Blaumachen leichtgemacht?

Heute ist der erste Schultag nach den Herbstferien. Doch einige Schulbänke bleiben leer. Anstatt sich auf die Holzstühle zu zwängen, liegen viele Schüler noch gemütlich bei 30 Grad in der Hängematte.

Gerade in der Zeit um die Ferien trudeln zahlreiche Befreiungen ein. Die Schulleiter kennen das Problem – und nehmen die Eltern in die Pflicht.

In den Klassenzimmern rund um das Tal blieben auch heute ein paar Plätze leer
In den Klassenzimmern rund um das Tal blieben auch heute ein paar Plätze leer.

Herr und Frau Müller, beide berufstätig, haben ihren Familienurlaub für die Herbstferien festgesetzt. Doch die Reise in die Karibik ist teuer. Um Kosten zu sparen, wollen sie mit Tochter und Sohn ein paar Tage später heimfliegen. Die Müllers denken sich eine fixe Ausrede aus: Der 80. Geburtstag des Opas. Die Kinder bekommen kurzerhand eine Bescheinigung – ihre Schulplätze bleiben heute leer. Eine Situation, die nicht unüblich ist in deutschen Schulen.

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Gerade in der Zeit um die Ferien trudeln zahlreiche Befreiungen der Eltern ein. Und das in einer Zeit, wo das Gymnasium Tegernsee ohnehin mit schwindenden Schülerzahlen zu kämpfen hat. Christian Stadler, Vorsitzender des Elternbeirats am Gymnasium Tegernsee, kennt das „Laissez-faire“-Phänomen aus eigenen Bekanntenkreisen. Für so ein Verhalten hat er jedoch kein Verständnis. Aus seiner Sicht sei es in diesem Fall natürlich die Schuld der Erziehungsberechtigten, wenn der Schulpflicht nicht nachgegangen wird.

Zwischen strikten Regeln und heiklen Schlupflöchern

Denn die Schulpflicht ist ein hohes Gut. Ein Verstoß gilt in Deutschland als Ordnungswidrigkeit. Eltern, die ihre Kinder ohne Bescheinigung der Schule vom Unterricht befreien, werden mit Bußgeld bestraft. Ist der Schüler aus eigener Verantwortung fern geblieben und im angemessenen Alter, drohen ernste Konsequenzen. Trotzdem fehlen Schüler an den Tagen vor Beginn der Ferien oder am ersten Schultag nach der freien Zeit.

Wer eigene Kinder hat, weiß: Als Erziehungsberechtigter ist man befugt, sein Kind für zwei Tage vom Unterricht zu befreien. Erst ab dem dritten Tag ist ein Attest vorzuweisen. Die Gmunder Grundschuldirektorin Gudrun Klotzsche bestätigt: „Wenn ein Kind krank gemeldet ist, dann muss ich mich darauf verlassen.“

Erst wenn die Schüler auffällig häufig die Zwei-Tages-Frist in Anspruch nehmen, gehen die Schulen der Sache auf den Grund. Somit kann es durchaus sein, dass der Schüler nicht krank im Bett, sondern bei 30 Grad in der Sonne liegt. Ebenso wenig lässt sich nachweisen, ob das Kind tatsächlich zu der Hochzeit des entfernten Onkels geht, oder lediglich die günstige Chance für den freien Tag nutzt.

Wir können nicht so tun, als gäbe es das nicht.

Das muss auch Dr. Werner Oberholzner bestätigen. Schließlich könne er nicht „detektivisch nachprüfen“, inwiefern die Anträge der Wahrheit entsprächen. Gleichzeitig stellt der Direktor des Tegernseer Gymnasiums klar, dass es durchaus schon Fälle gegeben habe, bei denen er seine Zustimmung verweigert habe: „Für einen verlängerten Urlaub bekommt man von mir keine Befreiung.“

Als triftige Gründe für ein Wegbleiben vom Unterricht gelten Sprachkurse, ebenso wie wichtige familiäre Angelegenheiten, Beerdigungen oder Geburtstage von Verwandten, die weit weg wohnen. Solche Anlässe lasse sich Oberholzner nach eigener Aussage jedoch zunächst offiziell bescheinigen. Bei Geburtstagen lasse er sich die Personalausweise der Verwandten vorlegen.

Ähnlich ist es an der Realschule und der Grundschule in Gmund. Laut Grundschuldirektorin Gudrun Klotzsche genehmige man den Schülern nur in den seltensten Fällen das Fernbleiben.

Fehlendes Problembewusstsein

Jan-Alexander Liedtke, der Sprecher des Kultusministeriums bestätigt, dass es hier am Problembewusstsein der Eltern hapere. Schließlich habe die Schule keinen Grund, an einer guten Begründung zu zweifeln. Gleichzeitig sei es falsch, die Eltern zu maßregeln. Für ihn liegt die Lösung im Dialog. Man müsse den Eltern deutlich machen, dass es sich nicht um ein Kavaliersdelikt handle. Aus seiner Sicht sind dafür insbesondere die Schulen verantwortlich.

So leer ist der Tegernseer Schulhof nur selten
So leer ist der Tegernseer Schulhof nur selten.

Laut Dr. Oberholzner weise man vermehrt, beispielsweise in Elternbriefen, auf die Thematik hin. In dem Fall, dass fernbleibende Schüler ohne jegliche Bescheinigung erwischt werden, droht ihnen ein Verweis. So einen Fall gab es am Gymnasium bisher jedoch nicht. Ebenso scheint das Problem im Moment nicht akut vorzuliegen. „An unserem Gymnasium sind solche Vorfälle nicht so häufig“, meint Oberholzner. Die Zahl der Entschuldigungen vor und nach den Ferien liege im einstelligen Bereich.

An der Gmunder Realschule herrscht eine ähnliche Situation. Am letzten Tag vor den Herbstferien waren sogar weniger Schüler krank gemeldet, als an den anderen Tagen der Woche, weiß Tobias Schreiner, der stellvertretende Direktor. Die beiden Schulleiter haben also wenig Grund zu klagen. Zumindest am Tegernseer Gymnasium und der Gmunder Realschule sollten die Bänke demnach am heutigen ersten Schultag gut gefüllt gewesen sein.

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