Belohnung als alternative Verkehrssteuerung

Der Verkehr und der Tegernsee. Das ist eines der Themen, die immer parat sind. Die Lösungsansätze, die bisher verfolgt werden, gehen meist in ähnliche Richtungen: bessere Verkehrssteuerung und Ampelschaltungen, Kreisverkehre, die große Lösung der Umgehungsstraße oder gleich die Forderung nach einer Mautgebühr für die “Transitstrecke” nach Österreich.

Dabei zeigen zwei Testprojekte, dass es auch anders geht.

Pendler, die seltener mit dem Auto pendeln, werden belohnt

Die alternativen Wege, die die beiden Vorhaben in Holland gehen, sind ambitioniert, aber nicht unrealistisch: Anstelle einer Maut, die als Strafe für die Straßenbenutzung erhoben wird, versucht man dort, die Verkehrssteuerung mit einem Belohnungssystem in den Griff zu bekommen. Autofahrer bekommen dort also eine Belohnung, wenn sie die Straße nicht nutzen (Spiegel Online):

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Je weniger man also zu den Stoßzeiten fährt, desto mehr bleibt am Monatsende als Belohnung auf der “S-Box” übrig – bis zu hundert Euro können Pendler in den Niederlanden so verdienen. Es ist die Anti-Maut, der Gegenentwurf zur Autobahngebühr, wie sie in vielen anderen europäischen Ländern längst Gang und Gäbe ist und auch schon seit einer Ewigkeit in Deutschland diskutiert wird. Statt für die Nutzung zu bezahlen, gibt es für die Nicht-Nutzung bestimmter Autobahnen in Holland einen Geldbetrag.

In diesem speziellen Fall wird das über eine Art GPS-Box, wie man sie von der deutschen Lkw-Maut kennt, eingesetzt. Wer am Ende des Monats also elektronisch nachweisen kann, dass er die Straße wenig benutzt hat, bekommt eine Gutschrift überwiesen.

Wenn man sich im Marketing umschaut, scheint man dagegen schon länger erkannt zu haben, dass Belohnung besser funktioniert als Strafe. Dort gibt es unzählige Bonussysteme, Cash-Back-Aktionen, Stammkundenrabatte, Treuepunkte oder online auch unzählige nichtmonetäre Belohnungssysteme zur Motivation. Selbst am Tegernsee versucht die Kooperation aus Bräustüberl und BOB, Tagestouristen für den Verzicht aufs eigene Auto zu belohnen: Wer mit der BOB kommt, bekommt ein Bier gratis. Und selbst wenn der Gedanke auch hier in der Neukundengewinnung steckt – es hilft ebenfalls, den Verkehr zu reduzieren.

Bisher sind Regulierungsversuche, nicht nur im Autoverkehr, fast immer auf Strafe ausgerichtet: es werden Strafen verhängt, wenn sich Arbeitslose NICHT bewerben, wenn NICHT rechtzeitig die Steuer überwiesen wird, wenn der neue Wohnort NICHT fristgerecht angemeldet wird.

Abwrackprämie erfolgreicher als alle Strafen

Dabei zeigen gerade in den vergangenen Jahren immer mehr Modelle, dass die meisten Menschen auf Belohnung besser reagieren als auf Strafen: Hätte Facebook beispielsweise nicht den Gefällt-mir-Button, mit dem der eigene Freundeskreis das eigene Handeln belohnen kann, würde dort wohl kaum jemand aktiv und gerne etwas einbringen. Einen demotivierenden und bestrafenden Gefällt-mir-nicht-Button gibt es genau deswegen nicht.

Die Abwrackprämien ist ein anderes Beispiel: Noch nie wurden massenhaft so viele alte Autos entsorgt als mit dem Anreiz, dafür eine ganz direkte Belohnung zu bekommen: Bargeld. Alle Strafmaßnahmen im Vorfeld, höhere Steuern auf umweltschädlichere, weil ältere Fahrzeuge; mit hohen Kosten verbundener Zwang zur Nachrüstung von Katalysatoren und Rußpartikelfiltern; höhere Belastung durch immer teurere Spritpreise – alles hatte nicht den Effekt, den eine Belohnung ausgelöst hatte. Über Sinn und Unsinn dieser einzelnen Aktion sei geteilte Meinung erlaubt. Aber sie hat gezeigt, dass mit Belohnung durchaus viel bewegt werden kann.

Den Verzicht belohnen

Vielleicht liegt darin auch eine Chance für die Lösung der Verkehrsproblematik am Tegernsee: Anstelle von höheren Parkgebühren, Maut oder Ähnlichem könnte man im Gegenzug vermehrt über Konzepte nachdenken, die genau andersherum an die Sache rangehen: Gutscheine, wenn Gäste und Touristen das Auto stehen lassen und mit der BOB kommen. Belohnungssysteme oder echte finanzielle Gutschriften, wenn Einheimische Fahrgemeinschaften bilden, um die Pendelstrecken zur Arbeit zu bewerkstelligen oder komplett auf öffentlichen Verkehr umsteigen. Prämien, wenn Zweit- oder Drittfahrzeuge stillgelegt werden.

Günstigere Tickets bis hin zur vollständigen Kostenbefreiung für den Nahverkehr um den See, wenn nachgewiesen werden kann, dass man das eigene Auto dadurch weniger nutzt als in der Vergangenheit.

Natürlich: Nicht jeder will sich und seine Fahrtwege von einer GPS-Box aufzeichnen lassen. Aber es gibt sicherlich auch andere Möglichkeiten, wenn man etwas darüber nachdenkt. Der Gedanke klingt zumindest logisch: Warum die Nutzung bestrafen, wenn man auch den Verzicht belohnen kann? Strafen rufen meist nur Trotz hervor. Und Trotz hat noch selten langfristig etwas zum Positiven verändert.

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