Heißes Pflaster

An manchen Stellen der Straßen im Tegernseer Tal sprießt es wild an den Fahrbahnen. Büschelweise suchen sich die Grashalme den Weg durch die Straßen in Richtung Sonne.

Unkraut vergeht nicht (von allein). Doch chemische Vernichtungsmittel sind auf befestigtem Grund per Gesetz für Gemeinden tabu. So müssen Gärtner und Bauhofmitarbeiter dem Kraut händisch zu Leibe rücken.

In der Wilhelminastraße in Bad Wiessee sprießt das Kraut. Der Kurpark dagegen sei "top in Schuss" sagt der zweite Bürgermeister Huber.
In der Wilhelminastraße in Bad Wiessee sprießt das Kraut.

Wer derzeit die Wiesseer Wilhelminastraße am Badepark entlangläuft, dem dürften die grünen Büschel, die am Straßenrand und am Gehweg wuchern, nicht entgangen sein. So sehr die Wiesseer Natürlichkeit schätzen: Grün im Grau asphaltierter Wege und Straßen – gepflegt sieht anders aus, finden manche Bürger. Ein Anruf bei Klaus Schuschke vom Ordnungsamt klärt auf über die Ursache des Unkrauts entlang den Straßen:

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Wenn man durch den Ort fährt, wird jedem auffallen, dass wir des Unkrauts nicht mehr Herr werden!

Seit ein Schreiben der Regierung von Oberbayern erklärte, dass die Unkrautvernichtung mit dem sogenannten “Round-up” nicht mehr erlaubt ist, ist in der Kommune der Wildwuchs ausgebrochen. Der bedenkliche Inhaltsstoff “Glyphosat” hatte den Ausschlag für das Verbot gegeben. Doch das stellt die Gemeinden vor große Herausforderungen. “Wir haben Probleme mit der Entfernung”, gibt Schuschke zu. Denn natürlich sei das Gift wirksamer gewesen als eine händische Entfernung, bei der die Mitarbeiter oft stundenlang auf Knien “durch den Ort rutschen” müssten.

Schuschke versteht die Anweisung von oben im Sinne des Naturschutzes. Der Hintergrund: Über die Leitungssysteme war das Gift, das zur Beseitigung eingesetzt wurde, zum Beispiel auch direkt in den Tegernsee gelangt. “Wenn wir das den Bürgern, die sich beschweren, so beschreiben, zeigen sie sich meist schnell einsichtig.”

“Schlimmer, wenn nichts mehr wachsen würde”

Ähnliches Verständnis hat Vizebürgermeister Robert Huber entwickelt, der es gut findet, dass an manchen Stellen sogar von Hand gezupft wird. Insgesamt funktioniere das Prozedere: Die Kurpromenade sei gepflegt, und die aufwendigen Blumenbeete “top in Schuss”. Der Lindenplatz sehe “fantastisch” aus. Störendes Unkraut sei ihm in der Gemeinde nicht direkt aufgefallen, sagt er.

Dagegen kontert er: “Es wäre doch schlimmer, wenn nichts mehr wachsen würde, weil die Natur zerstört ist”. Bad Wiessee habe außerdem viel mehr Grünfläche zu pflegen als die anderen Gemeinden. Dies gehe wegen Personalengpässen in der Stadtgärtnerei gerade nicht so schnell voran: “Wenn man am einen Ende fertig ist, kann man wieder von vorne anfangen”, sagt Huber.

Die Heißwasser-Methode der Wiesseer und Kreuther

Kein so rechtes Verständnis will bei Geschäftsleiter Michael Herrmann eintreten. Er weiß, welch finanzieller Aufwand es ist, des Unkrauts Herr zu werden, seit das Gift nicht mehr erlaubt ist. Seitdem die Gemeinde kein Unkrautvernichtungsmittel mehr verwenden darf, muss sie neue Wege gehen: Jetzt bekämpfe man das Unkraut thermisch.

Dazu rücke drei bis vier Mal im Jahr eine Spezialfirma an, um die Pflanzen mit heißem Wasser zu übergießen und damit abzutöten. Der Nachteil: Die thermische Methode ist nicht so wirksam wie die chemische. Vor allem koste sie zehntausende Euro mehr. Wieviel genau, möchte er nicht verraten. Natürlich sorgt sich auch Herrmann um die Umwelt, gibt aber eins zu bedenken:

Gift ist nie gut, aber auf die Folgeschäden schaut niemand!

Abgesehen davon, dass sich das Unkraut von Jahr zu Jahr weiter vermehre, wenn es nicht vollständig eliminiert werde und das nicht gut ausschaue, sei zusätzlich damit zu rechnen, dass der Teer Risse bekomme und durch die Macht der Wurzeln sogar Gehsteige angehoben werden könnten.

Feuer und Flamme versus Handarbeit

Auch im Kreuther Gemeindegebiet wird es demnächst zwischen den Platten der Gehsteige grün hervor blitzen. Das liegt daran, dass die Gemeinde in diesem Jahr die Vernichtung ruhen lässt. Auch hier hat es man im vergangenen Jahr mit heißem Wasser versucht: “Das ist ein relativ teures Verfahren”, weiß Bürgermeister Josef Bierschneider. Dafür hatte die Gemeinde im vergangenen Jahr ebenfalls eine Fachfirma beauftragt. Aufgrund der “schwierigen Haushaltssituation” setze man in diesem Jahr aus. Vielleicht werde man die Unkrautbekämpfung im nächsten Jahr wieder angehen, sagt er.

Dann möglicherweise auch mit Feuer, wie es in Gmund geschieht: “Unser Hausmeister hat dafür eine Gaskartusche, mit der die Pflanzen verbrannt werden”, verrät Geschäftsleiter Alfons Besel. Das Unkraut werde dadurch bis in die Wurzeln geschädigt. “Dann ist erstmal für eine Weile Ruhe”, sagt er.

Die Hauptstraße in Rottach-Egern ist gut in Schuss.
Die Hauptstraße in Rottach-Egern ist gut in Schuss.

Auch in Rottach-Egern setzt man aufs Handwerk. Die Bauhofmitarbeiter reißen das Gewächs hauptsächlich mit bloßer Hand aus dem Boden, weiß Bürgermeister Christian Köck: “Da gibt es welche, die sich stundenlang hinknien und das rausrupfen.” Insgesamt eine vorbildliche Arbeitsweise, so Köck.

Wirklich zufriedenstellend scheinen die Alternativlösungen zur chemischen Bekämpfung nicht für jeden zu sein. Zwar tue jeder Winter seinen Teil, dass das Unkraut dann zumindest erstmal nicht mehr sichtbar ist. Doch das nächste Frühjahr bringt oft eine Verschlimmerung. Nicht nur Michael Herrmann ist gespannt, wie es weitergeht mit den Vernichtungsmethoden: “Solange es keine Alternativen zu Round-up gibt, sind wir auf diese Version beschränkt!”

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