Das Risiko bleibt

Ein Krater von 20 Metern Durchmesser und knapp zwei Metern Tiefe: Die Folgen der Erdwärmebohrung in der Rottacher Lindenstraße sind unübersehbar. Doch der “Blow-Out” wirft viele Fragen auf.

Das neue Wohnhaus sollte mit Wärmeenergie versorgt werden. Doch die dafür nötigen Bohrungen sorgten in der Rottacher Lindenstraße zu einem Blow-Out.
Das neue Wohnhaus in der Lindenstraße sollte mit Wärmeenergie versorgt werden. Doch die dafür nötigen Bohrungen sorgten vermutlich für einen Blow-Out.

Am Dienstag Abend sackte ein Teilstück der Lindenstraße in Rottach-Egern ab und hinterließ einen großen Krater. Verletzt wurde dabei niemand. Doch die Schäden sind immens: Neben der eingebrochenen Fahrbahn ist ein Kellerschacht im benachbarten DM-Markt abgerissen, ein Kanalschacht verrutscht und an den anliegenden Häusern entstehen immer wieder Haarrisse an der Fassade.

Der Grund: der Krater sackt immer weiter ab. Seit dem Einbrechen der Lindenstraße vor knapp zwei Tagen um weitere drei Zentimeter. Laut dem Pressesprecher des Landratsamts, Birger Nemitz, kontrolliere das Technische Hilfswerk deshalb permanent, wie stark das Gelände weiter absinkt.

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Dazu wurde ein Laser installiert, dessen Licht von mehreren Spiegeln an den Gebäuden reflektiert wird. Die Messpunkte sind in der Absenkung und an den anliegenden Häusern. Die Absenkung ist bis jetzt noch nicht zur Ruhe gekommen. Momentan sind deshalb immer noch vier Häuser evakuiert und die Bewohner wurden in Sicherheit gebracht.

Doch wie konnte das passieren? Ersten Vermutungen nach soll eine Erdwärmebohrung einer Geothermiefirma die Ursache sein. Die Gemeinde Rottach-Egern wusste von dieser Bohrung nichts und laut Nemitz „war der Bescheid für die Bohrung auch nicht Teil der Baugenehmigung, die das Landratsamt Miesbach erteilt hat.“ Dieses habe eine „beschränkte wasserrechtliche Erlaubnis für die Bohrungen“ erteilt. Diese gilt bis zu einer Tiefe von 80 Metern.

Blow-Out als Ursache?

Diese Bohrung wurde im Zuge des Neubau an der Lindenstraße durchgeführt: „Wir bauen ja mittlerweile Häuser, die keine Energie verbrauchen, sondern welche produzieren. Dafür sind solche Erdwärmebohrungen da“, erklärt Diplom-Geologe Frithjof Ohin auf Nachfrage.

Der Bohrer bohrt dabei wie ein drehender Meißel in die Erde und schiebt laut Ohin alle paar Meter ein Standrohr zur Stabilisierung nach. „Pro Bohrmeter erhält man dann eine gewisse Menge Wärmeenergie“, so der Geologe. Je nachdem wie viel das Haus verbrauche, werde dann bis zu 100 Meter tief gebohrt. Doch wie befördert man diese Wärmeenergie an die Oberfläche? Ohin erklärt:

Im Bohrloch befindet sich eine U-förmige Sonde mit einer Flüssigkeit. Man kann sich das wie einen Schlauch vorstellen. Diese Flüssigkeit heizt sich dann in der Tiefe auf und wird nach oben befördert. Dort wird die Wärme dann aus der Flüssigkeit gezogen. Die kalte Flüssigkeit fließt dann wieder nach unten und wird durch die Erdwärme erneut erhitzt.

So entstehe ein Kreislauf, durch den ein Haus mit Hilfe der natürlichen Erdwärme geheizt werden kann. Diese Art Bohrung wurde am Dienstag auch in Rottach-Egern durchgeführt. Am Abend brach dann die Straße ein.

Die Frage bleibt, wie das passieren konnte. Ohin hat eine Vermutung: Ein sogenannter Blow-Out. „Im Untergrund herrschen gespannte Grundwasserverhältnisse“, erklärt er. In Rottach befinde sich das meiste Wasser aller Wahrscheinlichkeit nach in der Kiesschicht, die sich unter der Lehmschicht im Boden befindet. “Bohrt man in diese Kiesschicht rein, kann das Wasser über das Bohrloch mit starkem Druck entweichen. Dadurch entsteht ein Hohlraum und die Erde sackt ab – so wie in Rottach geschehen.”

Kann das auch anderswo im Tal passieren?

Da diese Art von Energieversorgung der Wohnhäuser derzeit boomt, werden immer mehr solcher Bohrungen durchgeführt. Viele fragen sich deshalb, ob so ein Fall wie in Rottach auch sonst überall im Tal passieren kann. Ohin sagt “Ja. Dass Straßen oder andere Teile der Oberfläche absacken, kann ab und zu vorkommen.“ Denn in die Tiefen der Erde könne man nicht vorher rein sehen.

Es besteht immer ein Risikofaktor bei solchen Bohrungen.

Man könne zwar maschinelle Vorkehrungen an dem Bohrgerät treffen, um einen solchen Blow-Out zu verhindern, allerdings sei laut dem Geologen nicht jede Firma im Besitz solcher Techniken. „Letztendlich stellt man die Wirklichkeit, die unter dem Bohrkopf liegt, erst dann fest, wenn es zu spät ist.“

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Ob der von Ohin vermutete Blow-Out Schuld an dem Absacken der Lindenstraße ist, soll heute ein von der Gemeinde beauftragter Geologe klären. Dieser habe laut Pressesprecher Nemitz bereits Fakten gesammelt und untersuche den Vorfall. „Er wird dann ein Gutachten vorlegen, welches für die weiteren Maßnahmen wichtig ist. Das Wasserwirtschaftsamt Rosenheim wird dazu ebenfalls eingebunden“.

Da es sich bei der Lindenstraße um eine Gemeindestraße handelt, ist die Gemeinde Rottach die Geschädigte. „Sie muss mit den Kosten erst einmal in Vorleistung treten“, betont Nemitz. Wer letztendlich für die Schäden zur Verantwortung gezogen wird, kann er nicht genau sagen. Er vermutet, dass „die bauausführende Geothermie-Firma aus Marl eine Versicherung hat, die den Schaden übernimmt.“

Auch Dr. Erwin Knapek, Präsident des Bundesverbandes Geothermie, meldete sich bereits zu Wort und bestätigt Nemitz Vermutung: „Bohrunternehmen verfügen über Versicherungen gegen Schäden, die im Zusammenhang mit Bohrungen auftreten können.“ Da die Erdwärmebohrung als Ursache für das Absacken der Lindenstraße vermutet wird, „hat für mich nun eine genaue Untersuchung des Zwischenfalls und die Regulierung der Schäden oberste Priorität.“

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