Bremsklotz sind fehlende Ladestationen

Um vom Dieselskandal abzulenken, setzen Autoindustrie und Bundesregierung nun verstärkt auf die E-Mobilität. Doch mit der Infrastruktur hapert es noch gewaltig – auch im Tegernseer Tal. Die Gemeinde Rottach will handeln.

Neben der Stromtankstelle auf dem Parkplatz gegenüber des Seeforums soll nun eine zweite in Rottach installiert werden.

Auch in Rottach-Egern steigt die Nachfrage nach Strom aus der Ladesäule. Laut Florian Appel vom E-Werk Tegernsee ist der Verbrauch an der Zapfsäule auf dem Parkplatz gegenüber dem Seeforum von einmal 2.000 inzwischen auf 6.000 kWh gestiegen. Bislang würde das E-Werk diesen Strom verschenken, dies könne aber nicht so bleiben.

Er schlug dem Rottacher Gemeinderat vor, dort eine Ladesäule mit dem neuesten Stand der Technik anzubringen. Mit dieser könnte auch ein neues Abrechnungssystem eingeführt werden, damit ein solcher Parkplatz zudem auch nicht beliebig lang blockiert werde, „selbst wenn der Ladevorgang schon längst abgeschlossen ist“. Damit die Abrechnungen vereinheitlicht werden, sei man dabei, mit anderen E-Werken auch außerhalb des Landkreises eine „gemeinsame Gesellschaft“ zu gründen.

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Mit einer „interaktiven“ Tegernsee-Ladekarte könnte dann auch jenseits des Tals Strom gezapft werden. Die Vision sei, mit einer solchen Karte oder einer App auch freie Ladekapazitäten zu finden. Das Pilotprojekt dafür sei eine neue Ladesäule am E-Werk an der Hochfeldstraße. „Außerdem wurde ein BMW i3 angeschafft, der später über Car-Sharing auch anderen Talgemeinden zur Verfügung gestellt wird“.

Zweite Säule für Rottach

Für eine zweite Säule in Rottach würde sich der Zentralparkplatz am Drogeriemarkt Müller eignen. Der Zeitpunkt wäre jetzt günstig, da die Bundesregierung ein zweites Förderprogramm auf die Schiene gebracht habe. Von den zirka 12.000 Euro Investitionskosten für eine zusätzliche Säule würden 40 Prozent gefördert werden.

Für beide Säulen, einschließlich der am Seeforum, die nur „ertüchtigt“ werden müsste, würden zunächst Gesamtkosten von ca. 20.000 Euro entstehen. Mit der staatlichen Finanzspritze würden dann noch etwa 12.000 Euro an der Gemeinde hängenbleiben. Entscheidend sei auch die Nähe zu einer Trafostation. „Je näher, umso günstiger“, so Appel.

Warum soll Rottach die Kosten tragen?

Provozierend stellte Vize-Bürgermeister Josef Lang (CSU) die Frage, warum eigentlich die Gemeinde die Infrastruktur für die E-Mobilität aus Steuergeldern finanzieren soll, wenn „das E-Werk später damit das Geschäft macht“. Es genüge doch, wenn Rottach nur den Platz dafür zur Verfügung stelle.

Wir betreiben ja auch keine Tankstelle.

Schließlich könnten auch Reparaturkosten für eine solche Säule anfallen. „Wer zahlt dann?“, so Lang. Appel gab zu bedenken, dass der Stromverbrauch an den Säulen noch nicht die Kosten decken würde. „Die Investitionskosten werden auch in ein paar Jahren noch nicht gedeckt sein“. Deswegen gebe es jetzt die Förderung für eine Kommune.

Im öffentlichen Bereich gehe es jetzt darum, mit gutem Beispiel voranzugehen. Schließlich habe auch die Bundesregierung sich dies auf die „Fahne geschrieben“, so Appel. Bürgermeister Christian Köck (CSU) sieht dies als Beitrag zur Energiewende. „Wir sollten unsere Gemeinde zukunftsfähig halten“. Zudem sei man ein Urlaubsort. Dem müsse man mit Alternativen Rechnung tragen.

E-Mobilität noch nicht zu Ende gedacht

Skeptisch zeigte sich Josef Kaiser (CSU): „Wenn beispielsweise 30 Prozent der Bevölkerung mit einem E-Fahrzeug unterwegs sind, wo soll der Strom herkommen, wie realistisch ist es, dass es dann funktioniert?“. Das Stromnetz dürfte dann wohl „ausgereizt“ sein. Die Ladestationen würden doch für „die große Masse gar nicht funktionieren“.

In die gleiche Kerbe schlug Andreas Erlacher (FWG). Symbolisch wolle er solche Ladestationen, „doch warum sollen wir das tun?“ Für ihn sei dies eine privatwirtschaftliche Frage. Appel setzte auf „entsprechenden Zubau“ und auf die Eigeninitiative der Talbewohner, mit der „Eigenerzeugung von Strom“ für die Batterien. Denn die Aufladung an „Schnelllade-Zapfsäulen“ würde noch „drei bis vier Stunden dauern“. Kaum jemand bleibe so lange an einer Raststätte oder einem Parkplatz, stellte Appel ernüchternd fest. „Das Laden muss zuhause passieren“.

Wer macht den ersten Schritt?

Doch auch hier gebe es Engpässe, beispielsweise in der Klosterwachtstraße in Tegernsee. „Dort wollten die Eigentümer alle eine Lademöglichkeit in der Tiefgarage mit 22kWh. Da waren wir dann bei Kosten für den Netzanschluss von 120.000 Euro“. Bereits bei der Planung von größeren Objekten sollte künftig an Ladestationen gedacht werden, so Appells Apell. Doch 100 Anschlüsse in einer Tiefgarage würden „jedes Maß und Ziel sprengen“.

„Alle Talbürgermeister“, so Köck, „haben schon seit längerem die Idee, ein einheimisches Ladenetz mit dem E-Werk als verlässlichen Partner aufzubauen“. Eine Ladestation in Rottach sei ihm zu wenig, deshalb plädiere er für eine zweite am Zentralparkplatz. Denn dort müsste ohnehin die Beleuchtung mit LED-Lampen nachgerüstet werden, „da wir dort schwach auf der Brust sind“. Irgendjemand müsse mit diesen Zapfsäulen den ersten Schritt machen, so Köck, „sonst wird das nie etwas“. Eine Mehrheit im Gemeinderat von 9:5 Stimmen sah es ähnlich und brachte Appels Konzept auf den Weg.

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