Im kleinen Kreis traf man sich am Montagabend im Wiesseer Bürgerstüberl. Gastgeber war der SPD-Ortsvorsitzende Robert Kühn (35), Landtagskandidat für Bad Tölz-Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen. Mit von der Partie: Verena Schmidt-Völlmecke (39) aus Osterwarngau, SPD-Ortsvorsitzende von Holzkirchen und Direktkandidatin für den Stimmkreis 121, sowie Bezirkstagskandidat Tim Roll (32), Vize-Ortsvorsitzender von Holzkirchen.
Auf die Fahne hatte sich die noch jüngere Generation von Wahlkämpfern die Sorgen von Älteren geschrieben: Die Zukunft der Pflege. Denn darüber höre man meist „beunruhigende Nachrichten“, so Kühn. Die Fragestellungen waren: Ist die Anwerbung von ausländischen Kräften wirklich eine gute Lösung für den Fachkräftemangel? Wie steht es um kostenlose Ausbildung, Weiterbildungsmöglichkeiten und Bildungsfreistellungen in den Pflegeberufen sowie Anerkennung von Fachabschlüssen aus anderen Ländern?
Wie kann eine überbordende Bürokratie bei der Pflege eingedämmt werden, damit das Pflegepersonal mehr Zeit für die zu pflegenden Menschen hat? Wie kann die ambulante pflegerische Versorgung in ländlichen Regionen, wo Pflegedienste oft weite Wege zu einzelnen Patienten zurücklegen müssen, verbessert und sichergestellt werden? Entspricht die Wertschätzung der Menschen die in der Pflege arbeiten, sowohl seitens der Politik als auch der Gesellschaft dieser anspruchs- und verantwortungsvollen Tätigkeit?
Kaum Verbesserungen seit 30 Jahren
Eine SPD-Radltour im Tal zur Pflege und Betreuung bei Caritas und Diakonie gab es bereits, dabei habe man sich auch im Schwaighof und in der Seniorenresidenz Wallberg informiert. Denn Kühn und seiner SPD sei das Thema sehr wichtig. Die Schlagworte dafür seien heute wie vor 30 Jahren Pflegenotstand und Fachkräftemangel. „Da frage ich mich natürlich, was ist seitdem geschehen“, so Kühn.
Denn im Prinzip sei man sich einig. Niemand in der Politik und bei den Interessenvertretern wolle eine schlechte Pflege und schlecht bezahltes Personal. Es gab zwar seit 1988 einige Verbesserungen, „doch die sind von der Bürokratie aufgefressen worden“, weil zu viele Interessen im Spiel seien. Angesagt sei ein neues Denken. Er könne sich Pflegegenossenschaften vorstellen, wo Gesellschaft und Wirtschaft Hand in Hand zusammenarbeiten und nicht nach der „Gewinnmaximierung“ schielen.
Schmidt-Völlmecke kritisiert Schließung von Geburtsstationen
Das Thema habe viele Facetten, deshalb kümmere sich auch die jüngere Generation in der SPD darum, „denn es geht uns alle an“, stellte Schmidt-Völlmecke klar. Denn auch Angehörige könnten einmal auf Pflege angewiesen sein. „Die Fürsorge zieht sich durch alle Altersgruppen“, denn es sei ein Thema der Daseinsvorsorge. Wenn wie im Landkreis Bad Tölz eine Geburtsstation geschlossen werde, „macht das etwas mit der Gesellschaft“. Der fehle etwas, wenn die Oma keinen Wundverband mehr bekomme, eine Schwangere entbinden möchte und ein alter Mensch nicht mehr zuhause versorgt werden könne. Was sei uns eine menschenwürdige Pflege Wert, wenn dagegen eine miserable Vergütung stehe, die soziale Einrichtungen für solche Dienste bekommen würden?
Vier Euro vierzig bekomme die Diakonie, wenn eine Mitarbeiterin am Wochenende um den See nach Glashütte fahre, um einen Wundverband zu legen. Bei dem demografischen Wandel auch im Tal könnten sich bald die Fälle häufen, bei denen es im Ernstfall kaum noch Pflegepersonal gebe, weil sie aus ökonomischen Gründen nicht mehr stattfinden könne. „In solch einer Gesellschaft möchte ich nicht leben“, sagte Schmidt-Völlmecke. Deshalb sei sie bei diesem Thema „ganz fleißig unterwegs“. Gerade bei der Pflege im ländlichen Raum würden ihr „unheimlich viele verschiedenen Probleme bewusst“. Es gehe los mit bezahlbaren und barrierefreien Wohnraum, von dem man selbstbestimmt mit dem Rollator noch zum Einkaufen komme und in dem noch soziale Kontakte gepflegt werden könnten.
Landespflegegeld als Wahlzuckerl
Als Vater seiner zehnwöchigen Tochter Carolina mache er sich mit seiner Frau jetzt schon Gedanken über die künftige Kinderbetreuung, gab Roll zu bedenken. Hier sei zwar schon viel Geld in die Hand genommen worden. „Das Thema wurde als Herausforderung wahrgenommen“, so Roll, „doch bei der Pflege fängt es gerade erst an“. Auch hier müsse die Gesellschaft kräftig investieren, um sie zu regeln. Die 1.000 Euro Landespflegegeld in Bayern pro Jahr ab 1. September für pflegende Angehörige pünktlich zur Wahl sei der falsche Ansatz.
Mit diesen 400 Millionen Euro jährlich könne man aber die Arbeitsbedingungen in den Pflegeberufen deutlich verbessern. Dass er der mit Abstand jüngste Kandidat für den Bezirkstag sei, halte er „mitnichten“ für einen Nachteil, schreibt Roll in seiner Vita über sich. „Politik für Familien, Kinder, Azubis, Student/innen und Schüler/innen dürfen wir nicht nur der Generation 60 Plus überlassen“. Doch die jüngere Generation von Zuhörern fand mit einer Ausnahme an diesem Abend nicht den Weg ins Bürgerstüberl.
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