Ergänzung vom 16. Juni / 17:47 Uhr
Im Jodschwefelbad steht eine wichtige Personalie an. Wie aus dem Wiesseer Rathaus heute vermeldet wird, soll der bisheriger Betriebsleiter Hans Sparrer Mittes des Jahres nach in den Vorruhestand gehen. Nach 25 Jahren in leitender Position im Jodschwefelbad.
Die organisatorische Leitung des Bades wird ab diesem Zeitpunkt an den Geschäftsleiter der Gemeinde, Michael Herrmann übertragen. Das bedeutet gleichzeitig, dass der Posten des Betriebsleiters entfällt. Das Straffen der Organisation bedeute auch eine große Kostenersparnis für die Gemeinde, so Höß gegenüber dem Merkur.
Brigitta Ammer übernimmt im Auftrag von Bad Wiessee zum 01. Juli 2011 die Bereiche Produktplanung, Vertrieb und Marketing des Jodschwefelbads. Ammer hatte bereits Ende Januar Ihre Arbeit in Bad Wiessee begonnen und frischen “Werbewind” in die Organisation gebracht. Mit der Umstrukturierung erhält Sie nun mehr Verantwortung und damit mehr Einfluß.
Das ZIel ist es die Besucherzahlen auf ein deutlich höheres Niveau zu hieven. Bisher konnte durch die Maßnahmen des Umbaus und gewisse Marketingaktionen nur eine leichte Steigerung um 8,5% von 2009 auf 2010 erreicht werden. Höß ist das aber zu wenig.
Ursprünglicher Artikel vom 04. März mit der Überschrift “”Badepalast” aus vergangener Zeit – Ein Besuch im Jodschwefelbad in Bad Wiessee”:
„Was für ein Bau!“ Mit diesem Gedanken steht man vor dem imposanten hundertjährigen Gebäude in der Nähe der Wiesseer Uferpromenade. So breit ist es, dass man es gar nicht in voller Gänze erfassen kann. In der Mitte des sandsteinfarbenen Baus: Der Eingang, umrahmt von zwei griechisch anmutenden Säulen.
Nachdem man den blauen Hirschen am Eingang passiert hat, erwartet einen ein neu renovierter Eingangsbereich mit lauschigen beigen Ledersesseln vor einem riesigen Bild aus den 30er Jahren.“Sommerfrische“ könnte es heißen.
Und es erinnert an die große Blütezeit der “Badekultur”. Flanierende Badegäste vor der Wandelhalle sind darauf zu sehen. Alle lauschen einer Kurkapelle und sind recht vergnügt miteinander. Bereits seit 100 Jahren folgt man hier der Badetradition.
Die Sessel müssen auf mich noch warten. Jetzt wird erstmal was für die Gesundheit getan. Zahlreiche Schilder weisen den Weg: Zu den Augenbädern, Sprühbäder, Massagen und Wannenbädern. Diesem Schild folge ich.
Schon beim Betreten des langen, schmalen Ganges fällt mir der Geruch auf. Erinnert an eine KFZ-Werkstatt, finde ich. Da kommt Badefrau Sigrid Biechl aus einer Kabine, um mich zu begrüßen. Sie ist über alle vereinbarten Termine informiert. Mit routinierter Geste geleitet sie einen in eine der 15 Kabinen.
So düster der Eindruck von außen, so angenehm ist es drinnen
Auch die sind neu renoviert. Dunkle Schieferfliesen. Weiß getünchte Wände. Ein kleiner Hocker für die abgelegte Kleidung. Eine Liege zum nachher Ausruhen. Glanzstück in der Kabine: Die symetrisch geformte weiße Badewanne. In die lässt sie gleich das Wasser ein. 37 Grad hat die leicht bräunlich gefärbte, riechende Flüssigkeit. Mit 20 Grad wird das Wasser aus zwei Quellen aus 700 Metern Tiefe geholt. Adrianus-Quelle heißt die eine.
Benannt nach dem Holländer Adrian Stoop, der im Jahre 1904 nach Wiesseer Öl bohrte, zuerst auch welches fand und dann doch per Zufall auf Deutschlands stärkste Jod-Schwefelquellen stieß. Die Heilwirkung sprach sich wie ein Lauffeuer herum. Die Zahl der verabreichten Bäder, Inhalationen und Trinkkuren stieg unaufhörlich. Von rund 9.000 Bädern im Jahr 1915, fast 17.500 im Jahr 1918 und rund 160.000 Behandlungen im Jahre 1935 sei die Rede. Seitdem in den siebziger Jahren die zweite Quelle dazu kam, werde sie noch bei weitem übertroffen. Ein Jahrhundert und unzählige Anwendungen später ist die außergewöhnliche Heilkraft der beiden Quellen „Adrianus“ und „Wilhelmina“ heute offenbar so wirksam wie damals.
„Die Kurgäste sind schon immer bei uns“, erzählt die Badefrau. „Heute kommen auch die Einheimischen.“ Sie freut sich, dass die Nachfrage steigt. Seit 13 Jahren arbeitet sie schon im Wannenbad. Und es gefällt ihr immer noch. Dieses Jahr sei der erste Winter, in dem das Bad geöffnet sei. Die neu errichteten Praxisräume nebenan seien mit ein Grund. Mit Professor Kaiser von der Hautklinik und der Physiotherapie Stephan arbeite man eng zusammen. Und da sei dann auch eine durchgehende Wassertherapie mit eingeplant.
Draußen hatte es 2,5 Grad. Hier drinnen gefühlte 18 Grad. Wie Gott einen erschuf steigt man in das warme Elixier. Vom starken, salzigen Geruch des Wassers fühlt man sich schon ganz schwer. „Die Ohrringe bitte rausnehmen.“ Das kommt jetzt zu spät, denn die sind im Wasser bereits braun angelaufen. „Kriegt man ganz leicht wieder weg“, beruhigt sie. „Einfach wieder blank rubbeln.“
Erstmal ganz untertauchen. Als Journalistin bin ich natürlich neugierig und probiere einen Mund voll. Salzig schmeckts. Und ordentlich erdig. Das muss nicht nochmal sein. Die Augen schließen und genießen. Der Alltag ist hektisch genug. Nichts ist zu hören, außer ein Gluckern in der Leitung. Leise tickt der Wecker, der in die Tür eingelassen ist. „Ich sage Ihnen dann Bescheid“, sagt die Badefrau und kümmert sich wieder um die anderen Gäste. Leises Murmeln auf dem Gang. Und dann wieder das Gluckern des Wassers, das langsam in eine der Wannen eingelassen wird.
Damals in der guten alten Zeit
So muss es hier früher gewesen sein, als man zur Sommerfrische an den Tegernsee fuhr. Erst ein gepflegtes Wannenbad. Dann Ausruhen und später auf der Terrasse der Wandelhalle nebenan gepflegt Kaffee trinken. Sich ein wenig herausputzen und dann am See entlang flanieren. In einem weißen Spitzenkleid, den weißen Sonnenschirm schützend über den Kopf haltend. Und der 60-köpfigen Kurkapelle lauschen. Die sauber herausgeputzten Kinder spielen lachend auf der Wiese. Schöne Vorstellung…
Mein Körper fühlt sich jetzt echt schwer an. Nur der Kopf arbeitet weiter. Nach fünf Minuten ist mir heiß. Jede Körperzelle pulsiert. Das muss die prophezeite Durchblutungssteigerung sein. Nach zehn Minuten habe ich einen roten Kopf und mir ist noch heißer. Die Heißphasen kommen wie Wehen. Immer wieder. Und in immer kürzeren Abständen. Nach rund 20 Minuten klopft es. Sigrid Biechl kommt herein. „Jetzt können Sie aussteigen.“ Ich falle fast hin, als ich aus der Wanne steige. So platt bin ich. Ich glaube, mein Blutdruck ist im Keller.
…. und es wird immer wärmer!
Aber jetzt steht die Raumtemperatur schon bei gefühlten 25 Grad. Ich lasse mich auf die Liege nahe Liege fallen, auf ein weißes Laken. Mit dem anderen decke ich mich zu. Noch die flauschige Wolldecke drüber. „Nicht abtrocknen,“ hat sie gesagt, damit die Wirkstoffe voll in die Haut eindringen können. Und jetzt mindestens 15 Minuten ruhen.
„Das Ruhen nach dem Bad ist das Wichtigste“, sagt Hans Sparrer, Betriebsleiter im Jodschwefelbad. Die Holländer haben das Bad behalten. Betrieben wird es von der Gemeinde. Sparrer leitet es seit elf Jahren. Neun Angestellte kümmern sich um die Gäste. Nach dem Sport zur Muskelentspannung, nach operativen Eingriffen oder bei speziellen Erkrankungen wie computergestressten Augen und trockener Bürohaut kommen meist jüngere Leute hierher.
Besonders für den Kreislauf sei die Wassertherapie gut. Rheuma, Bluthochdruck und Durchblutungsstörungen könnten beispielsweise gelindert werden. Die spezielle Zusammensetzung des Wassers sei verantwortlich dafür. „Jod wirkt blutdrucksenkend und schleimlösend“, erläutert er. Schwefel sei entzündungshemmend, antibakteriell, schmerzlindernd und desifizierend. In Kombination wirke das Wasser auch bei Haut- und Atemwegsbeschwerden. Die spezielle Zusammensetzung beider Inhaltsstoffe in Kombination sei das Geheimnis des Erfolgs.
Einmal ist keinmal und wiederkommen “Pflicht”
Bei einem Rundgang durch das Bad fällt ein laborähnlich anmutender Raum auf. Hier werden die Aerosol-Augenbäder durchgeführt. Bei trockenen Augen oder Lidrandentzündung. Man sieht in ein Gerät, aus dem kalter Dampf heraus kommt. „Da lassen wir den Schwefel weg“, sagt der Betriebsleiter. Nach fünf Minuten fühlt man sich richtig erfrischt. Auch Aufsätze für Nase und Mund zeigt Sparrer. „Zur Inhalation.“ Beispielsweise bei Probleme mit den Bronchien oder den Nasennebenhöhlen.
Jedoch müsse die Therapie vor Ort stattfinden, denn zahlreiche Untersuchungen hätten gezeigt, dass sich gerade der hochwirksame Schwefel-Wasserstoff an der Luft rasch verflüchtigt. Wie gut für die, die Einheimisch sind. Sie müssen nicht lange anreisen. „Und wenn man Glück hat, zahlt den Großteil die Krankenkasse“, sagt Sparrer. Man stelle bei der Kasse einfach einen Antrag auf wohnortnahe Kur. Einen kleinen Eigenanteil müsse man jedoch selbst tragen.
„Einmal ist keinmal.“ Der Betriebsleiter bietet mir an, wieder zu kommen. Nur die serielle Anwendung führe zum Erfolg. Sechs Mal sollte man das schon machen. Zwei- bis dreimal in der Woche wäre gut. Ich werde wieder kommen. Aber jetzt muss ich erst mal ein bisschen am See flanieren. Wie die Sommerfrischler. „Kann sein, dass Sie den Rest des Tages müde sind“, verabschiedet er mich.
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