Seit gestern Mittag hat sich die Wiese auf der Point in einen mittelalterlichen Schauplatz verwandelt. Es wird gesungen, getanzet, gekämpfet, musizieret und gezaubert. Doch wer und was steckt hinter dem Aufwand?
In der ersten Stund‘ nach dem Mittagsgeläut war es gestern auf der Point in Tegernsee soweit: Die alljährliche Zeitreise ins Mittelalter begann. Offene Feuerstellen, Ritter, Gaukler, Abtrünnige – der Besucher findet sich, nachdem er das Kassenhäusl passiert hat, in der Vergangenheit wieder.
Dr. Andreas Greither, Inhaber des Tegernseer Hotels „Der Westerhof“ nahm das 1000-jährige Bestehen des Klosterhofs heuer zum Anlass, zu den üblichen Ausstellern auch den Landesjagdverband Miesbach, den Trachtenverein Schliersee und den Vinzentius-Verein aus Kreuth einzuladen.
Turn- und Volleyballverein helfend dabei
Mit der Unterstützung der Projektagentur von Helmut Perseis – ein „uralter Kämpfer“ und Wegbegleiter, wie Dr. Greither ihn nennt – wurde das historische Spektakel organisiert. Ein Jahr intensive Vorbereitung sei dafür nötig gewesen. Perseis machte die Verträge mit den einzelnen Gruppen dingfest.
Es habe zig Besprechungen mit Ausstellern und Darstellern gegeben, erzählt Martin Hauder, ein guter Freund von Greither. Mindestens ein halbes Jahr zuvor fand einmal im Monat ein Stammtisch der Organisatoren statt. „Ein enormer Aufwand“, so Hauder.
Unter den Ausstellern finden sich sowohl Gewerbetreibende als auch einheimische Vereine, die das Fest mit Spielständen unterstützen. Wie beispielsweise der Tegernseer Turnverein, der mittelalterliches Rugby anbietet. Oder der Tegernseer Volleyballclub. Dessen Vorsitzender Thomas Barnstorf präsentiert neben Wurfspielen von 1836 das 600 Jahre alte Zahlenkampfspiel „Rithmomachie“.
Per Prototyp in die mittelalterliche Mathematik einsteigen
Weil er selbst an einem Buch über mittelalterliche Spiele eines Nürnberger Spielzeugherstellers mitgewirkt hatte, kam er auf die Idee, vier davon herauszusuchen und als Prototypen für das Klosterhoffest nachzubauen. Da es für das Strategiespiel Rithmomachie unzählige Spielanleitungen gibt, waren er und sein Team die letzten zwei Monate damit beschäftigt, die verschiedenen Spielvarianten zu verstehen.
„Das hat Spaß gemacht“, sagt Barnstorf. Nur drei Vereinsleute würden die Regeln beherrschen, gibt er zu. „Learning by doing“ sei immer noch am besten. Denn eigentlich sei das Spiel ein einfacher Einstieg in die mittelalterliche Mathematik. Gestern sei man über den „Riesentrubel“ am Stand positiv überrascht gewesen:
Eine Montessori-Lehrerin aus Hausham hat das Spiel auch sofort verstanden und sensationell gespielt.
Insgesamt hat man noch zehn kleinere Spiele – übrigens die einzigen, die existieren – aus Spanien beschaffen können. Hier müsse man nur die englische Spielanleitung noch einmal überarbeiten, falls Dr. Greither wirklich vorhätte, einen Rithmomachie-Spielabend zu veranstalten, wie er angekündigt hatte.
Greither selbst hat das Spiel zum „Markenzeichen für 1000 Jahre Westerhof“ erkoren. Die Spielfiguren stehen stellvertretend für den Klerus, die Bauern, die Ritter und die Herrschaftsklasse. Es sei ein „Spiel der Mächte“, so Greither. Deshalb habe er diese Figuren heuer auch auf seinen Bierkrügen drauf.
Die „echten“ Ritter finden sich stattdessen auf der Point. Zum einen die der Maxlrainer Tafelrunde, die in der Zeit zwischen 1250 und 1290 gekämpft und ihre Ländereien verteidigt haben. Würde er noch leben, wären sie heute ihrem Schlossherrn Erich Prinz von Lopkowicz unterstellt.
Zum anderen der Ritterorden zu Vagen, deren Rittergruppe im Hochmittelalter bei Turnieren oder Belagerungen kämpfte. Dann wären da noch die „Die Abtrünnigen“. Eine ebenso starke Kämpfertruppe, die aber auch das Lederhandwerk und die Schmiedekunst beherrscht.
Einfach auf’s Feld gehen und mitkämpfen
Martin Weigl, Mitglied der Kreisgruppe Miesbach Jagdverband, lässt die letzten 1000 Jahre in der Jagd Revue passieren: Früher habe nur der Adel jagen dürfen, erzählt er. Mit der Revolution im Jahr 1848 kam der große Einschnitt – auf einmal konnte jeder auf seinem Grund und Boden jagen. Damit sei die Jagd „bürgerlicher“ geworden und wandelte sie enorm. Dr. Greither beherzigt bei seinem viertägigen Spektakel mittelalterliche Rithmomachie-Regeln und ein “verrücktes Ziel”:
Einfach auf’s Feld gehen und das Fest der Kämpfe miterleben.
Und sollten sich die Besucher weiterhin über die zu hohen Eintrittspreise empören, wie an der Eingangskasse vermehrt zu hören war, so geht der Spieler entweder mathematisch unter, oder aber er fällt in die Arme von Michael Fink, Rettungssanitäterin des Bayerischen Roten Kreuzes. Zusammen mit ihren beiden Kollegen ist sie sofort zur Stelle, sollte es Verletzte geben. „Doch noch ist alles gut“, versichert sie.
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