Architekt Schneider wirft Gemeinde Irreführung vor

Die Diskussionen um den Neubau des Rathauses beschäftigen viele Bürgerinnen und Bürger im Tal. Uns hat erneut ein Leserbrief erreicht mit der Bitte um Veröffentlichung.

Uns erreichte ein Leserbrief zum Thema “Rathausneubau Rottach-Egern”. / Foto: Gemeinde Rottach-Egern

Wolfgang Schneider hat im Nachgang zu Infoveranstaltung im Seeforum einen Leserbrief verfasst. Er folgt im Wortlaut. Schneider ist Architekt und engagiert beim Bürgerbegehren gegen den Abriss des alten Rathauses.

Leserbrief: Debatte zu Rathausabriss oder Neubau

Die Berichterstattung und Debatte zur Rathaus-Planung mit großer Bürgerbeteiligung von mehr als 300 Personen zeigt, dass das Interesse der Bürger hoch ist. Bürgermeister Köck wünschte sich eine sachliche Diskussion, hielt sich aber leider selbst nicht daran, weil er Gegnern des Neubaus ständig ins Wort fiel und keine Widerrede dulden wollte. Er selbst verteilte „Hiebe unter der Gürtellinie“ und wollte die Redner gegen den Abriss nicht zu Wort kommen lassen.

Ganz entschieden muss man den Aussagen von Architekt und Gemeinderat, Andreas Erlacher, widersprechen, dass das Rathaus, wenn nicht abgebrochen, so doch komplett entkernt werden müsse. Da wird gelogen, ohne rot zu werden! Die Gemeinde versucht, den Bürgern vorzugaukeln, dass das alte Rathaus nichts mehr taugt. Interessant ist auch die Entwicklung der Kosten, die Architekt Erlacher vorlegt: bei der 1. Schätzung – Variante 4 Sanierung Rathaus und Anbau – lag er bei 5,85 Millionen – jetzt, da er im Sinne des Bürgermeisters spricht, hat er Kosten für die gleiche Maßnahme von plötzlich 9,5 Millionen in den Raum gestellt. Will man uns hier für dumm verkaufen? Ich bin seit 61 Jahren in Rottach und in Oberbayern als Architekt tätig – eine solch wundersame Vermehrung der Kosten, die auf keinen soliden Berechnungen aufbaut, ist mir noch nie vorgekommen.

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Herr Erlacher und die Verwaltung müssen sich fragen lassen, ob sich dann die Kosten in so kurzer Zeit auch beim Neubau so explosionsartig entwickeln. Wollen wir das und kann das der Bürgermeister, die Verwaltung und der Gemeinderat vor dem Steuerzahler verantworten?

Ich vermisse bei Herrn Erlacher Sachverstand in Sachen Sanierung und beklage, dass er dem Bürgermeister „nach dem Mund redet“. Eine derartige Irreführung der Bevölkerung ist unwürdig und indiskutabel. (Herr Erlacher wurde mit vielen Aufträgen seit langer Zeit durch die Gemeinde bedacht und will sich sicher nicht die Gunst der Gemeinde verscherzen, nachdem Motto „Wessen Brot ich esse, dessen Lied ich singe“).

Grundsätzlich muss hervorgehoben werden, dass das Rathaus eine gute, bauliche Substanz hat. Völlig abwegig ist es, das Gebäude entkernen zu wollen – einschließlich Abbau des Daches. Das Rathaus ist ein historisches Gebäude mit Tradition und Originalität. Vor 25 Jahren hat die letzte, große Sanierung stattgefunden inklusive Dämmung und neuem Dach. Auszuführen wären u. U. Maßnahmen nach der Energieeinsparverordnung.

Auch die Beheizung kann umweltfreundlich beim Altbestand über die neue, vorgesehene Grundwasser-Wärmepumpe erfolgen. Mit dem Anbau erhielte das Rathaus einen großen Sitzungssaal mit Standesamt, ausreichend neue Büroräume, zeitgemäße Technik – die auch den Altbau mitversorgt. Lift und breite Treppe gewährleisten die behindertengerechte Nutzung. Die Neuplanung durch das Dresdner Büro ist total überdimensioniert. Normalerweise haben Büroräume pro 1 Person 8 bis 12 m2 – in der jetzigen Planung sind Büroräume ab 25 m2 geplant. Das ist Verschwendung von Steuergeldern!

Aber die hohen Kosten sind es nicht alleine, die mich veranlassen, gegen den Abriss vorzugehen – es geht so viel verloren: die einzigartige Fassade mit dem Zwiebelturm muss bleiben, sie prägt Rottach und ist ein markanter Punkt im Ortskern. Der Abriss wäre eine Schande zugunsten eines uniformen, langweiligen Gebäudes, wie man es überall jetzt findet – kalt und unpersönlich. Da ändert auch ein viel zu großes Vordach von 3 m Tiefe und eine aufgesetzte Holzattrappe nichts daran. So etwas gibt es allerdings im ganzen Tegernseer Tal noch nicht!

Durch die enorme Größe des geplanten Neubaus mit 17 m Breite und 11,10 m Traufhöhe wird das Einfügungsgebot, das jedem bauwilligen Bürger auferlegt wird komplett außer Acht gelassen. Jeder Bauwerber hätte künftig im Rathaus einen wunderbaren Bezugsfall. […]

Wolfgang Schneider
Architekt Rottach-Egern

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Es handelt sich um die Meinung eines Lesers. Wir veröffentlichen Leserbriefen zu relevanten Debatten, sofern sie sich weitgehend im guten Ton bewegen und klar erkennbar sind in ihrer Autorenschaft. Wir behalten uns Kürzungen vor sowie redaktionelle Ergänzungen, sofern sie dem Lesefluss dienen und den Inhalt nicht verändern. Hier haben wir zuletzt über den Rathaus-Neubau geschrieben.

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