Gmunder Gärtner grantelt gern

Der Osterschnee hat sie in Todesstarre versetzt. Fast alle Frühlingspflanzen sind dahin. Von der Pfingstrose bis zum Stiefmütterchen – alles futsch. Nur einer der Gründe, warum der Gmunder Gärtner Palme am liebsten auf seinen Nachnamen steigen würde.

600 Stiefmütterchen der Gmunder Gärtnerei Palme fielen Väterchen Frost zum Opfer.

Mit einem Garten hast du alles, was du brauchst. So lautet ein Zitat des römischen Staatsmannes Marcus Tullius Cicero. Man hat vor allem aber auch das, was man eigentlich nicht braucht, nämlich Arbeit.

Und schon schaut man auf die schneebedeckten 600 Stiefmütterchen, die nebeneinander auf den Metalltischen im Freien vor der Tür der Gärtnerei Palme in Gmund stehen. Und schon bekommt man gesagt, dass diese dreifarbigen Blumen keinen Frost vertragen. Und schon fühlt man die Gegenwart des Todes. Und schon ist klar, dass die Blüten, die heute noch den Kopf durch den weißen Belag in den Himmel recken, morgen bereits eingegangen sind.

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Die werden lang und unansehnlich und sehen scheiße aus. Die kauft keiner mehr. Und Salat mache ich mir nicht daraus.

Christian Palme (51) ist gelernter Gärtner und Diplom-Ingenieur und nimmt auch sonst kein Blatt vor den Mund. Gott sei Dank habe er nicht alles rausgestellt. Neben den Stiefmütterchen hätten nur der Flieder und ein paar andere Sträucher unter der Osterkälte gelitten, sagt er. Und Gott sei Dank habe der Schneeregen erst am Ostersamstag eingesetzt. Nachdem er seine restlichen 19.400 Stiefmütterchen für 80 Cent das Stück an die Frau und den Mann gebracht hatte.

Ins Gewächshaus können die Stiefmütterchen nicht. Das ist mit Geranien besetzt. Und ganz so kuschelig warm mögen es die Pflänzchen dann doch nicht. Jetzt muss sich Palme um seine abgeknickten Pfingstrosen kümmern. Die kosten immerhin zwischen 70 und 100 Euro und müssen nun mit Stäben gestützt werden. Palme zeigt auf einen vom Wetter geschädigten Fliederstrauch: „350 Euro kostet der normal. Ohne Blüten ist er jetzt weniger wert.“ Er könne nur hoffen, dass der Mai besser wird.

Ein Rustikaler, kein Sitzpiesler

Das Hauptproblem sei aber die Arbeit, die durch die Regen- und Schneetage bedingt liegengeblieben sei. „Wir sind mindestens eine Woche im Verzug“, gibt der 51-Jährige zu. Bleibt also nicht mehr viel Zeit bis es dann Anfang Mai so richtig losgeht und einige Kunden vielleicht wieder fragen werden: „Wir haben einen Platz, an dem kein Gras wächst. Was können wir tun?“ Und Palme ihnen in altbewährter Manier antworten wird: „Nichts. Dann tät‘ ich auch keins pflanzen.“

Bei dem Gmunder Gärtner bekommt man nicht nur Pflanzen, sondern auch die Wahrheit gesagt. Er ist ein Rustikaler, kein Sitzpiesler. Auf seiner 6.000 Quadratmeter großen grünen Insel hat er das Sagen. Und nur, wer sich an seine Inselregeln hält, darf verweilen. Viele tun das nicht, sagt er.

Die Pflanzen zwingen ihn in die Knie

Die klauen ihm die Pflanzen direkt vorm Gewächshaus weg oder driften solange mit ihren 130-PS-Motoren auf seinem Schotterparkplatz herum, bis alle seine Pflanzen von dem aufgewirbelten Staub bedeckt sind. Das mag er nicht. Noch weniger mag er seine 100-Stunden-Woche, die ihn im vergangenen Jahr zweimal in die Knie zwang. Die ärztliche Diagnose: „Burnout“. An seinen letzten freien Tag kann er sich kaum noch erinnern. Gefühlt liegt der für ihn aber irgendwo im November 2009.

Im Gewächshaus steht alles voller Geranien.

In die Knie zwingen ihn auch seine Überwinterungspflanzen. Die teilweise um die 200 Kilogramm schweren Gewächse lagert Palme für seine Kunden. Für 120 Euro pro Quadratmeter ist dieser Service buchbar. Damit die Pflanzen den Winter überleben und nicht verwelken. Zu Hunderten hat er sie schon spazieren gefahren. Schön. Nur nicht so schön für Palmes Bandscheiben. Die Hüfte ist kaputt. Genauso wie seine Stiefmütterchen.

Manche Pflanzen bleiben als Erbstücke zurück

Seine älteste Pflanze wurde von deren Besitzerin einfach zurückgelassen. Einmal noch kam sie in die Gärtnerei. „Ich möchte meine Pflanze zurückhaben“, forderte sie. „Welche ist das?“ fragte Palme. „Die mit den grünen Blättern.“ Dann sprach sie davon, sie hätte das falsche Auto dabei, verließ den Laden und ward nie mehr gesehen.
„Manchmal muss man sich konditionieren, damit man keinen umbringt.“

Dabei wäre er fast selbst einmal draufgegangen. Per Kran hatte er zusammen mit einem Kollegen eine 350 Kilogramm schwere Pflanze auf die Dachterrasse eines Kunden geliefert. Dieser stand schon mit einem Wasserschlauch bereit, um die auf den Boden gefallenen Erdbrocken und den Dreck zu beseitigen. Die Hose des Kollegen reinigte er gleich mit.

„Manche Kunden bringen einen fast um“

Als die Europaletten über den Dachvorsprung abtransportiert werden sollten, spritzte er diese mit Wasser ab. Damit auch diese schön sauber sind. Nur leider wurden diese dadurch schwer und glitschig und hätten beinahe den Kollegen vom Dach gefegt. Und Palme wäre fast erschlagen worden.

Zwei Leute wären ausgefallen. Da hätte ich mein Geschäft schließen müssen. Bei mir kommt keiner dieser Hirsche mehr vorbei.

Andere Kunden wiederum stapeln die Pflanzen einfach übereinander. „Welches Arschloch hat die Pflanzen gestapelt?“, ruft Palme dann durch die ganze Gärtnerei. „Wollen Sie mich als Arschloch bezeichnen?“, tönt es dann zurück. „Wenn Sie die Pflanze gestapelt haben, können Sie sich aussuchen, ob Sie das Arschloch sind“, kontert Palme sodann mit Zigarillo im Mund zurück.

Gärtner sucht weibliche Wurzel: Ehrlich, zuverlässig und einigermaßen intelligent.

35 Jahre Gärtnerleben prägen eben. Und wenn man in manchen Monaten vor lauter Arbeit gar nicht mehr zum Einkaufen kommt, und nicht einmal mehr weiß, wo der Einkaufswagen steht, dann ist es höchste Zeit, über den Sinn des Tuns nachzudenken, findet der 51-Jährige. Früher, da hat er noch Kampfsportarten gemacht. Heute empfindet er es als Lebensqualität, wenn er nichts mehr machen muss. Wenn er am Sonntag, nur mit einem Bier in der Hand, durch seine Gärtnerei schlendert, sein Sixpack unter einem Speckmantel versteckt.

Seine Gedanken stecken in seinem Betrieb. Sind bei seinen fast 90.000 Pflanzen, für die er, wenn er alle gießt, ganze acht Stunden braucht. Da bleibt nicht viel Zeit für eine Frau. Obwohl er gerne eine hätte. Ehrlich muss sie sein und zuverlässig. Vermutlich bleibe deshalb nur das Negative hängen, wegen des hohen Arbeitsaufwandes, vermutet Palme. Vielleicht hat er aber auch einfach nur vergessen, sich selbst zu hegen und zu pflegen. „Langt schon, wenn die Pflanzen so ausschauen, als wenn sie schonmal gegessen wurden.“

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