Einige große Projekte stehen an in den nächsten Jahren. Mit dem Jodbad-Areal, dem alten Spielbankgelände und dem Hotel Lederer steht nicht nur Bad Wiessee vor großen Veränderungen. In Tegernsee dürfte bald Neues auf dem Krankenhausgelände entstehen und die Grundstücke der Tegernsee-Bahn werden unter anderem von Gmund nach internen Masterplänen entwickelt.
Wir wagen den Blick auf andere Nutzungsmöglichkeiten der Flächen – ohne Wirtschaftlichkeitsanalyse oder Profitmaximierung. Eine Utopie?
Sobald neue Flächen erschlossen oder alte Flächen frei werden geht das gewohnte Gerangel los: Konzepte werden erdacht und die Wirtschaftlichkeit der Nutzungsvorschläge geprüft. Es geht um Millionensummen, Investorengespräche und die Frage, ob Hotels oder Wohnungen oder Freizeiteinrichtungen mehr Gewinn und dadurch mehr Sicherheit versprechen.
Diese Sichtweise erscheint mehr als logisch – muss doch die gewinnbringende Bewirtschaftung der Flächen über Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte gesichert sein. Gedanklich passiert das zum Wohle der Allgememeinheit.
Eine Nutzung durch die Allgemeinheit?
Das ist der gewohnte und längst akzeptierte Denkansatz, der Projektplanungen zugrunde liegt. Und doch gibt es auch einen anderen Ansatzpunkt, der in den aktuellen Diskussionen meist nicht auftaucht: denn die Flächen, über die verhandelt wird, gehören den Gemeinden und damit der Allgemeinheit. Die eigenverantwortliche Nutzung durch die Allgemeinheit spielt dagegen in den Konzepten kaum eine Rolle.
Dass es auch anders geht, zeigen einige Initiativen, die weltweit den Gedanken der Commons oder auch Gemeingüter vertreten (kostenloser Buchtipp: “Commons – für eine neue Politik jenseits von Markt und Staat” Download als PDF).
Unter Commons versteht man Güter, die ohne Zugangsbeschränkung oder zumindest ohne finanzielle Barrieren von jedem genutzt werden können. Beispiele dafür sind Wälder und öffentliche Parkanlagen aber auch neu entstandene Gemeingüter wie Wikipedia
Die Idee dahinter: Wenn Gemeinschaften auch gemeinschaftliche Güter haben, wird sich daraus Neues entwickeln. So sind beispielsweise schon Kinderbetreuungsstätten entstanden, indem “nur” ein kindgerechter Raum in Gemeinden zur Verfügung gestellt wurde.
Die Weiterentwicklung und Organisation blieb dagegen den Familien vor Ort überlassen. Wer wollte, konnte den Raum nutzen, entweder um eine gemeinschaftliche Kinderbetreuung aufzubauen oder sich einfach mit anderen Familien dort zu treffen. Ähnliches gibt es auch mit frei zugänglichen Veranstaltungsräumen für Konzerte oder auch als gemeinschaftlich betriebene Kneipe, zum abendlichen Austausch.
Selbstorganisierte Veranstaltungsflächen und Kitas
Ein anderes Beispiel ist ein Stadtstrand über den wir schon vor einiger Zeit berichtet haben. Jedes Jahr im Frühjahr wird in Vaihingen der Marktplatz den Bürgern übergeben.
Seit einigen Jahren wird der Platz dazu noch mit Sand gefüllt und dient die Sommermonate über als Ort der Begegnung, als Platz für Konzerte, Lesungen oder als Sandkasten für Kinder und Kindergärten. Die Volkshochschule verlegt bei gutem Wetter den Unterricht auf den Marktplatz und Bewohner feiern dort Geburtstag.
Das eigentlich Ungewohnte ist die Selbstverantwortung, die dadurch eingefordert wird. Es gibt keine Institution, die sich um den Erhalt des “Gemeingutes” kümmert. Es gibt keinen durch die Stadt organisierten Reinigungsdienst oder einen privaten Betreiber, der nach dem Rechten sieht und Getränke verkauft. Man erwartet, dass die Bürger, die das Gemeingut nutzen auch für dessen Erhalt und die weitere Entwicklung von Angeboten sorgen.
Chaos oder die Chance auf ein dauerhaftes Dorffest?
Zugegeben, das klingt auf den ersten Blick nach vorprogrammiertem Chaos. Und doch passiert meist das Gegenteil: Sehr schnell bilden sich selbstorganisierte Gruppen, die ein ganz ureigenes Interesse daran haben, dass die öffentlichen Orte lebenswert werden und es auch bleiben.
Denkbar wären solche Orte auch am Tegernsee. Die Veränderungen der nächsten Jahre bieten zumindest viele Chancen, auch solche Gedanken in die Planungsvorhaben und Konzepte mit einfließen zu lassen. Nicht zuletzt war das größte Ereignis des vergangenen Jahres wohl für viele das Wiesseer Dorffest 2012 – entstanden auf eigene Initiative einer Gruppe sehr engagierter Bürger.
Möglich geworden, durch den bis dahin ungenutzten Platz der ehemaligen Spielbank. Essen und Trinken wurde durch die Vereine vor Ort organisiert. Und alles hat funktioniert. Sogar ziemlich gut.
Der Denkansatz ist einen zweiten Blick wert
Warum also nicht ausprobieren, ob man die Energie, die damals entstanden ist, nicht auch dauerhaft aufrechterhalten kann. Eine kleine Veranstaltungsfläche auf dem Gelände des Jodbad-Areals vielleicht? Oder ein öffentlicher Raum für Konzerte und Abendveranstaltungen in den bald frei werdenden Gebäuden der Wiesseer Realschule? Die Chance liegt auch darin, dass jeder aus den fünf Talgemeinden relativ schnell an jeden Ort kommen kann. Das Ergebnis könnten beispielsweise kulturelle Angebote sein, die aus dem Tal und für das Tal auf die Beine gestellt werden.
Ob sowas funktionieren kann oder überhaupt angenommen wird? Kritische Stimmen gibt es bestimmt zur Genüge- man schaue nur auf den Müll in der Schwaighofanlage. Dabei haben andere Gemeinden bereits bewiesen, dass durch konsequente Eigenverantwortung auch viel Neues entstehen kann, das sehr wohl funktioniert.
Vielleicht nicht sofort komplett reibungslos. Nur wenn man es nicht ausprobiert, wird man es auch nie erfahren.
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