Den See sichtbar machen

Gmund hat Großes vor. Man wolle „den See in den Ort holen“. So hatte es im Juli geheißen, nachdem die Ideenwerkstatt zum Bahnhofsareal über die Bühne gegangen war. Gestern wurde kontrovers darüber diskutiert.

Das Ideenbüro im Neureuthersaal war offensichtlich gut besucht. Aber was ist mit der schweigenden Mehrheit? / Quelle: Archivbild

Nach drei Tagen Planung hatte das Ideenbüro „nonconform“ im Juli in Gmund ein erstes Konzept für die Neugestaltung des Bahnhofsareals vorgestellt. Dabei wurden 500 Ideen der Bürger eingearbeitet. Jeder Zettel, jedes kleinste Detail wurde festgehalten.

Das Bahnhofsareal neu erleben

Bereits im Mai waren Mitarbeiter des Büros nach Gmund gekommen. Damals hatte man sich einen ersten Überblick verschafft, was am Gmunder Bahnhof überhaupt möglich wäre. Darauf folgte eine monatelange Vorbereitung. Denn innerhalb von drei Tagen wollte man dann gemeinsam mit den Bürgern ein Konzept zur Neugestaltung des Bahnhofareals erarbeiten.

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„Wie wollen wir das Bahnhofsareal neu erleben – wie mehr Aufenthalsqualität bekommen?“ Das ist das zentrale Thema, um das es geht. So referierte Astrid Erhard vom Ideenbüro am gestrigen Dienstagabend im Gmunder Gemeinderat. Drei Themen sind es, die die Gmunder vor allem umtreiben in dem Zusammenhang: Das Parkproblem, der „Schupfn“ und was südlich von den Bahngleisen passieren soll.

Erhard präsentierte den Gemeinderäten Essenzen aus der Ideenwerkstatt. Und da sind viele Fragen offen: Da ist die Frage nach dem Ortszentrum, das nicht definiert ist. Denn zuerst sehe man einen Parkplatz und nicht den See, wenn man nach Gmund komme. Gmund möchte zwar eine fahrradfreundliche Gemeinde sein, es gibt aber kaum Raum, auch für Fußgänger nicht, bemängelte Erhard.

Bahnhofsgebäude herausheben – Parkhaus lassen

Eine Perle sei das denkmalgeschützte Bahnhofsgebäude, dieses könne man jedoch durchaus noch stärker herausheben. Es gebe keine wirklich bequemen Wartebereiche, keine Überdachung am Bahnsteig und auch keine Sitzmöglichkeiten. Im einzig unverbauten Ufer am Tegernsee sehe man ein großes Potenzial, meinte sie weiter.

Was jetzt bereits klar sei, sei folgendes: Man sehe kein Parkhaus und der „Schupfn“ müsse abgerissen werden. Fahrrad- und Busflächen müssten mehr Raum erhalten, eine Querung der Gleise müsste ermöglicht werden.

Ein erster Entwurf / Quelle: Archivbild

Das zentrale Ziel sei es, eine einzige Ortsmitte zu erreichen und die momentan losen Orte – Bahnhof, Kirche, Cafè und Wirtschaften, Viehhalle, miteinander zu verknüpfen und zu stärken. „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“, so drückte es Erhard aus. Konkret schlug sie folgende Handlungsbereiche vor:

In sechs Schritten zur neuen Ortsmitte

1. Ein Ort zum Verweilen wird geschaffen:
Ein Blick zum See soll entstehen, durch verschiedene Elemente soll das Bahnhofsareal eine erhöhte Aufenthaltsqualität erhalten: etwa der Öffnung des Café Wagner mit einem Gastgarten, einer Blumenwiese, dem Element Wasser oder einem verbesserten Wartebereich mit Infotafeln, einem Kiosk oder Überdachungen für die Bahnsteige.

2. Gmund als Eingangsschwelle:
Die Wiesseer Straße trenne, meinte Erhard. Und in dem Zusammenhang eine Tempo-30-Zone. Die Straße solle auf Platzniveau geführt werden, sozusagen in eine Art „Platz“ hin verlaufen. Durch eine homogene Oberflächengestaltung, multifunktionale Mittelstreifen sowie breitere Gehwege werde dann eine Art Eingangsschwelle nach Gmund markiert. Erhard nannte großstädtische Beispiele wie etwa Kopenhagen als Vorbildfunktion.

3. Eine Verbindund zum See:
Sie empfahl eine Möglichkeit, über die Gleise zu kommen. Allerdings gebe es rechtliche Rahmenbedingungen, die mit der Bahn zu klären seien.

4. Ein Ort zum Seele verwöhnen:
Der Bahnhofsplatz müsse vergrößert werden. Schließlich sei es ein Tor in die Erholung. Spielplätze könnten hier entstehen und ein Foodtruck, im westlichen Bereich auch ein Raum für Kinder und Jugendliche oder etwa ein „Tiny-Hotel“, zusammengesetzt aus Zugwaggons. Wichtig war Erhard in dem Zusammenhang, dass alles grün bleibt und möglichst wenig Versiegelung stattfindet.

5. Ein Ort zum Verteilen:
Erhard sprach sich für Bahnhofsgebäude, Kiosk mit Werkstätten, Busbahnhof mit Taxi und Drop-Offzonen aus.

6. Optimale Potenzialräume:
Das ursprünglich einmal geplante Parkhaus hätte dazu angeregt nochmal über das Areal nachzudenken. Jetzt spräche man sich eher für ein Fahrradhotel aus oder auch Betreutes Wohnen.

Gmund diskutiert kontrovers

Nach der Präsentation sprach erst einmal Bürgermeister Alfons Besel (FWG). Den See sichtbar machen, näher an den Ort zu holen, sei ein spannendes Thema, meinte er. Altes sei bestätigt worden, strittiges geklärt worden, neue Ideen wären hinzugekommen, so fasste er den Prozess zusammen. Manche Ideen könne man rasch umsetzen, für andere brauche es Zeit und auch (viel) Geld. Geplant sei als nächster Schritt, dass Anfang November die Fraktionssprecher die weitere Vorgehensweise diskutieren sollten.

Während Besel sich voller Tatendrang zeigte, ging Michael Huber (SPD) mit dem ganzen „nonconform“, wie er zu einem ausgedehnten Plädoyer ansetzte. „Es waren maximal drei Prozent der Bevölkerung da“, so proklamierte er den mangelnden Querschnitt der Beteiligung. Gerade als Berufstätiger hätte man keine Chance auf Beteiligung gehabt. Huber kritisierte auch, dass gerade unkonventionelle Ideen untergegangen seien.

Die Kürze der Zeit war das größte Problem!

Es sei insgesamt kein breites Meinungsbild gelungen. Und vieles sei schwierig umzusetzen oder gar jenseits jeder Realität, meinte er. Etwa Tempo-30 auf der Bundesstraße. „Es ist noch ganz viel im unreinen.“ Als Fazit forderte er, dass die Bürgerbeteiligung ein längerer Prozess sein müsse und dass man Provisorien vorher ausprobieren solle.

„Ich wüsste jetzt nicht, wie man so ein Angebot noch besser organisieren könnte, damit auch Berufstätige dazufinden können“, konterte Besel. In seinen Augen wären viele Leute dagewesen, die sonst nicht dagewesen wären. Und ausserdem hätte man sich auch über die aufgehängten Ideenboxen einbringen können. Und schließlich müsse man sehen, dass jetzt was vorwärts gehe.

Man muss in der Demokratie damit leben, dass es eine schweigende Mehrheit gibt und eine Minderheit die sich beteiligt.

Doch Michael Huber ließ sich nicht abwiegeln. In anderen Kommunen wäre das besser gelaufen meinte er. Etwa in Holzkirchen könne man im Internet seine Meinung kundtun und es gebe auch gezielte Bürgerbefragungen. „Die schweigende Mehrheit hat auch den Brexit verursacht, das ist eine Schwäche der Demokratie“, meinte er abschließend. Er verstehe zwar, dass Besel als Bürgermeister vorwärts kommen wolle, allerdings warne er vor mangelnder Bürgerbeteiligung.

Christine Zierer (FWG) ihrerseits sprang Besel zum Schluss noch beiseite: „Allen Leuten recht getan ist eine Kunst die niemand kann“, zitierte sie aus ihrem Nähkästchen. Sie glaube, dass diese Bürgerbeteiligung gut war und jeder der hingehen wollte, auch hingehen konnte.

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