Kreuther Anwalt wegen Parteiverrats verurteilt

Weil er zwei seiner Mandanten in derselben Rechtssache vertrat, wurde ein Anwalt aus Kreuth des Parteiverrats angeklagt – und für schuldig befunden. Sogar ein Berufsverbot droht dem Mann.

Im Miesbacher Amtsgericht wurde gestern der Fall eines Anwalts aus Kreuth verhandelt, der des Parteiverrats beschuldigt und verurteilt wurde. /Archivbild

Gestern Nachmittag saß der 69-jährige Anwalt zum zweiten Mal auf der Anklagebank im Miesbacher Amtsgericht. Die Staatsanwaltschaft warf dem Kreuther vor, als Anwalt zwei seiner Klienten in ein und derselben Sache vertreten zu haben und dadurch in einen Interessenkonflikt geraten zu sein.

So ist es einem Anwalt laut Gesetz strikt verboten, einen Fall zu übernehmen, bei dem er sowohl die eine Partei als auch die Gegenseite vertritt. Bei Nichteinhaltung dieses Verbots – dem sogenannten „Parteiverrat“ – muss er mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis fünf Jahren rechnen.

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Gleich zu Beginn der Verhandlung beantragte Rechtsanwalt Tronje Döhmer den Ausschluss der Öffentlichkeit. Nach einer kurzen Besprechung – das Publikum musste den Raum in dieser Zeit verlassen – wurde weiterverhandelt. Die Verhandlung blieb jedoch öffentlich.

Verdacht des Konto-Missbrauchs

Dem in Miesbach tätigen angeklagten Anwalt wurde eben diese Straftat gestern vor Gericht zur Last gelegt. Der 69-Jährige hatte einen Mann vertreten, der angeblich unberechtigte Abbuchungen vom Konto seiner alkoholkranken Mutter vorgenommen haben soll. Im Jahr 2009 hatte der Mann von seiner Mutter eine „Vorsorgevollmacht“ erhalten und war damit berechtigt, in ihrem Namen stellvertretend zu handeln.

Doch dann belegten Kontoauszüge, dass er sich unterschiedliche Geldsummen abgehoben hatte. Aus diesem Grund wurde im Dezember 2015 eine gesetzliche Betreuerin beauftragt, den Verdacht des Missbrauchs auszuräumen. Es sei festgestellt worden, dass der Sohn „viel Geld“ ausgegeben hatte, so die Aussage der aus Rottach-Egern stammenden Zeugin.

Verdächtig seien vor allem diverse Tankabbuchungen im September vergangenen Jahres im Wert von rund 403 Euro gewesen, die der Sohn der alten Dame während seines Italien-Urlaubs getätigt hatte. Außerdem hatte er seine Kfz-Steuer für 580 Euro von dem Konto abgebucht.

Angeklagter kämpft gegen Betreuerin

Der Mann schaltete daraufhin den als Anwalt tätigen Angeklagten ein. Mit einer schriftlichen Beschwerde setzte sich dieser gegen die Vorwürfe der Betreuerin zur Wehr. Der Fall kam vor das Münchner Landgericht, wo man die Mutter für geschäftsunfähig erklärte und damit die Notwendigkeit der Betreuerin bestätigte. Die Beschwerde lief jedoch ins Leere. Mehrmals sei der Angeklagte aufgefordert worden, so die Rottacher Kontrollbetreuerin gestern vor Gericht, die Vollmacht zu widerrufen.

Sie habe allerdings keine Antwort erhalten. Stattdessen habe der angeklagte Anwalt weiter gegen die Betreuerin gekämpft und sei im Rahmen der landgerichtlichen Anhörung schließlich auch als Interessensvertreter der Mutter aufgetreten. „Hier wird viel Gebrüll um nichts gemacht“, soll die alte Dame vor dem Landgericht ausgesagt haben. Der Sohn solle auf jeden Fall die Vollmacht behalten, sie vertraue ihm. Das Geld gehöre irgendwann sowieso ihrem Sohn, doch noch sei sie der Chef.

„Sie haben die Kontoveränderungen doch gar nicht kontrollieren können“, wies der Anwalt des Angeklagten, Tronje Döhmer, die Zeugin gestern zurecht. Weder hätte sie jemals mit der Mutter noch mit dem Sohn über deren Interessen gesprochen. Die Mutter sei mit den Handlungen ihres Sohnes einverstanden gewesen, verteidigte Döhmer seinen Mandanten. Zumal das Vermögen einer „ungeteilten Erbengemeinschaft“ entspringe, und beiden Parteien eine gemeinschaftliche Verwaltung obliege. Einer Vollmacht hätte es deshalb eigentlich ohnehin nicht bedurft.

Anklage spricht von Parteiverrat

Der Staatsanwalt ließ sich davon nicht beirren. In seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt habe der Angeklagte „Parteiverrat“ und damit eine Straftat begangen, erklärte er in seinem Schlussplädoyer. Gegenstand der Verhandlung sei nicht die Veruntreuung des Sohnes, sondern der von Anfang an bestehende Interessenskonflikt beider Parteien, den der Angeklagte in seiner Funktion als Anwalt ignoriert habe.

„Man kann nicht zwei verschiedene Interessen in derselben Sache gleichermaßen vertreten“. Wenn es tatsächlich der Fall gewesen wäre, dass die Mutter durch die Veruntreuung einen Schaden erlitte hätte, dann hätte der Angeklagte als Anwalt ein Problem. Aus diesem Grund habe er sich des Parteiverrats schuldig gemacht.

Im Hinblick darauf, dass den Angeklagten noch ein berufsrechtliches Verfahren erwarte, welches ihm „erhebliche Probleme“ verursachen, und ihm vermutlich sogar der Ausschluss aus der Anwaltskammer drohe, forderte der Staatsanwalt lediglich eine Geldstrafe in Höhe von 180 Tagessätzen zu je 150 Euro. Parteiverrat setze einen Interessenkonflikt voraus, der in diesem Fall nicht gegeben war, verteidigte der Rechtsanwalt seinen Mandanten. Beide Parteien hätten aber das Gleiche gewollt. Er stellte in Frage, ob sich der Staatsanwalt überhaupt auf die richtige Annahme gestützt habe. Seine Forderung: Freispruch.

Urteil: „Schuldig des Parteiverrats“

Der Angeklagte, der bis dahin keine Angaben zur Sache machen wollte, brach plötzlich sein Schweigen: „1979 habe ich mich entschlossen, Jura zu studieren, um einen Beitrag zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu schaffen. Hier greift die Exekutive in die Rechte des Bürgers ein. Und es ist die Aufgabe eines Anwalts, diese Rechte zu verteidigen.“ Die Verfolgung eines Rechtsanwalts halte er für „verfahrensmissbräuchlich“.

Richter Walter Leitner fällte trotzdem das Urteil: „Schuldig des Parteiverrats“. Der Angeklagte wurde mit einer Geldstrafe in Höhe von 140 Tagessätzen zu je 150 Euro bestraft. In seiner Urteilsbegründung erklärte Leitner, dass die einzige Aufgabe der Betreuerin darin bestanden hätte, die Rechte der alten Damen gegenüber dem Bevollmächtigten zu kontrollieren.

Durch eine ordnungsgemäße Prüfung der Konten hätte lediglich der Verdacht des Missbrauchs ausgeräumt werden sollen. Eine Mutter, die ihr Geld behalten, und ein Sohn, der es entnehmen will – das wären widerstrebende Interessen. Warum der Angeklagte es nicht dabei belassen hat, nur den Sohn zu vertreten, sei ihm bis zum Schluss schleierhaft geblieben, so der Richter. „War’s Schlamperei? War’s Absicht? Ich weiß es nicht. Fakt ist, der Konflikt ist offensichtlich.“

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