Der Falsche auf der Anklagebank

Insgesamt vier Tegernseer Handwerker soll ein 41-jähriger Rottacher zusammen mit seiner Lebensgefährtin betrogen haben. Ein Mann, der sich vom weiblichen Charme blenden ließ und am Ende doch noch mit einem blauen Auge davon kam.

Heute saß der Falsche auf der Anklagebank im Miesbacher Amtsgericht. / Archivbild

Eigentlich hätte der 41-jährige Rottacher zusammen mit seiner Lebensgefährtin heute vor Gericht erscheinen sollen. Doch die ließ sich über ihren Anwalt entschuldigen. Stattdessen bekam Richter Walter Leitner sowohl ein Sterbe-Inserat der Mutter als auch ein ärztliches Attest vorgelegt.

Ein Erscheinen sei aufgrund psychischer Belastungen, verursacht durch den Tod der Mutter, nicht möglich, so heißt es in dem vorgelegten Schreiben. So muss das Verfahren gegen die Angeklagte separat behandelt werden. Gleichzeitig erhält das Gericht ein Entschuldigungsschreiben, in dem die Angeklagte alle Schuld auf sich nimmt.

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Sie: „Alles ist bezahlbar“

So sitzt nur noch der 41-Jährige auf der Anklagebank. Neben ihm sein Anwalt Jost Hartman-Hilter. Der Vorwurf gegen den Rottacher: Zusammen mit seiner Lebensgefährtin soll er vier Tegernseer Handwerkern Zahlungswilligkeit vorgetäuscht und so um Geld betrogen haben. Der Schaden, der allein ihm zur Last gelegt wird: knapp 40.000 Euro.

Fast eine Stunde lang verliest Anwalt Hartman-Hilter ein mehrseitiges, vom Angeklagten verfasstes Schreiben, aus dem hervorgeht, dass er „dem Charme und der Liebenswürdigkeit“ einer Lügnerin und Betrügerin aufgesessen sei. Immer wieder habe sie davon gesprochen, größere Geldmengen zu besitzen, so der Angeklagte.

Sie machte den Eindruck als verdiene sie mehr als bei Lidl an der Kasse

Von Erbschaften und Geldquellen aus früheren Beziehungen sei die Rede gewesen. Auch für Aktfotos soll sie eine „ansprechende Summe“ bekommen haben. Deswegen habe er sich auch nicht gewundert, als seine Ex – als Verkäuferin angestellt – anfing, ihre neu angemietete Wohnung in Rottach-Egern umfangreich umzubauen. Dem Angeklagten gegenüber erklärt Sie, die 280.000 Euro teure Wohnung kaufen zu wollen.

Ungeachtet des Kaufinteresses wurden von der Angeklagten für Abbruch- und sanitäre Installationsarbeiten verschiedene Handwerksbetriebe beauftragt. Ihr damaliger Lebensgefährte gab bei der heutigen Verhandlung zwar zu, sie bei der Umbaumaßnahme unterstützt und ab und zu als „Bauleiter“ fungiert zu haben. Zu keinem Zeitpunkt habe er jedoch „irgendwelche Aufträge“ erteilt. Er bedauere, so der Mann, auf das „Blendverhalten“ hereingefallen zu sein.

Ich habe einen respektablen Ruf am Tegernsee. Und ich habe es nicht nötig, Handwerker zu betrügen.

Auch die Rechnungen der Handwerker habe er nie zu Gesicht bekommen, so der Angeklagte. Die habe nämlich seine Ex während seiner Abwesenheit abgefangenen und in einer Sporttasche im Keller versteckt. Erst zu einem viel späteren Zeitpunkt habe er die Tasche gefunden, betonte der 41-Jährige.

Einer der Handwerker erklärte heute vor Gericht:

Ich habe umsonst gearbeitet, Staub und Schmerztabletten geschluckt. Die Beiden haben angeschafft wie die Weltmeister.

Weil er sowohl von dem Angeklagten als auch von dessen Ex zu den jeweiligen Arbeiten beauftragt wurde, habe er auch beiden Rechnungen gestellt, so der Mann. Eine schriftliche Vereinbarung hätte es nicht gegeben. Ob er sich denn keine Gedanken gemacht habe, warum denn der Angeklagte hätte zahlen sollen, wollte der Richter wissen. Schließlich sei er weder der Mieter noch der Käufer der Wohnung gewesen. Der Handwerker zuckte mit den Schultern. Diese Gedanken habe er sich nicht gemacht.

„Der, der anschafft, bekommt die Rechnung“

Der zweite Zeuge, ebenfalls ein Handwerker, bestätigte diese Vorgehensweise: “Der, der anschafft, bekommt die Rechnung.“ Er habe die Rechnungen nur deshalb auf den Angeklagten ausgestellt, weil ihm das von seinem Inkasso-Büro so empfohlen worden sei, nachdem die Angeklagte die Rechnung nicht gezahlt hatte.

Für die Staatsanwältin war der Fall klar: „Mir scheint, als haben wir die falsche Person auf der Anklagebank sitzen.“ Der Angeklagte habe sich um den Finger wickeln lassen. Er sei der Geschädigte, so die Anklagevertreterin. Auch das Schreiben seiner ehemaligen Lebensgefährtin, in welchem sie „ihre Dummheit“ zugibt, sei glaubhaft.

Der Angeklagte hätte zudem keinen Vermögensvorteil aus der ganzen Sache ziehen können, deshalb beantragte die Staatsanwaltschaft einen Freispruch für den Rottacher. Diesen Antrag könne er nicht mehr unterbieten, so Anwalt Dr. Hartman-Hilter abschließend. Der Vorwurf reiche weder für eine Anklage noch für eine Verurteilung. Eine Überzeugung, die auch der Richter Leitner teilte und den 41-Jährige frei sprach.

Er war nie Auftraggeber, sondern immer nur der Freund der Angeklagten.

Die nächste Rolle wartet jedoch schon auf ihn. Im kommenden Verfahren wird er als Zeuge auftreten und gegen seine Ex-Freundin aussagen müssen.

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