Unter Crowdfunding versteht man die Finanzierung von Projekten durch viele verschiedene private und meist anonyme Kreditgeber. Anstelle einer Bank oder eines einzelnen großen Kapitalgebers, werden also viele Geldgeber mit kleinen Beträgen an den Projekten beteiligt. Die Rückzahlung erfolgt entweder in Anteilen, Geld oder bei kreativen und sozialen Projekten oft auch durch Sachleistungen.
Aber funktioniert das Konzept auch zur Finanzierung kommunaler Projekte, wie zum Beispiel dem Seesteg in Tegernsee?
Crowdfunding hat sich mittlerweile etabliert
Zur Finanzierung von jungen Unternehmen hat sich Crowdfunding im letzten viertel Jahr in Deutschland bei ersten Pilotprojekten erfolgreich etabliert und sogar den ersten Kinofilm öffentlichkeitswirksam finanziert.
Das solche Gemeinschaftsfinanzierungen nicht nur im wirtschaftlichen Umfeld funktionieren können, will ein Mainzer Unternehmen beweisen. Auf LeihDeinerStadtGeld versuchen die Initiatoren seit einigen Monaten das Modell auf Bürgerbeteiligung in der Kommunalfinazierung anzuwenden:
Kommunen und kommunale Unternehmen beschreiten gemeinsam neue Wege in der Kommunalfinanzierung und binden ihre Bürger schnell und einfach bei regionalen Projekten ein. So kann einerseits die Zinslast kommunaler Haushalte zukünftig gesenkt und andererseits die Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene gezielt ausgebaut werden.
Gerade von der Einbindung der Bevölkerung über die Finanzierung der Projekte erhofft man sich auf lokaler Ebene einen ganz anderen Rückhalt. Bürger, die selbst an Bauvorhaben oder ähnlichem beteiligt sind, haben höchstwahrscheinlich mehr Verständnis für zum Beispiel Verkehrsbehinderungen, die dadurch entstehen.
Auf der anderen Seite wird eine Kommune aber auch nur dann private Geldgeber aus der Bevölkerung bekommen, wenn sie transparent arbeitet und das jeweilige Projekt auch die nötige Unterstützung genießt.
Die Zinsen, die für die Kredite gezahlt werden, bewegen sich auf Festgeld-Niveau. Für die Kredite gebenden Bürger ist das Prinzip extrem risikoarm, da Kommunen faktisch nicht Insolvenz gehen können:
Sollte die Kommune trotz aller Sicherungsmaßnahmen langfristig ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen können, so sichern bestehende Finanztransfersysteme finanzielle Zuweisungen von Bund und Ländern zur Deckung der Zahlungsverpflichtungen der Kommunen.
Spannend können solche Ansätze vor allem für gesellschaftlich relevante Vorhaben werden. Der Neu- oder Umbau einer Schule zum Beispiel. Die Bürger sind dadurch von Start weg anders mit den Vorhaben verbunden und die Gemeinden müssten anders planen und agieren, um ihre Einwohner von der Notwendigkeit zu überzeugen.
Würden Sie Ihrer Gemeinde Geld leihen?
Karlheinz aus Kreuth (Rentner):
„Nein. Auch wenn ein Projekt noch so sinnvoll ist. Die Gemeinde ist erstens keine Bank und muss außerdem mit den zur Verfügung stehenden Mitteln und dem aufgestellten Haushalt auskommen.Das Argument der Finanzierungssicherheit zählt in diesem Zusammenhang nicht für mich. Eine attraktive Rendite oder zum Beispiel die kostenlose Nutzung des Freibads oder der Busse als Gegenleistung wäre interessant. Zugleich muss die Gleichbehandlung der Bürger – egal ob man Geld gibt oder nicht – unbedingt gewährleistet sein.“
Thomas aus Bad Wiessee (Student):
„Das kommt wohl auf die Lage der Gemeinde drauf an, is ja nix anderes als eine Staatsanleihe, nur das man vielleicht als Einwohner mehr davon hat. Aber grundsätzlich wahrscheinlich schon, ich würde keine Kommune kennen, die Insolvenz angemeldet hätte.Jacqueline aus Rottach-Egern (Angestellte im Hotelgewerbe):
“Ne würde sehr wahrscheinlich nichts geben und wenn dann nicht wirklich viel!”
Noch ist das Ganze sicherlich Zukunftsmusik und auch nicht so einfach umsetzbar. Es gibt viele Fragen, die sich dadurch ergeben und die gelöst werden müssen: Bleiben die Kreditgeber anonym? Wie wird sichergestellt, dass größere Kreditgeber sich damit keine Privilegien erkaufen? Ist es besser, wenn eine Gemeinde sich nur gegenüber einer Bank rechtfertigen muss und nicht gegenüber wohlhabenderen Bürgern?
Trotz allem bieten solche Finanzierungsmöglichkeiten auch die Chance lokale Projekte zu beschleunigen und gemeinsam mit der Bevölkerung zu realisieren. Und am Ende gewinnen – zumindest in der Theorie – alle Beteiligten: Die Gemeinden durch eine niedrige Zinslast. Der Bürger durch sehr hohe Sicherheit für sein Geld und vor allem dadurch, dass er sich persönlich in die lokalen Projekte einbringen kann. Vielleicht klappts dann auch besser mit Vorhaben wie dem Seesteg.
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