Viele Themen standen am Donnerstagabend bei der Wiesseer Bürgerversammlung auf der Tagesordnung. Sie reichten vom SME-Mega-Hotelprojekt, der künftigen Nutzung des Areals Hotel Ritter, dem geplanten Teilabriss des Hotels Lederer bereits im November oder dem Anstieg der Übernachtungszahlen um 15 Prozent auf 665.000. Doch die meiste Zeit seiner Rede widmete Wiessees Bürgermeister Peter Höß dem geplanten Hackschnitzelwerk am Badepark. Wohl nicht ohne Grund.
Ziel für den Gemeinderat bei der Standortwahl sei gewesen, einen Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele zu leisten. Bei der monatelangen Diskussion darüber aber werde vergessen, dass Holz aus dem Wald „gespeicherte Sonnenenergie ist“. Um dieses Projekt rechtssicher auf die Beine stellen zu können, da man sich „nicht hemdsärmelig“ daran machen könne, sei „eine europaweite Ausschreibung unerlässlich“, so Höß.
Damit die Planungen und die ganzen Millionen nicht in Schall und Rauch aufgehen.
Diese Ausschreibung sei „leider zeitaufwändig und teuer aber notwendig“. Dabei handelte sich um ein zweistufiges Auswahlverfahren. „Fünf Firmen haben die erste Stufe bestanden und werden gerade anhand objektiver Kriterien für die zweite Stufe der Ausschreibung überprüft“, so Höß weiter. Richtig sei, „dass bereits 65.000 Euro an Projektierungs- und Beratungskosten entstanden sind“. Doch realisiert werden könne das Millionenprojekt nur, wenn sich die Familie Strüngmann mit ihrem geplanten Hotel auf dem Lederer- und einstigen Spielbankareal an das Nahwärmenetz anschließe.
Sonst sei das Ganze nach Auskunft „möglicher Betreiber wirtschaftlich nicht darstellbar“. Aber die „Gemeinde könne nicht warten“, bis man darüber Gewissheit habe. „Anders geht es in so einem Fall nicht“, machte Höß deutlich. Aber er sei hier recht zuversichtlich, denn als die ersten Planungen stattfanden, „lag der Rohölpreis bei etwa 40 US-Dollar pro Barrel, inzwischen hat er sich verdoppelt“. Auch die Gaspreise würden sich entsprechend entwickeln. Er sei optimistisch, dass „CO2-neutrale Nahwärme aus heimischem Holz sich bald rechnen wird.“
Die Energiewende sei nicht nur ein politisches Ziel aller Parteien. „Es liegt in unserer Verantwortung, unseren Kindern und Enkeln eine lebenswerte Umwelt zu hinterlassen“. Wie dramatisch die Klimaveränderung sei, könne man fast täglich den Medien entnehmen. Wenngleich man in Wiessee den Wandel nicht aufhalten könne. „Aber wenn jeder sagt, der andere muss es machen, dann passiert nichts“.
Höß verstehe Kritik und Bedenken der Interessensgemeinschaft aus der Nachbarschaft des Badeparks. „Doch wenn es gebaut wird, muss es auch irgendwo stehen“. Die Gemeinde hat sich für diesen Standort des Kraftwerks entschieden, weil er sich von fünf möglichen Standorten in vielen Punkten als der geeignetste erwiesen hat. „Es kommt dort modernste Technik zum Einsatz. Außer Wasserdampf wird nichts aus den Kaminen entweichen“, versicherte Höß. Leider hätten viele Wiesseer das Heizwerk in Achenkirch auf der Tiroler Seite präsent.
Doch gebe es inzwischen wesentlich modernere, auch hier im Landkreis, „die man schon suchen muss“. So unauffällig seien solche Hackschnitzelwerke inzwischen. Auch in Wiessee würde man dann, „so gut wie nix sehen“. Nicht vermieden könne die Anlieferung von Hackschnitzeln „alle paar Tage“. Dies sei zwar „eine gewisse Belastung“, doch täglich würden auch etliche Busse durch das Kurviertel fahren. „Daher dürfte die Emission nicht so dramatisch sein“. Es würde auch eine Reihe von Bürgern geben, die die Umsetzung des Heizwerks „gar nicht erwarten können“.
„Warum wird das Projekt weiterbetrieben?“
Zumindest für Hans-Gerd Lau, seit sieben Jahren mit Erstwohnsitz in Bad Wiesse, und den Gmunder Ludwig Stoib, der allerdings im Kurort ein Fachgeschäft betreibt, traf das nicht zu. Für Lau war es unverständlich, ein Projekt mit bisherigen Kosten von über 65.000 Euro voranzutreiben, obwohl die Verwirklichung noch nicht gesichert sei. Schließlich müsse die EU-weite Ausschreibung einen „Wert von 30 Millionen Euro übersteigen“. Für ihn stelle sich die Frage, wie viel davon auf Gemeinde und Investoren entfallen würden.
Warum wurde das Projekt entgegen der Vereinbarung mit der Interessengemeinschaft weiterbetrieben?
Höß darauf: „Auch wenn es von Strüngmanns Athos GmbH noch keine Zusage gibt, können wir nicht warten, bis alle an Bord sind“. Bei vielen Dingen sei es eben so, „dass man vorbereitet sein muss. Wenn man nicht handelt, geht die Welt zu Grunde“. Nicht jede Investition zahle sich laut Höß auch aus. Bestes Beispiel dafür sei der Badepark, bei dem man jährlich über 800.000 Euro draufzahle. „Dennoch wird er nicht zugesperrt“.
Alles hängt an Strüngmanns Entscheidung
Mit dem Begriff, das Heizkraftwerk sei „die Rettung für die Welt“, konnte Stoib „nichts anfangen“. Das ganze Projekt, so zeigen es zumindest die Zahlen der Gemeinde, sei „unwirtschaftlich“. Aus dem ihm vorliegenden Gutachten gehe eindeutig hervor, dass das Hackschnitzelwerk auch „keinesfalls ökologisch ist“, heizte Stoib das Thema an. Von der „Luftnummer“ kam er annähernd eine viertel Stunde nicht mehr runter. An die vertretenen Gemeinderäte gipfelte Stoibs Vorwurf: „Kennt ihr das Gutachten nicht?!“.
Man müsse auch irgendwann mal einen Schnitt machen, kam als Antwort zurück. Laut Höß sei das Gutachten der Staatsregierung gedacht, um den Gemeinde eine Handreichung zur Energiewende zu geben. Der Standort des Heizwerks neben dem Badepark sei durch „Ingenieure erarbeitet und das Gutachten für Wiessee gefördert worden“. Der Auswahlprozess hierzu sei transparent verlaufen, „die Wahl des Standortes wurde fachlich abgewogen und bestens begründet“, versuchte Höß die Diskussion abzukürzen.
Stoib war dagegen nur schwer zu beruhigen. Überzeugt hätte ihn die Diskussion nicht. Sie wird ohnehin neu entfachen, wenn die Entscheidung von Strüngmanns Athos GmbH fällt, mit welcher Energie der Hotelneubau versorgt werden soll. Spätestens dann werden die Würfel für oder gegen das Heizkraftwerk fallen.
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