Am Ende der gestrigen Gemeinderatssitzung wurde Bürgermeister Josef Bierschneider (CSU) ernst. Etwas zögerlich erklärte er, dass es eine nicht so schöne Information gebe. Danach machte er es kurz und schmerzlos: „Ein Tegernseer Großgastronom hat das von ihm erworbene Gebäude in Reitrain dem Landratsamt Miesbach als Asylunterkunft vermietet“. Im Gemeinderat blickte man in verwirrte Gesichter. Bei dem Gastronomen handelt es sich um Bräustüberl-Wirt Peter Hubert.
Insgesamt geht es um drei Wohnungen. Pro Wohnung könnten dort acht Personen leben, sprich insgesamt 24 Asylbewerber untergebracht werden. „Ich war ziemlich angefressen. Ich hab mit dem Herren auch schon ein Streitgespräch geführt“, so der Rathaus-Chef. Der Gastronom komme aber aus dem Vertrag nicht mehr raus.
Was ich ziemlich bitter finde: Jeder Gastronom, jeder Hotelier und jeder Klinikbetreiber jammert uns vor, dass sie keine Mitarbeiterwohnungen finden. Dann hat man Wohnungen und die vermietet man dann ans Landratsamt, um Asylunterkünfte draus zu machen.
Dass die Gemeinde vor vollendete Tatsachen gestellt wurde, ist für Bierschneider ein Unding: „Es ist ärgerlich, dass wir erst im Nachhinein davon erfahren, wenn der Vertrag schon geschlossen ist.“ Der Vertrag sei befristet, aber auf längere Zeit ausgelegt. Im Gemeinderat machte ein Zeitraum von fünf Jahren die Runde.
„Wir müssen die Menschen ordentlich integrieren“
Markus Wrba (FWG) zeigte sich über diese Entwicklung irritiert. Er frage sich, welches Konzept hinter dem Ganzen steht – vor allem im Hinblick auf das Bastenhaus in Tegernsee, das seit Jahren leer steht. Zudem verstehe er nicht, warum das Landratsamt nicht vorher Rücksprache mit Bierschneider gehalten habe. „Es ist ja schon auch die Frage, welche Asylbewerber dort untergebracht werden. Die Gemeinde muss ja in der Lage sein, die Menschen ordentlich zu integrieren.“
Bierschneider vermutet, dass eine Vorabinformation bewusst nicht erfolgt ist, „weil wir es dann wahrscheinlich verhindert hätten.“ Er habe aber nun die Zusicherung vom zuständigen Fachbereichsleiter im Landratsamt, dass die Belegung, also wer in die Wohnungen kommt, mit der Gemeinde abgesprochen wird. „Wenn da jetzt 24 Asylbewerber mit Kindern reinkommen, dann sprengt das unsere Möglichkeiten. Unsere Kindergartenkapazitäten sind ohnehin schon ausgelastet.“
Mehrere Asylunterkünfte in verschiedenen Gemeinden erforderlich
Wie Pressesprecherin des Landratsamts Sophie Stadler bestätigt, laufe die Belegungsplanung aktuell. „Wegen der Corona-Einschränkungen kann aber noch nicht genau festgelegt werden, wann und mit wie vielen Personen eine Belegung erfolgt.“ In Bezug auf das Bastenhaus und dessen Leerstand macht Stadler klar: „Die Belegung des Bastenhauses ist erst nach Abschluss der erforderlichen Umbaumaßnahmen möglich. Diese laufen bekanntlich aktuell.“
Aufgrund der geforderten Kapazitäten zur Quotenerfüllung werde eine Vielzahl an Betten benötigt. „Insofern ist – unabhängig vom Bastenhaus – sowieso die parallele Eröffnung von mehreren Standorten erforderlich.“ Grundsätzlich seien gemäß DV Asyl alle Gemeinden verpflichtet, Kapazitäten für Asylbewerberunterkünfte zur Verfügung zu stellen und somit das Landratsamt bei der Erfüllung dieser staatlichen Aufgabe zu unterstützen. Die Pressesprecherin betont:
Insofern ist es eigentlich positiv zu bewerten, dass private Anbieter die Kapazitäten für den Gemeindebereich bereitstellen und die Gemeindeverwaltungen dadurch entlasten.
Auf der Unterkunftsverwaltung laste ein enormer Druck, zusätzliche Asylunterkünfte zu akquirieren. Aktuell erfülle der Landkreis Miesbach die erforderliche Quote nur zu etwa 70 Prozent. „Die Regierung von Oberbayern forderte die Landkreise, die ihre Quote so deutlich nicht erfüllen, mehrfach und nachdrücklich auf, zeitnah Unterkünfte bereitzustellen. Auch an das Landratsamt Miesbach erging ein klarer Arbeitsauftrag.“
Mitarbeiter seien deshalb mehrfach an die Bürgermeister und Gemeinden herangetreten mit der Bitte um Benennung möglicher Kapazitäten. Das Thema wurde unter anderem auch in einer Bürgermeisterdienstbesprechung im vergangenen Sommer diskutiert. „Leider konnten auf diese Weise kaum Objekte gefunden werden. Parallel erfolgte deshalb unsererseits ein aktiver Aufruf in der Öffentlichkeit, dass Vermieter sich mit potentiellen Objekten an die Unterkunftsverwaltung wenden können.“ In Reitrain wurde man fündig. Der Vertrag mit Hubert läuft bis 31. Mai 2025.
„Offengestanden war das so nicht geplant“
Wie der Merkur berichtet, hat Hubert das Gebäude im März erworben. Aufgrund der Corona-Pandemie musste er kurze Zeit später 140 Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken: „Anfang April war dann schon klar, dass ich weder zusätzliches Personal noch die entsprechenden Personalwohnungen brauche. Das Landratsamt hat mir angeboten, alle Wohnungen zu mieten.“ Zeitgleich habe das Landratsamt die Gemeinde Kreuth gefragt, ob diese ein eventuell bestehendes Vorkaufsrecht wahrnehmen wolle. „Nachdem das nicht der Fall war, haben das Landratsamt und ich einen Mietvertrag aufgesetzt“, so Hubert gegenüber dem Merkur.
Am 1. Juni war der Vertrag unter Dach und Fach. Am 26. Mai habe das Landratsamt bereits Bürgermeister Bierschneider darüber informiert. Der wiederum hätte sich laut Hubert aber erst Anfang Juli bei ihm beschwert. Der Bräustüberl-Wirt hat nach eigener Aussage versucht, den Vertrag mit dem Landratsamt aufzulösen – doch das war nicht mehr möglich. „Das tut mir herzlich leid. Aber auch ich kann es mir nicht leisten, ein Haus einfach leer stehen zu lassen.“
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