hans Hailer. Dieser stellte seine Immobilie bereits für eine achtstellige Summe zum Verkauf. Doch der künftige Käufer, die Stadt Tegernsee, wird diese Summe wohl nicht als angemessenen Kaufpreis akzeptieren.

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Enteignung wegen „städtebaulicher Maßnahmen“ gerechtfertigt?

Tegernsees Bürgermeister Johannes Hagn betont, dass man zwischen Allgemeinwohl und Privatinteresse in manchen Fällen Prioritäten zugunsten des Allgemeinwohls setzen müsse. So wie in diesem Fall. Es habe aber nichts mit willkürlicher Enteignung zu tun. Auch die Vorgeschichte des Anwesens hänge mit der Entscheidung zusammen. Denn der Lieberhof sei bereits Hailers Vorgängern nur mit der Prämisse überlassen worden, dass er weiterhin als Gasthof genutzt wird.

Dennoch ist das Vorgehen, zumindest für den Einzelnen, fragwürdig. Das Allgemeine Vorkaufsrecht wird durch die Bestimmungen des § 24 des Baugesetzbuchs geregelt. Generell räumt es jeder Kommune – unabhängig ob Stadt, Landkreis oder Gemeinde – die Möglichkeit ein, im Falle des Verkaufs einer Immobilie oder eines Grundstücks, einen Kaufvertrag abzuschließen.

Vorausgesetzt, das Kaufinteresse kann durch städtebauliche Maßnahmen begründet werden.

Gerhard Brandl, Pressesprecher des Landratsamts Miesbach, erklärt auch noch eine andere geltende Begründung: „Neben städtebaulichen Maßnahmen können Flächen auch nach dem Naturschutzrecht von einer Kommune gesichert werden.“

Was kann ein Eigentümer gegen ein derartig beantragtes Vorkaufsrecht unternehmen? „Eigentlich nichts“, so Brandl weiter. Die einzigen zwei Möglichkeiten seien: entweder vom Vertrag zurückzutreten oder den Rechtsweg zu beschreiten.

Vorgaben drücken Kaufpreis

Brandl betont jedoch, dass normalerweise dieses Vorkaufsrecht unproblematisch abläuft. In den meisten Fällen ist es dem Eigentümer egal, ob der Käufer die Stadt oder ein Privatinteressent ist. Hauptsache man einigt sich auf einen vernünftigen Kaufpreis.

Doch gerade dies ist im aktuellen Fall nicht gegeben. Durch die Vorgaben der Stadt wird der Wert des Grundstücks gemindert und dadurch der Kaufpreis erheblich gesenkt. Schließlich dürften Wohnungen an diesem Standort weitaus besser zu verkaufen sein als ein Gasthof.

Die legitimen Interessen Hailers werden durch diese Vorgaben geschädigt. Constanze Füsser vom beauftragten Immobilienbüro RE/MAX Emotion Immobilien gab keine Auskünfte über potenzielle Interessenten oder ob der Verkauf derzeit weitergeführt wird. Auch Hans Hailer war zu einer Stellungnahme nicht bereit.

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