Das Ass im Anwaltskoffer: ein Attest

Eine Verwechslung brachte einem Jugendlichen am Holzkirchner Frühlingsfest im vergangenen Jahr zwei Faustschläge ins Gesicht sowie mehrere Fußtritte ein. Wegen gefährlicher Körperverletzung stand sein Peiniger heute vor Gericht. Während er der Verhandlung schweigend folgte, stritten sich Verteidiger und Richter.

Wegen schwerer vorsätzlicher Körperverletzung stand ein 21-jähriger Tegernseer gestern vor dem Miesbacher Amtsgericht. Sechs Zeugen waren geladen. Im Mai vergangenen Jahres soll der Angeklagte brutal auf zwei andere Jungs eingeschlagen haben. Diese waren zur Tatzeit gerade auf dem Heimweg vom Holzkirchner Frühlingsfest, als ihnen der Angeklagte in einer Gruppe Jugendlicher entgegenkam.

Als die zwei ihn versehentlich mit „Hey Michi“ (Name von der Red. geändert) ansprechen, rastet dieser aus und schlägt mit der rechten Faust auf einen der beiden ein. Der erste Schlag trifft die Nase, der zweite Hieb die Schläfe des Opfers. Die Folge: ein Schädelhirntrauma und eine Nasenbeinfraktur. Die Nase muss anschließend operativ behandelt werden.

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Erhöhter Hirndruck durch Tritte und Schläge

Der andere wird mit dem Hals an einen spitzen Zaunpfosten gedrängt, zu Boden gedrückt und festgehalten. Eine zweite Person tritt ihm ins Gesicht. Eine Zeugin bestätigt die Tat: Mit Füßen hätten die beiden Jungs auf seinen Kopf eingetreten. Mindestens drei- bis viermal.

Seine linke Gesichtshälfte sei am darauffolgenden Tag angeschwollen gewesen, sagt der Geschädigte vor Gericht aus. Außerdem hätte er Abdrücke am Hals gehabt. Ein Holzkirchner Polizist schildert, die beiden Geschädigten hätten laut Polizeibericht „erhebliche Verletzungen“ und einen „erhöhten Hirndruck“ durch Tritte und Schläge erlitten.

Anwalt gibt nicht auf

Der Anwalt des Angeklagten wirft ein: „Der Grund für die Eskalation ist ja ziemlich nichtig gewesen: Nur weil jemand „Hey Michi“ ruft, kommt es zu so einer Geschichte?“, will er von einem dem Geschädigten wissen. „Ich fänd’s auch schöner, wenn es anders gewesen wäre“, bekommt er zur Antwort. Der Holzkirchner Anwalt lässt nicht locker und stellt den Zeugen immer wieder die gleiche Frage.

Er will wissen, wieviel Alkohol sie denn getrunken hätten. Richter Klaus-Jürgen Schmid antwortet in einem etwas unwirschen Ton: „Das tut doch nichts zur Sache.“ Als der Anwalt erneut auf dem Thema rumreitet, sich zum wiederholten Mal den Tathergang schildern lässt und versucht, aus den Zeugen Vermutungen herauszupressen, ist es mit der Beherrschung von Klaus-Jürgen Schmid vorbei:

Ich bin der Meinung, Sie stellen Fragen, die für den Sachverhalt nicht wichtig sind, und die genau das wiederholen, was bereits ausgesagt wurde.

Nach der Anhörung der sechsten und letzten Zeugin zieht der Verteidiger sein Ass aus dem Aktenkoffer: ein Attest, das ein Arzt am Klinikum München am Tag vor der Verhandlung ausgestellt hat. Sein Mandat hätte dort „eine größere Arm-Operation“ gehabt und sei dort in der Zeit vom 6. bis 10. April stationär aufgenommen worden.

Noch sechs Wochen später hätte der Angeklagte also Kunststoffschiene tragen müssen. Das wiederum würde bedeuten, dass er zur Tatzeit seine Hand gar nicht hätte benutzen können. Auch die Zeugen hätte in keinster Weise bestätigt, dass der Täter eine Schiene trug. Der Verteidiger legt dem Richter zwei Bilder vor.

Ein falsches Beweisstück vorgelegt

„Hier handelt es sich doch um zwei verschiedene Hände. Das ist doch einmal die rechte und einmal die linke”, stellt der Richter klar. “Welche Hand war denn nun verletzt?“ Ein paar Minuten später macht der Verteidiger einen Rückzieher: Eines der beiden Bilder hätte er versehentlich an den Richter ausgehändigt. Es hätte nichts mit dem Fall zu tun. Die Verhandlung wird für fünf Minuten unterbrochen. Der Verteidiger stellt einen Antrag auf Ladung des Arztes als Zeugen.

Der Staatsanwalt mischt sich ein: „Mir fällt kein klassischer Ablehnungsgrund ein.“ Richter Schmid schnappt sich das Attest, greift zum Telefonhörer und ruft im Klinikum in München an. Man teilt ihm mit, dass der Arzt, der auf dem Attest angegeben ist, gar nicht mehr dort arbeitet. Und unter der neuen Telefonnummer, die man Schmid angibt, hebt niemand ab.

Hauptverhandlung wird unterbrochen

Die Stimmung im Gerichtssaal ist angespannt. Alle Blicke sind auf Klaus-Jürgen Schmid gerichtet. Dieser will die Verhandlung bis 14 Uhr unterbrechen, um dem Anwalt Zeit zu geben, die neue, ladefähige Adresse des Arztes ausfindig zu machen. „Der Arzt hat doch erst gestern unterschrieben“, wird der Anwalt lauter. „Wenn Sie guter Dinge gewesen wären“, wirft Schmid dem Verteidiger vor, „hätten Sie den Antrag viel früher gestellt und nicht erst nach sechs Zeugen. Nennen Sie mir die Adresse.“

Aber das will der Anwalt nicht. Stattdessen wird er zornig. „Ich weigere mich. Ich bin hier nicht der Kasper.“ Schmid räumt ihm eine Frist bis zum nächsten Tag ein. „Ich bin doch nicht die Polizei. Das ist außerdem nicht meine Aufgabe“, wettert er. Schmid bestimmt einen neuen Termin: Montag, 26. März um 10:30 Uhr. Aber das muss der Verteidiger erst abklären. Er ruft in seiner Kanzlei an und checkt den Terminkalender. Passt. Die Verhandlung wird fortgesetzt. Jetzt muss der Anwalt möglichst rasch eine ladefähige Adresse seines Zeugen nachreichen.

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