Corona: Mehr positive Tests – weniger Kranke

Aktuell steigt die Zahl der positiven Corona-Testergebnisse. Ein Rottacher Arzt meint, diese Entwicklung sei schwer einzuordnen. Zwar gibt es mehr positive Fälle – aber trotzdem weniger Kranke. Wie kann man die Zahlen interpretieren?

Die Zahlen des Landratsamtes Miesbach zu den aktuellen Corona-Fällen im Landkreis. Unten rechts: Ärzte des medicum.tegernsees mit Dr. med. Christian Sack (links) / Quelle: Archivbild

„Wir erleben derzeit eine zweite „Welle“, von der wir gar nicht wissen, ob es wirklich eine “Welle“ ist!“. So denkt Dr. med. Christian Sack, Facharzt beim Ärztezentrums an der Weissach. Es gibt mehr positive Testergebnisse, mehr schwer verlaufende COVID-Erkrankungen allerdings nicht.

Der bayerische Wunsch nach „Testen, Testen, Testen“

Nach einer „vorübergehenden Flaute“ melden sich aktuell wieder mehr Personen im Landkreis Miesbach zu einem Corona-Test. So sind es beim Ärztezentrum an der Weissach etwa 20 Personen am Tag. „Bislang handelte es sich dabei überwiegend um symptomlose Personen, die dem bayerischen Wunsch nach „Testen, Testen, Testen“ nachkamen“, so erklärt Sack.

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Momentan läuft dieses „Testen, Testen, Testen“ im Landkreis Miesbach so ab: Jeder, der einen Coronatest machen möchte oder muss, meldet sich telefonisch bei seinem Hausarzt. Der Hausarzt vereinbart dann am Telefon einen Termin. „Kann der eigene Hausarzt den Abstrich nicht durchführen, weiß er Bescheid, welcher Kollege den Test machen kann“, erklärt Sophie-Marie Stadler, Pressesprecherin des Landratsamtes Miesbach.

Bei größerem Ausbruchsgeschehen kommt das Gesundheitsamt ins Spiel. Das streicht enge Kontaktpersonen ab, wenn beispielsweise ein Mitarbeitender einer Pflegeeinrichtung positiv getestet wurde, und mindestens alle direkten Kollegen und die Bewohner der Station abgestrichen werden müssen. „Weil zuletzt sehr viele dieser Reihentests gemacht werden mussten, hat das Gesundheitsamt zum Teil Unterstützung von einzelnen Hausarztpraxen bekommen“, fügt Stadler dem hinzu. So werden Hausärzte in die Teststrategie im Landkreis Miesbach miteinbezogen. „Bislang ließ sich das Ganze bei uns von unserem Hausarztteam und deren Helferinnen reibungslos durchführen”, sagt Sack. Aktuell arbeitet das Landratsamt an der Umsetzung eines zusätzlichen Testzentrums in Form eines Drive-Trough.

Positive Testergebnisse – Wie soll man sie einordnen?

„Die Teststrategie macht insofern Sinn, als wir hierdurch etwas mehr erfahren über die Verbreitung des Virus“, meint Sack. Richtig aufschlussreich sei das Ganze aber nur, wenn die Ergebnisse wissenschaftlich begleitet werden. Das heißt, wenn die Frage nach tatsächlicher Erkrankung und Infektiosität der „Positiven“ gestellt wird. Er findet, die aktuelle Entwicklung sei schwer einzuschätzen:

Die Vervielfachung der Tests bringt zweifellos ein Mehr an „positiven“ Befunden hervor, aber wir wissen derzeit nicht, wie wir das einordnen sollen: Mehr schwer verlaufende COVID-Erkrankungen oder gar eine Zunahme an Todesfällen lassen sich derzeit nicht registrieren.

Anders als im März werden nicht mehr ausschließlich Patienten mit COVID-Symptomen getestet, man solle die Zahlen daher mit großer Vorsicht interpretieren. “Fanden sich im März unter den positiv getesteten überwiegend Kranke, haben wir es nunmehr mit zahlreichen Gesunden zu tun”, berichtet Sack.

Letalität nicht gesichert

Ein positiver Test weise keineswegs eine tatsächliche Infektion oder Infektiosität nach. „Das Ganze wird nun zusätzlich dadurch noch schwieriger, dass ein „negativer“ Testbefund eine COVID-Erkrankung nicht mit Sicherheit ausschließt“. Allein die Rate an Todesfällen der Infektion sei nicht gesichert, verdeutlicht er:

Schätzte das Robert-Koch-Institut diese anfänglich auf 5%, das heißt fünf Todesfälle auf 100 Krankheitsfälle, wissen wir heute, dass diese deutlich unter 1% liegt. Die Ergebnisse der sogenannten Heinsberg-Studie legen eine Letalität von 0,35% nahe, andere namhafte Wissenschaftler sprechen nunmehr von ca. 0,1%, also ein Todesfall auf 1000 Erkrankungsfälle.

Daher sehe man sich derzeit mit einer Erkrankung konfrontiert, die schwer einzuschätzen ist. Vorsicht sei weiter angebracht, „aber Weltuntergangsszenarien dürfen wir getrost als obsolet betrachten“, versichert Sack abschließend.

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