Bergwaldsymposium Rottach-Egern:
Auf zum Schutzwald-Schichtl: Männer, Holz und die Jagd

Es wollte ein Bergwald-Symposium werden. Eingeladen hat das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (ALF) ins Seeforum Rottach-Egern. Dann ging es um Jagd, Wolf und “Klimahysterie”.

Foto: Julia Jäckel

Um die 150 Menschen haben sich im Seeforum eingefunden. Jäger, Förster, Waldbesitzer, und ein paar Neugierige. Jungs und Männer, die Wald tragen: Schnittschutzhosen (Obacht, Kettensäge), batzige Wanderstiefel und in der Mehrheit der Proto-Typ des schicken Bayern: Janker, Trachtenhut mit Gamsfeder oder anderweitiger Trophäe.

Die paar wenigen Frauen, die es hierher geschafft haben, tragen Funktions- oder Strickjacken und wirken neben den mächtigen Waldmännern ein wenig verloren. Nur ein paar junge Gesichter blitzen in den Reihen auf. Überwiegend geht der gemeine Besucher Richtung 55 plus.

Auch das Podium ist durchgehend von Männern besetzt, das ist schade, fällt hier aber niemanden auf. Der patente Moderator vom Rucksackradios des Bayerischen Rundfunks (BR), Georg Bayerle, im roten Jacket und Harry-Potter-Brille, hat dann auch die liebe Müh mit den besserwisserischen Herren im Publikum.

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Von Muren, Mäusen und Hangexplosionen

Den Auftakt gibt Dr. Stefan Glaser. Der Geologe vom Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) gibt sich dem Untergrund hin und der Frage, was, wann und wie alles rutschen kann. Mantra: ”Dort, wo schon mal was passiert ist, wird wieder was passieren.”

Er zeigt recht eindrücklich die unterschiedlichen Katastrophen auf, die so einen Berghang und die Menschen darauf bzw. im Tal ereilen kann. Es geht um Verkarstung, unterschiedlichste Rutschungen, und Steinschlag bzw. Felssturz. Besonders wichtig für ihn? Erstmal darauf hinweisen, dass er heute nichts über Muren erzählen wird, denn da wären die Kolleginnen und Kollegen vom Wasserwirtschaftsamt Rosenheim zuständig.

Dann sagt er aber doch was dazu, nämlich: “Eine Mure ist immer schnell, da kann ein rüstiger Mann nicht mithalten” und dass so eine Schlammlawine eine Rutsche braucht. Zum Beispiel eine Wildbach-Rinne­ ­­– deswegen ist das Thema also bei den Kollegen. Der zweite Teil des geologischen Mantras lautet dann: “Gefahrenbereiche freihalten”.

Wer wissen will, wie gut wir damit im Tal fahren, kann sich die Gefahrenkarte hier anschauen und nach den Geo-Risk-Objekten suchen. Rund um den Leeberg am Tegernsee sieht es da recht bunt aus. Ist auch kein Geheimnis, wissen alle.

Das sind dann Erfahrungswerte, da ist schonmal was Konkretes passiert und deswegen rot markiert. “Mit dem Bergwald werde ich nicht verhindern, dass der Hang rutscht”, spricht der Fachmann.

Weil er vielleicht doch die Sorge hat, dass einer der Zuschauer mal im Starkregen auf einem schiefen Hang steht, muss jetzt noch die Hangmure her. Geht auch nach mehreren Tagen Starkregen … wenn dann aus einem Mausloch am Hang eine Wasserfontaine herausschießen, bitte rennen. Dann stehe eine “Hangexplosion” bevor, so der besorgte Geologe.

Hirsch vor Holz

Weiter gehts mit dem “Baumversteher” und Bergwaldförster, Meinhard Süß. Er spricht am Pult auf der Bühne über den “Fichtenwald am Limit”, die Auswirkungen des Klimawandels auf die Fichte: “Der Mensch hat sie reingebracht, der Mensch wird sie wieder vertreiben”, und zeigt auf das schmale Fichtenband in den Alpen. Dann wirft er einen Blick zurück in die Geschichte. Etwa zum Forstgesetz, das 1852 mehr Wirtschaftsgesetz war, das den Grundsatz “Hirsch vor Holz” verfolgte und damit in erster Linie Rohstoff-Lieferant war. Dass es 1975 dann mit dem Waldgesetz eine Kehrtwende gab. Der Naturschutz eine hohe Bedeutung bekam und erst dann der Bergmischwald “zum neuen Leitbild” wurde.

Dann geht es ihm um die Jagd, als Teil der Bergwaldpflege und warnt, dass die “Naturverjüngung” in allzu vielen Mägen lande. Damit ist das Wild gemeint, genauer das Schalen-Wild, das die jungen Triebe verspeist und der Verjüngung keine Chance lässt.

Denn ein gesunder Bergwald braucht den Nachwuchs, der von unten wächst. Dann darf auch oben mal was passieren bzw. dann hat man halt eine Chance. Wer genau hinhört, hört auch ab und zu das Wort Flysch, das Fasziengewebe des Tegernseer Tals, der die Neigung zum Rutschen mitbringt. Süß verschluckt das Wort mehrmals in seinem Vortrag. Es ist aber da. Und es ist fürs Tal verdammt wichtig.

Flysch

Flysch ist ein instabiles Sedimentgestein aus der Kreidezeit. Er besteht aus verschiedenen Schichten von Kalk, Mergel, Sand und Ton. Die Ablagerung erfolgte während der Kreidezeit in einem Tiefseegraben des Tethysmeeres. Das eigentliche Urmeer, welches vor circa 200 Mio. Jahren existierte, war ein warmes Flachmeer, das große Teile Süddeutschlands bedeckte. Es herrschte tropisches Klima. An den steilen Ufern des Tethys-Meeres glitten Schlammströme in die Tiefe. Diese führten zu abwechselnden Schichtungen und Sortierungen nach Korngrößen. Zusätzlich wurden die Flyschsedimente durch das von Süden heranrückende Kalkalpin aufgefaltet worden. Das Alter der Gesteine im Tegernseer Tal? Circa 100 bis 85 Millionen, die Gesamtmächtigkeit der Schichten beträgt ca. 1100.

Auch übt Süß Kritik an der Jägerzunft, die den “2A-Hirsch” zeitlebens schone und dann den “König des Waldes” als 1A-Hirsch – wegen der Trophäe – schieße. Dazu spricht er die These aus, dass “Wald vor Wild” massiv abgelehnt würde. Der Saal pocht.

Pottwale aus Österreich

Der Herr Leitner Horst, Forstwirt und Wildökologe aus Österereich stellt sich in die Mitte der Bühne. Einfach vor die Leinwand. So lässig ist der. Dann wagt er es auch noch seine Reise nach Rottach-Egern klimakritisch zu beschreiben: “Zugverbindung 8 Stunden 5” war zu lang.

Deswegen reiste er auf einem Pottwal an – äh, auf der Analogie eines Pottwals. Denn er erklärt dem sich windenden Publikum, wo der Diesel aus seinem Tank her ist. Dann hat er die Dreistigkeit alle zu erinnern, dass unsere Atmosphäre so dünn wie eine Apfelhaut ist. Als er dann noch das Grünen-Gründungsmitglied, Carl Amery, zitiert, hat er die konservativen Zuhörer endgültig verloren: “Der Mensch kann die Krone der Schöpfung bleiben, wenn er begreift, dass er sie nicht ist.”

“Komm zum Punkt”, mein Sitznachbar springt fällt fast vom Stuhl dabei: Das kontert der Östereicher locker, er können ja gerne rausgehen, aber das er dann einiges verpaße, verspricht Leitner auch.

Der Zen-Österreicher in burgunderrotem Pullover darf dann von seinen Studien und Erfahrungen erzählen. Für ihn ist der Bergwald ein Problem-Löser, weil er Co2 speichert, weil er das Wasser zurückhalten kann, weil er uns Holz schenkt. Dass man da aber nichts einpflanzen solle, weil es das dann zu monoton wird, dass Feldwege wie Drainagen wirken und das es weniger “Mensch mehr Wald” brauche. Seine Verbesserungsvorschlägen: Verbissmonitoring (was speist das Wild und wo?), klare Zielsetzung für die Jagd (wann sieht man, dass es dem Wald besser geht?) und dass es junge gut ausgebildete Jäger brauche (Vorstellungsgespräche), flexible Jagdmethoden und “die Fütterungspraxis Fallstricke” habe.

Wunderbare Provokationen und Blutrache

Auf dem Podium stehen dann alle Referenten nochmal für Fragen aus dem Publikum zur Verfügung. So haben sich ALF und der BR-Moderator Bayerle das eigentlich vorgestellt.

Wolfgang Mayr vom Bayerischen Jagdverband Miesbach springt aber gleich in die Startfrage rein und platziert ein Statement: Dass ihn diese Veranstaltung an 1983 erinnere, an der es eine ähnliche Veranstaltung zum Bergwald gegeben habe, in der fatalistisch und hysterisch über den “sauren Regen” gesprochen wurde und dass er hier aber bei der Hinfahrt recht schönen Bergwald gesichtet habe.

Auf die Frage von Bayerle, was er jetzt denn so hysterisch fand an den Vorträgen, kommt dann aber nix. Dafür ist dann die Podiumsparty offen. Dr. Wolf Guglhör, vom Verein Schutz der Bergwelt spricht vom “Konflitkpotential” der verschiedenen Gruppen, merkt an, dass sich die “Fronten verhärten” und will dann das Mikro nicht mehr abgegeben. Zum Leiden von Bayerle, der sich deutlich grämt, dass er sich das Mikro aus der Hand hat nehmen lassen.

Ecker-Schotte ist stinksauer

So eine richtige Diskussion kommt nicht auf, dafür steigen im Publikum die Emotionen. An der Spitze Tierschützerin, Johanna Ecker-Schotte, die “über diese einseitige Besetzung des Podiums” schockiert sei. Die auch verstanden habe, dass das “Wild reguliert werden muss”, aber dass es sie maximale entsetze, dass die Auflösung der Winterfütterung in Erwägung gezogen werden und zugibt, dass sie gerade “sehr emotional” sei und nicht vom Fach sei.

Es folgen verschiedene Wortmeldungen, die eher nach Impulsreferat als nach Fragen klingen. Eine davon “der das nicht so stehen lassen kann, “will jetzt wissen, wie denn das Podium zum Wolf stehe. Der steht zwar auch nicht auf der Agenda. Aber was soll. Naturschützer, Dr. Wolf Guglhör, gehöre der Wolf zur Natur, betont aber eifrig, dass er für “Wolf und Almweide” sei (wie immer das funktionieren mag). Zu der Frage, ob Wolf und Luchs und Bär nicht auch die Jagd “ersetzen” können, da traut sich jetzt keine und keiner mehr hin. Im Nationalpark Bayerischer Wald wird das gerade erwogen, ob und wie natürliche “Räuber-Beute-Mechanismen” wieder dominieren könnten.

Miteinander reden statt provozieren

In der Schlussrunde werden alle dazu gezwungen noch was Konstruktives zu sagen. Das klappt sogar. Der Waldbesitzer, Alexander Mayr, betont, dass es darum gehe, der nachfolgenden Generation einen “klimastabilen Wald” zu hinterlassen. Der Wildökologe Horst Leitner appelliert an die Demut vor der Natur und betont dass er nichts gegen eine Wildtierfütterung habe, wenn sie zur “Schadensvermeidung” im Wald führe.

Der Geologe mahnt, dass man sich die “Orte anschauen” solle, wo das Problem liege, weil “jeder Hang ist anders”. Süß möchte eigentlich nicht mehr so richtig, sagt dann aber, dass man aus dem “Jagdgesetz ein Wildgesetz” machen könne. Dr. Wolf Guglhör will gleich mit allen eine Exkursion machen, weil man sich dann konkreter mit Dingen vor Ort beschäftigen könne.

Löwis macht dann noch eine seiner beliebte Versöhnungsgesten, schiebt ein, dass er die “Provokationen wunderbar lustig” findet und schwört alle darauf ein, im Gespräch zu bleiben. Er verspricht über Verwaltungsgrenzen hinweg mit anderen Gemeinden das Bergwald und Jagd-Thema anzugehen, um “das Rad nicht neu zu erfinden” und endet als Mahnung an alle mit einem Polt-Zitat: “Dass du so nachtragend bist, vergesse ich Dir nie.”

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