Altes Holz, junge Triebe

Es ist schwer zu messen, aber doch ein eindeutiger Eindruck: Jenseits der Volksrocker, Volkstümler und Barfußbläser erfährt die echte Volks- und Tanzlmusik bei den “Jungen” wieder eine Renaissance. Wir haben versucht herauszufinden, was dahintersteckt und wurden von der Schonseitn-Musi und den Bernad Dirndln zu einer Feierabend-Probe eingeladen.

[youtube https://www.youtube.com/watch?v=iwzdBWSp7IM&w=740&h=416]

Es ist ein regnerischer Tag in Wettlkam, diesem äußersten und vom Tölzer und Münchner Land eingezwickten Nordwestzipfel des Landkreises. Ein Auto nach dem anderen rollt im Hof des großen landwirtschaftlichen Anwesens an, je nach Feierabend eben zehn Minuten früher oder später. Nach und nach tragen die jungen Musiker ihre Instrumente in die Stube, in der von der gastfreundlichen Beirin gerade die größte Brotzeit der Welt hergerichtet wird, und man hat nicht den Eindruck, dass es eine Presse-Sonderbrotzeit ist, sondern einfach so dazugehört wie die unaufgeregte Feierabend-Tracht: Leinenpfoad, Weste, Hut hier, das schlichte Dirndlgwand dort.

schonseitn-musi-bernad-dirndln-10Bevor aufgespielt wird, stärkt man sich, und es geht lustig zu. Der Name “Schonseitn”-Musi – übersetzt: Schattenseitenkapelle – sei eine augenzwinkernde Verballhornung der bekannten und geschätzten Sunnseitn-Musi – übersetzt: Sonnenseitenkapelle-  aus Bad Tölz. Die sechs überwiegend Otterfinger Musikanten nehmen sich nicht allzu ernst. Das musikalische Können in allen Ehren, aber dort, wo sie in der Regel aufspielen geht es ausgelassen und gesellig zu, wird getanzt, getrunken, gefeiert und “verhockt”.

Anzeige

schonseitn-musi-bernad-dirndln-06Etwas anders verhält es sich da mit den Bernad Dirndln,  die eigentlich die Thalhammer Dirndln heißen müssten, ihren Dreigesang aber nach der Hofstelle ihrer Eltern im Dietramszeller Land benannt haben. Zum Teil mit Harfenbegleitung singen sie dort, wo es andächtiger zugeht: Andachten, Hochzeiten, Taufen, wo Sie das Publikum durchaus so manches Mal zu Tränen rühren. Sie haben das mehrstimmige Singen von ihren Eltern gelernt bekommen, die zwar immer noch eine wichtige kritische Instanz für jedes eingeübte Stückl sind, aber den Dirndln auch mittlerweile auch Luft für ihre eigene Handschrift lassen. Dabei sind eigener Stil und eigene musikalische Akzente mitunter vermintes Terrain:

Wenn wir ein Stückl einüben, tun wir das mal näher am Original und mal mit mehr eigener Note. Das gefällt dann halt auch nicht immer jedem. Was wir dann schmissig finden, ist für die Alten dann manchmal schon zu modern oder verschandelt.

Ein Phänomen, das natürlich auch den Burschen von der Tanzlmusik bekannt ist:

Viele der Stücke sind ja schon recht alt und in einer Zeit entstanden, wo es arm hergegangen ist. Da war im Dorf der Organist, der hat diese Sachen halbwegs gesetzt und arrangiert. Dann hat’s geheißen: ‘Du da, Du dazarrst d’Baßgeign’ (übersetzt: Dir traue bis zu einem gewissen Ausmaß die Handhabung eines Kontrabasses zu) – entsprechend war auch die Qualität damals. Und das Lätscherte zu einem Maßstab zu machen, weil man es immer schon so gemacht hat, ist der verkehrte Weg.

Das Können an den Instrumenten ist um ein Vielfaches facettenreicher geworden und auch die Welt ist nun eine andere, sie ist kleiner geworden, man kommt herum, inspiriert sich auf Veranstaltungen, am Hoagascht und auf YouTube und baut sich die eigene Version vom alten Liedgut so zusammen, bis sie einem gefällt. Ein bisschen Andacht hier, ein bisschen rotzfrech dort, ohne das Wesen und den Geist des Liedes zu misshandeln.

schonseitn-musi-bernad-dirndln-11Es ist schwer, wirklich zu messen, was dafür gesorgt haben mag, dass sich junge Musiker nach der Oberkrainer Einfalt der vergangenen zwanzig Jahre wieder mehr an altes heimisches Liedgut wagen und intuitiv das Kulturgut Stuben- oder Tanzlmusik beleben. Und in unserem Fall gar den Dreigsang, der, wie die Dirndl es formulieren, “eine aussterbende Rass'” sei.

Die neue Lust an der Volksmusik automatisch mit einem Rückzug ins Konservative in Verbindung zu setzen, ist per se falsch. Dazu kommt bei diesen Burschen und Dirndln der Umgang mit der Tradition zu frisch, modern und selbstbewusst daher. Die Verfügbarkeit und Allgegenwart jeder Art von Musik, die Normalität des Stilbruchs hat es vielleicht einfach wieder interessanter gemacht, sich mit Dingen auseinanderzusetzen, die noch echt sind.

Oder vielleicht einfach, weil zu so solchen Brotzeiten kein Techno passt.

Die Bernad Dirndln auf Facebook

Die Schonseitn Musi auf Facebook

schonseitn-musi-bernad-dirndln-12
schonseitn-musi-bernad-dirndln-02 schonseitn-musi-bernad-dirndln-01 schonseitn-musi-bernad-dirndln-03schonseitn-musi-bernad-dirndln-09 schonseitn-musi-bernad-dirndln-08 schonseitn-musi-bernad-dirndln-07schonseitn-musi-bernad-dirndln-04

 

SOCIAL MEDIA SEITEN

Anzeige
Aktuelles

Diskutieren Sie mit uns
Melden Sie sich an und teilen Sie
Ihre Meinung.
Wählen Sie dazu unten den Button
„Kommentare anzeigen“ aus

banner