Zur Starkbierzeit wird’s ernst für Politiker und Prominente – und das nicht nur beim Derblecken auf dem Nockherberg. Im Tegernseer Bräustüberl las gestern Abend Fastenprediger Nico Schifferer allen „Mächtigen“ im Tal und im Landkreis die Leviten. Dabei konnte er auf ein besonders ereignisreiches Jahr voller Affären zurückblicken. Besonders hart ging Schifferer mit dem „System Sparkasse“ ins Gericht. Und der „Krabbelgruppe“ im Wiesseer Gemeinderat verordnete er einen Tagesvater.
Bereits Bräustüberl-Wirt Peter Hubert sorgte zu Beginn des Abends für große Erheiterung. Er begrüßte die geladenen Gäste, unter denen auch die beiden Tegernseer Pfarrer Walter Waldschütz und Martin Weber, die Landratskandidaten Norbert Kerkel und Wolfgang Rzehak sowie vier der fünf Talbürgermeister waren. „Peter Janssen hat leider abgesagt. Seine Frau hat Geburtstag. Vergangenes Jahr hatte sie, glaub ich, drei Tage früher Geburtstag“, setzte Hubert einen kleinen Seitenhieb gegen den noch amtierenden Tegernseer Rathauschef.
Janssen war dem Starkbieranstich wie schon im vergangenen Jahr ferngeblieben. Dem Publikum gefiel’s: Huberts Aussage wurde mit großem Gelächter quittiert. Also wurde dem zukünftigen Bürgermeister Johannes Hagn (CSU) die Aufgabe zuteil, das Starkbierfass anzustechen und das Fest zu eröffnen. „Ich war sehr aufgeregt“, gab Hagn im Nachgang zu. Seinen ersten Anstich meisterte er indes mit nur fünf Schlägen.
„Kreidl hat der Schneid verlassen“
Dann kam auch Fastenprediger Nico Schifferer, begleitet vom tosenden Applaus aus dem Publikum, auf die Bühne. „Eigentlich wollte Jakob Kreidl heute hier sein. Doch gegen 17 Uhr hat ihn leider der Schneid verlassen. Er war plötzlich erkältet“, so Schifferer. Das Publikum reagierte mit einer nicht ganz ernst gemeinten Mitleidsbekundung für den von Affären gebeutelten Landrat. Dann ließ Schifferer in seiner Funktion als Bruder Barnabas kurz die vergangenen zwölf Monate Revue passieren. Dabei zog er eine Parallele von den Erfolgen des FC Bayern zur Landkreispolitik:
Der FC Bayern hat Meisterschaft, Pokal und Champions League gewonnen und wir im Landkreis haben auch ein Triple: Das lautetet Kreidl-Färber-Bromme. Was für ein Trauerspiel.
Dann wurde seine Rede kurz unterbrochen. Kaivan Roshan, der wohl bekannteste Zeitungsverkäufer im Tegernseer Tal, betrat das Bräustüberl im Rahmen seiner täglichen Tour. „Dass der nicht bestellt ist, glaubt mir kein Mensch“, so Schifferer. Nach kurzer Zeit riss der Prediger Roshan alle Zeitungen aus der Hand und rief dem Vorstand der Kreissparkasse Miesbach-Tegernsee zu: „Herr Mihalovits, kaufen sie dem Mann doch gleich alle Zeitungen ab. Das wäre wenigsten mal ein sinnvolles Investment!“ Die Menge tobte.
Auch die Sparkasse bekam im Anschluss ihr Fett weg. „Der Mihalovits hat es schon nicht leicht. Jetzt muss er den Erbhof des Oligarchen Georg I. wieder in ein ganz normales Geldinstitut verwandeln. Das ist hart“, fand Schifferer. Und auch für Landrat Jakob Kreidl hatte er noch etwas „Lob“ übrig. Der habe den Landkreis durch seine Affären berühmter gemacht, als das jede Marketingagentur geschafft hätte.
Dann richtete der Fastenprediger seinen Blick nach vorn auf die am Sonntag stattfindende Stichwahl zwischen Wolgang Rzehak (Grüne) und Norbert Kerkel (Freie Wähler) um den Posten des Landrats. „Auf Kerkels Wahlplakat steht ‘ehrlich – anständig – unverbraucht’. Doch damit ist er doch nach den bisherigen Maßstäben im Landkreis Miesbach völlig ungeeignet.“ Stattdessen schlug Schifferer einen anderen Slogan vor: kopflos – übergewichtig – unerfahren. Das passe besser zu Herrn Kerkel und sei in der Tat ehrlich.
Habemus Ponticulum!
Dann widmete er sich den Talgemeinden. Den Anfang machte Tegernsee. Bürgermeister Janssen habe viel geleistet. Man werde noch sehen, was genau, teilte Schifferer aus. „In Rom hieß es ‘habemus papam’, in Tegernsee ‘habemus ponticulum’ (‘Wir haben einen Steg’). Auch Bad Wiessee wurde aufgrund der teils hitzigen Stimmung im dortigen Gemeinderat zum Thema. Dabei war sich Bruder Barnabas sicher:
Werden die Wiesseer Sitzungen künftig live im Internet ausgetragen, legen ARD und ZDF Einspruch ein. Bei dem Hauen und Stechen in Wiessee schaut ja niemand mehr das Vorabendprogramm im Fernsehen an.
Zudem begrüßte er den Einzug von Rolf Neresheimer in den Gemeinderat. „Jetzt gibt es wenigstens einen Tagesvater, der sich um die pubertierende Krabbelgruppe kümmern kann.“
Gleichzeitig sehnte sich Schifferer derweil Verhältnisse wie in Kreuth herbei. „Wären alle so wie die Kreuther, dann bekäme das Tal den Friedensnobelpreis.“ In Kreuth passiere so wenig, „die müssen schon selbst ein Haus anzünden, um mal in der Zeitung zu stehen.“
Die Verantwortlichen im Rottacher und Gmunder Rathaus blieben gestern Abend hingegen weitestgehend verschont. Nur die Debatte um die BOB-Haltestelle in Finsterwald regte den Fastenprediger auf. „Da fährt der Zug an der neuen Realschule vorbei und die Schüler müssen den Weg wieder zurücklaufen. So ein Schmarrn! Da gehört eine Haltestelle hin und ich will in den kommenden Wochen Vollzug sehen“, forderte er den Gmunder Bürgermeister Georg von Preysing zum Handeln auf.
„Thermen-Peter“ und „Maximilian-Schorsch“
Preysing bekam gleichzeitig auch ein nicht ganz ernst gemeintes Kompliment wegen seiner Haltung im Streit um eine Umgehungsstraße. Kommt die Umgehung über Finsterwald, fürchtet Wiessees Bürgermeister Peter Höß eine Verlagerung der Verkehrsbelastung in seinen Ort. „Da sagt der Thermen-Peter zum Maximilian-Schorsch: Ich glaub’, dir brennt der Hut. Und der von Preysing denkt sich: Jedes Auto, das in Wiessee fährt, kann in Gmund keinen Stau verursachen. Das ist ganz schön clever“, fand Schifferer.
Zwischen harten Spitzen gegen die Politprominenz im Tal und im Landkreis schlug Bruder Barnabas aber auch versöhnliche Töne an. So erhielt Maria Heiss für 28 Jahre Einsatz als Stadträtin anlässlich ihres 90. Geburtstags im Dezember nachträglich den Ehrenbuzi für ihre Lebensleistung.
Und auch der scheidende Rottacher Bürgermeister Franz Hafner wurde ausgezeichnet. Überhaupt verging die rund zweistündige Predigt gestern Abend wie im Fluge und war geprägt von Spontaneität, Schlagfertigkeit, aber auch der nötigen Nachsicht und viel Ironie.
Das empfanden auch viele der Zuschauer so, sie verabschiedeten Prediger Schifferer unter großen Applaus. „Das war die beste Predigt, die ich von ihm jemals gehört habe“, betonte Norbert Kruschwitz, Direktor des E-Werks auf Nachfrage.
Auch der Kreuther Bürgermeister Josef Bierschneider bezeichnete den Abend als „sehr kurzweilig und gelungen“. Schifferers „Watschn“ für die ereignisarme Kreuther Politk konnte der Rathauschef allerdings nicht unterschreiben. Und auch der Wiesseer Rathauschef Peter Höß erklärte, dass der Wiesseer Gemeinderat besser sei als sein Ruf. In Höß’ Augen war die Predigt trotz alledem ausgeglichen und gelungen. „Jeder hat sein Fett weg bekommen.“
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