Die Behimdertenbeauftragte der Gemeinde Kreuth, Christine Göttfried feierte vor kurzem ihren 40. Geburtstag. Doch anstatt ein großes Fest auszurichten, spendete Sie lieber 500 Euro für die Kreuther Behindertenarbeit.
Für Göttfried sei das unter anderem auch ein Bekenntnis zu ihrem eigenen Schicksal. Auch Sie sitzt seit langem im Rollstuhl. Wir wollen ihre Arbeit würdigen und dabei auch die Frage aufwerfen, wie behindertenfreundlich das Tegernseer Tal ist? Wir haben es im Mai diesen Jahres selbst getestet.
Christine Göttfried ist seit nunmehr über zehn Jahren die Behindertenbeauftragte der Gemeinde Kreuth. Für die Belange der Behinderten setzt sie sich aber schon viel länger ein. Zum einen hat dies damit zu tun, dass sie selbst im Rollstuhl sitzt und “daher ganz genau weiß, wie die Bedürfnisse der Rollstuhlfahrer im Tegernseer Tal aussehen.” Zum anderen sieht Sie es schlichweg als ihre Aufgabe an, die Situation der Behinderten in Kreuth und im ganzen Tal zu verbessern.
Behindertenrampe im Rathaus
Einige Initiativen und Projekte wurden von der 40-jährigen bisher schon auf den Weg gebracht. So wie der Bau einer Behindertenrampe am Eingang der katholischen Kirche oder am Rathaus. Das neueste Vorhaben, das auch dank Göttfrieds Einsatz finanziert werden kann, ist die Installation einer behindertengerechten Toilette im Kreuther Pfarrsaal.
Doch wie sieht es eigentlich im Großen und Ganzen bei uns im Tal aus? Wie behindertenfreundlich sind die Gemeinden und Einrichtungen rund um den Tegernsee? Wir waren im Mai unterwegs. Der Artikel ist aber immer noch aktuell.
Unüberwindbare Hindernisse
Da ist der Bordstein am Gehweg. Der schotterige Kiesweg. Der Höhenunterschied zwischen Straße und Buseinstieg. Oder die drei Treppenstufen, die ins Café oder das Wirtshaus führen.
Kleine Schritte für die meisten, manchmal unüberwindbare Hindernisse für behinderte Menschen, sei es durch Krücken oder durch einen Rollstuhl.
In Bayern gibt es laut dem Gmunder Behindertenbeauftragten Anton Grafwallner fast eine Million Menschen mit Behinderungen, wovon rund die Hälfte über 65 Jahre alt ist. Für eine alternde Gesellschaft wird Barrierefreiheit immer wichtiger.
Positives Fazit für das Tal?
Barrierefrei oder behindertengerecht? Was heißt das eigentlich? Lange Zeit wurde beim Bauen nicht an gehbehinderte Menschen und Rollstuhlfahrer gedacht. Dabei ist das angesichts der demografischen Veränderungen extrem wichtig. Doch die bis heute praktizierte Bauweise verschwendet oft wenig Gedanken daran, dass wir alle einmal älter und damit auch unbeweglicher oder gar gehbehindert werden.
Nicht abgesenkte Bordsteinkanten an Fußgängerampeln. Durch Wurzeln hochgedrückte Asphaltwellen auf dem Gehweg. Treppen ohne Ausweichmöglichkeiten auf Rampen oder Aufzüge. Manche Rampen sind auch schlichtweg zu steil, um diese als Rollstuhlfahrer mit der eigenen Muskelkraft erklimmen zu können.
Für das Tegernseer Tal zieht der Behindertenbeauftragte Anton Grafwallner allerdings ein sehr positives Urteil. In den vergangenen Jahren wurde viel in behindertengerechte Infrastruktur im Tal investiert, und die Ergebnisse sind durchaus positiv: Grafwallner sieht das Tegernseer Tal für Behinderte inzwischen als relativ problemlos an.
Wir haben uns für ein paar Stunden in einen Rollstuhl gesetzt und waren rund um den See unterwegs, um herauszufinden, ob die Fortbewegung im Tal wirklich so problemlos funktioniert. Unser Start ist der Bahnhof Gmund: keine Treppen, keine Bordsteine, keine Hindernisse.
Auf dem Bahnhofsvorplatz wartet der Bus, ausgestattet mit einer Rollstuhlrampe. Laut www.behindertenkompass.de sind bereits 75 Prozent der RVO-Busse behindertengerecht. Mit der Ringlinie fahren wir nach Bad Wiessee.
Rollstuhlgerechte Ausflugsschiffe
In Bad Wiessee steigen wir aus und fahren ein paar Hundert Meter weiter bis zum Uferweg mit dem Duft- und Tastgarten von Louis Braille, der extra in Sitzhöhe angefertigt wurde. Über 70 Pflanzen kann man ertasten und riechen. Die Blindentastkarte in Braille-Schrift ist aber schon etwas vergilbt und sollte demnächst erneuert werden. Ein paar Schilder fehlen vollständig.
Schon jetzt stellt sich heraus, dass Rollstuhlfahren ganz schön an die Kondition geht. Wir haben leider keinen elektrischen Rollstuhl auftreiben können und rollern händisch durchs Tal. Gesegnet seien die Hügel an der Promenade, die abwärts führen. Aber leider geht es ja dann auf der anderen Seite auch wieder hoch. Wir entscheiden uns für den Bus. Zum Glück fährt gerade einer vorbei. Wieder mit einer Rampe ausgestattet.
Wir fahren weiter nach Rottach und wollen die Ausflugsschiffe testen. Der Weg vom Bahnhof zur Anlegestelle ist problemlos. „Alle Schiffe sind rollstuhlgerecht“, erklärt der Kapitän, der gerade das Anlegeseil auswirft. Nur wenn man in einer größeren Gruppe unterwegs ist oder eine Toilette benötigt, sollte man mit den großen Schiffen „Rottach“ und „Tegernsee“ fahren. Auf der „Kreuth“ und der „Gmund“ wird es ab zwei Rollis schon recht eng.
Prominente Problemzonen
Ein anderes Bild dagegen in den Rathäusern. Diese sind zwar ebenerdig befahrbar und damit rollstuhlfahrergerecht. Aber die Sitzungssäle sind nicht ohne weiteres erreichbar. In Tegernsee, Rottach-Egern und Bad Wiessee befinden sich die Räume für die monatlich stattfindenden Gemeinderatssitzungen jeweils im ersten Obergeschoss. Einen Lift gibt es nirgends. Und es sind auch nur „normale“ Treppen vorhanden.
„Technisch ist die nachträgliche Installation kein Problem. Aber die finanzielle Seite stellt eine Herausforderung dar“, so der Wiesseer Bauamtsleiter Helmut Köckeis, der auf die klammen Mittel der Gemeinde anspielt. Dabei ist keine Gemeinde gezwungen, das Problem anzupacken. Denn laut Walter Hübsch, Bauamtsleiter in Rottach-Egern, bestehe nur bei öffentlichen Neubauten die Pflicht, diese komplett barrierefrei zu gestalten. „Bei Altbauten handelt es sich um eine Kann-Regelung.“ Die Inklusion muss manchmal also noch warten.
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