Der Grund ist schwer vermittelbar

Seit 18 Jahren liegt das ehemalige Krankenhaus-Areal in Tegernsee brach. Interessenten kommen und gehen, Käufer verschwinden wieder, Bauträger wechseln. Als würde ein Fluch auf dem Grundstück liegen, vertreibt es jeden, der es mit ihm versuchen will.

Das ehemalige Krankenhausgelände liegt brach. Wieder sprang ein Investor ab.
Das ehemalige Krankenhausgelände liegt seit 18 Jahren brach. Nun ist wieder ein Investor abgesprungen.

Einst trug das 7.600 Quadratmeter große Grundstück in Tegernsee ein Krankenhaus auf seinem Rücken. Das einzige in Tegernsee. Bis 1998 spielte es eine wichtige Rolle in der medizinischen Versorgung im Tal. Mit Stolz fällt auch heute noch bei Talbewohnern der Satz: “Ich bin in Tegernsee geboren.”

In den frühen Jahrhunderten lag das Grundstück unter einem Klosterhospital, das 1048 von Abt Seyfried geführt wurde. 1834 errichtete der Landarzt Alois Reinhard auf ihm eine öffentliche Krankenpflegeanstalt. 1885 kam eine Augenklinik von Herzog Karl Theodor hinzu. Im Ersten Weltkrieg schulterte es schließlich eine Lazarettabteilung.

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Ein Grundstück mit Berufung?

Nach der Modernisierung im Jahr 1928 hatte das Krankenhaus erstmals medizinische Geräte wie einen Röntgenbildverstärker oder ein automatisches Narkosebeatmungsgerät. Erst 1970 kam eine Intensivstation hinzu. Bis Mitte der 90er Jahre war das Krankenhaus Anlaufstelle für alle Tegernseer.

1994 begannen die Bauarbeiten für ein modernes Krankenhaus im gut zehn Kilometer entfernten Agatharied. Es sollte der Versorgung des gesamten Landkreises Miesbach dienen und 1998 eröffnet werden. Im gleichen Jahr fiel das Krankenhaus in Tegernsee den Baggern zum Opfer. Kurios: Niemand schaffte es bisher, etwas Neues auf dem Grunstück entstehen zu lassen.

Die Interessenten…

Dabei mangelte es nie an Interessenten. 2002 hatte die Alpina Grundbesitz GmbH vor, ein Seminarhotel auf dem Gelände zu errichten. Obwohl der Bebauungsplan schon verabschiedet war, gerieten die Gespräche zwischen Stadt, Landratsamt und Investor plötzlich ins Stocken. Die Alpina Grundbesitz GmbH sprang von ihrem Investitionsvorhaben wieder ab. Über die Gründe mutmaßte man nur.

Zwei Jahre später versuchte es die Supermarktkette Lidl mit einer Filiale. Aber die Tegernseer Bürger hatten etwas dagegen. Sie protestierten – und das Projekt scheiterte.

Ein russischer Investor, die „Moskau Investment Agency“, hatte 2008 auf dem Areal die Vision eines 4-Sterne-Hotels mit 150 Betten, einigen Apartments und Büroräumen für vorwiegend Mitarbeiter russischer Unternehmen. Doch so, wie der Investor aus dem Nichts aufgetaucht war, verschwand er auch wieder.

2011 wollte die Wittelsbacher Park Immobilien GmbH aus Karlsruhe das Grundstück kaufen, um darauf ein 3-Sterne-Hotel, eine Seniorenresidenz und ebenfalls Wohnungen zu bauen. Zunächst konnte man sich auf eine prozentuale Nutzungsverteilung der geplanten Gebäude einigen: 50prozentige Hotelnutzung sowie je 25prozentige Nutzung von Seniorenresidenz und Wohnungen. Doch dann erschien der Karlsruher Firma die Hotelnutzung zu hoch angesetzt, weil nicht rentabel genug. Kurzerhand zogen auch sie ihr Angebot zurück.

Ein neuer Versuch

Bis zuletzt gehörte das Krankenhausgrundstück dem Landkreis. Die Stadt Tegernsee hatte in der Vergangenheit, wegen des Bettenschwundes in Tegernsee, auf eine 100prozentige Hotellösung gesetzt. Ein entsprechender Bebauungsplan lag bereits vor. Nachdem hier kein Erfolg zu verzeichnen war, machte die Stadt schließlich das Zugeständnis für eine 50prozentige Wohnbebauung. Im letzten Wahlkampf kam dann ein neuer Vorschlag auf den Tisch: die Stadt sollte das Grundstück zurückkaufen. Doch dann stieß Tegernsee auf die Bremer Investorengruppe, die das Grundstück kurz vor der Wahl kaufte.

Für rund fünf Millionen Euro schien der Deal perfekt. Ein Hotel samt Wohnungen sollte bis 2017 auf dem Grundstück entstehen. Mit der Bremer Residenz-Gruppe wurde in der Folge in langwierigen Verfahren ein städtebaulicher Vertrag entwickelt und notariell beurkundet. Im April 2015 wurde der Bebauungsplan abgesegnet. Doch als würde sich das Grundstück gegen alle Wohn- und Hotelpläne wehren, ist gestern auch dieser Bauträger überraschend abgesprungen. Wie berichtet übernimmt nun die planquadrat GmbH das Grundstück. Sie führt damit das Hotel- und Wohnbauprojekt des Voreigentümers weiter und muss eigentlich, als Rechtsnachfolgerin, die Bebauung und die Wohnungen entsprechend des Tegernseer Modells umsetzen.

Ob das der Fall sein wird, bleibt abzuwarten. Ein Grundstück, das seit fast zwanzig Jahren – dem boomenden Immobilienmarkt zum Trotz – unbebaut bleiben kann, will vielleicht nur eines: Entweder seine Ruhe oder seine ursprüngliche Bestimmung wiederfinden.

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