Die Henne und das Ei: Busfahren im Tal

Zwischen 20.000 und 30.000 Autos fahren täglich im Tegernseer Tal. Um die Straßen zu entlasten, ist die Politik im Tal schon lange vergeblich auf der Suche nach einem einheitlichen Verkehrskonzept.

Viele fordern die Ausweitung des Busangebots, um das Angebot attraktiver zu machen. Gerade Berufstätigen aus dem Tal fehlt aber nach wie vor die Bereitschaft, die Busse der RVO zu nutzen.

Gerade berufstätige Einheimische nutzen die RVO-Busse eher selten
Gerade berufstätige Einheimische nutzen die RVO-Busse eher selten

Am Tegernsee leben viele Menschen, die auch im Tal arbeiten. Den täglichen Weg zur Arbeit legen sie mit dem eigenen Auto zurück. Dabei könnten sie auch mit dem RVO-Bus fahren. Das ist vielen jedoch zu teuer, zu umständlich oder zu unkomfortabel, wie auch die Verantwortlichen der RVO erkennen müssen. Die RVO lebt darum hauptsächlich von der Beförderung von Touristen und Schulkindern.

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Zehn Minuten Wartezeit sind vielen zu lange

„Es ist heute wirklich schwierig, Berufstätige für das Busfahren zu begeistern. Jeder hat unterschiedliche Betriebszeiten und will oft wegen zehn Minuten Wartezeit nicht auf sein Auto verzichten“, betont Andreas Päschel, Niederlassungsleiter der RVO in Tegernsee.

Auch im Tal hat es Busse speziell für Berufstätige schon einmal gegeben. Für die Schichtarbeiter in den Fabriken im Gmunder Louisental wurde ein solcher Service zum Beispiel eingerichtet. Bezahlt hatte diesen die Papierfabrik.

Doch auch dieses Angebot habe man wieder eingestellt, weil ihn zu wenige genutzt hätten, erinnert sich Päschel. Obwohl es aufgrund der einheitlichen Anfangs- und Feierabendzeiten eigentlich sinnvoll wäre. Momentan lebt die RVO daher hauptsächlich von Schülern und Touristen. Dazu kommen ein paar ältere Einheimische, die das Angebot regelmäßig nutzen.

Auch Heino Seeger, Geschäftsführer der Tegernsee Bahn, kennt die Problematik rund um den Berufsverkehr. „Trotz der hohen Benzinpreise und der laufenden Kosten durch die ständige Nutzung des Autos sind die Menschen hier im Tal noch immer nicht bereit, Kurzstrecken zur Arbeit mit dem Bus zu fahren. Hier muss ein Umdenken stattfinden“, so Seeger.

RVO testet elektronische Echtzeitanzeigen

Er sieht eine Lösung darin, das Angebot des RVO dem Bürger noch näher zu bringen. „Hier sollte auch die Informationspolitik an den Haltestellen verbessert werden, um den Menschen zu zeigen, wo sich der Bus gerade befindet und wie lange er noch braucht“, betonte Seeger vor wenigen Wochen im Miesbacher Kreistag.

Die technische Möglichkeiten für solche elektronischen Echtzeitanzeigen gibt es schon längst. In Großstädten wie München werden sie seit Jahren eingesetzt. Einzig die Anschaffungskosten sind relativ hoch. Der technische Aufwand für die Umrüstung der Busse und Haltestellen rund um den See hält sich dagegen in Grenzen.

Die Busse des RVO sind bereits heute mit GPS-Empfängern ausgestattet, die Anzeigen an den Bushäuschen können sich über Solarzellen und Pufferspeicher eigenständig mit Strom versorgen. Der RVO ist gerade dabei, die Möglichkeiten einer Einführung zu prüfen.

An Verkehrskreuzen wie dem Tegernseer Bahnhof oder besonders belebten Haltestellen könnten große Displays angebracht werden, an kleinen Haltestellen sind kleine dreizeilige Anzeigen geplant. „Gegenüber dem Tegernseer Rathaus wurde eine solcher kleiner Bildschirm bereits installiert“, so Päschel.

Gegenüber dem Tegernseer Rathaus wurde bereits eine digitale Anzeige installiert
Gegenüber dem Tegernseer Rathaus wurde bereits eine digitale Anzeige installiert

Alle Haltestellen rund um den See mit solchen Anzeigen auszustatten, würde Kosten von rund 200.000 Euro bedeuten. Rund die Hälfte davon könnte man über Zuschüsse der Regierung von Oberbayern finanzieren. Den Rest müssten die fünf Talgemeinden gemeinsam tragen. Die Fahrgäste könnten dadurch minutengenau verfolgen, wann der nächste Bus an ihrer Haltestelle ankommt.

Diese Kosten und der Aufwand dahinter ist aus Sicht der RVO ein Versuch, neben Touristen und Schulkindern auch wieder mehr berufstätige Einheimische für den öffentlichen Nahverkehr zu begeistern. Nur so könne es langfristig gelingen, die chronisch überfüllten Straßen rund um den See zu entlasten.

Gleiches Angebot für Einheimische und Touristen

Um weitere Anreize zu schaffen, wird auch eine Einheimischenkarte immer wieder ins Spiel gebracht. Der Traum einiger: die kostenlose Busnutzung. Für die Touristen gibt es ein solches Angebot schon lange. Zwar nicht rechnerisch, aber gefühlt fahren Touristen mit der TegerseeCard für rund zwei Euro Kurtaxe “umsonst”. Allein 2012 insgesamt 300.000-mal. Für Andreas Päschel gibt es indes schon heute ein vergleichbares Angebot auch für Einheimische:

Auch die Talbewohner können für 62 Euro im Monat im gesamten Tegernseer Tal die Busse nutzen.

Macht am Tag also ebenfalls rund zwei Euro. Trotzdem wird das Angebot von Talbewohnern nicht wirklich genutzt. Zum einen finden das viele zu teuer, zum anderen führen viele die unregelmäßigen Fahrzeiten als Grund an, weshalb sie weiterhin hauptsächlich auf ihr eigenes Auto setzen, um flexibel zu sein. Mit einer Taktverdichtung könnte zumindest das zweite Argument entkräftet werden. Daraus ergibt sich allerdings ein klassisches Henne-Ei-Problem.

Mehr Busse = mehr Fahrgäste?

Aus Sicht der RVO-Verantwortlichen sind mehr Busse nicht machbar, weil zu wenige den bisherigen nutzen. „Wir würden gerne im 20-Minuten-Takt fahren. Das ist aber angesichts der derzeitigen Busauslastung einfach nicht bezahlbar“, macht der Tegernseer Niederlassungsleiter klar.

Im Falle einer Taktverkürzung müsste die RVO erst mal mehr Busse einsetzen und dafür neue Fahrzeuge erwerben. Das kommt für den RVO aus oben genannten Gründen jedoch nicht in Frage. Es gibt dafür schlicht zu wenig Fahrgäste, und die bisherigen Einnahmen sind zu gering.

Im Umkehrschluss würde man mit einem verbesserten Takt aber vielleicht mehr Einwohner für das Busfahren begeistern können und so auf lange Sicht auch die entstehenden Mehrkosten wieder reinholen. Die Frage ist nur, wer dafür in Vorleistung geht und das Risiko trägt. Geht der Versuch nach hinten los, entsteht für den RVO ein enormes Defizit, welches der Landkreis ausgleichen müsste – oder die verbliebenen Fahrgäste durch weiter steigende Fahrpreise.

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