Der Tegernsee als Ökopark

Als einziger Grünen-Kandidat zog der Musiker Thomas Tomaschek vor drei Jahren in den Gemeinderat in Rottach-Egern ein. Angestupst durch seinen ehemaligen Schulfreund Wolfgang Rzehak. Wir sprachen mit ihm über seine „Minderheitsrolle“.

Thomas Tomaschek im Gespräch mit der TS. / Foto: N. Kleim

Thomas Tomaschek ist weder nur Müsli-Esser noch Ökofritze. Er ist Musiker und Saxophonist und seit 2014 als Grünen-Vertreter im Rottacher Gemeinderat. Zum Interview kam der gebürtige Tegernseer – wie sollte es anders sein – mit seinem Radl.

Herr Tomaschek, Sie sind der einzige Grünen-Kandidat im Rottacher Gemeinderat – kann man Sie überhaupt als Opposition bezeichnen?

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Thomas Tomaschek: Finde ich nicht. Der Oppositionsgedanke hat in der Kommmunalpolitik auch nicht viel zu suchen. Im Gemeinderat behandeln wir nämlich fast ausschließlich Sachthemen. Jeder Im Rat hat seine Grundsätze und Schwerpunkte. Bei mir sind die eben mehr grün als schwarz. Aber die Partei des Einzelnen sollte auf kommunaler Ebene der Politik untergeordnet sein. Charmant ist beispielsweise, wie es in Bayrischzell gehandhabt wird. Da gibt es keine Fraktionen. Ausschlaggebend bei der Wahl der Gemeinderatsmitglieder war allein die Persönlichkeit.

Warum wollten Sie in den Gemeinderat?

Politische Luft habe ich erstmals geschnuppert, als ich mich privat für den Erhalt des Gasthofs Glasl eingesetzt habe. Damals gab es Zuspruch aber auch Anfeindungen. In dieser Zeit hat mich mein ehemaliger Schulfreund Wolfgang Rzehak, inzwischen Grünen-Landrat, fragte, ob ich nicht Lust hätte, in die Kommunalpolitik einzusteigen.

Mit welchem Ziel sind Sie eingestiegen?

Mein Ziel ist es, mich für Dinge einzusetzen, die den Ort betreffen. Ich bin am Tegernsee geboren und möchte Probleme angehen, wie den zunehmenden Wegzug der Einheimischen oder die Riesenbelastung durch den Straßenverkehr. Dann möchte ich den „sanften“ Tourismus stärken.

Was verstehen Sie unter „sanftem“ Tourismus?

Wir brauchen eine Art „Entschleunigung“. Mehr Klasse statt Masse. Wenn ich sehe, dass für unsere Christkindlmärkte Werbung in Nürnberg gemacht wird, und wir deshalb tausende von Besuchern mehr zu erwarten haben, dann übersteigt das einfach unsere Kapazitäten. Je mehr Leute, desto dichter der Verkehr, desto mehr Staus, undsoweiter. Wir sollten wieder einen Schritt zurück machen und auf unsere Stärken schauen: Das Brauchtum und die Natur. Aber hier eine moderne und nachhaltige Linie finden.

Aber gehen dadurch nicht auch Touristen verloren?

Sie gehen durch die oft negative Bautätigkeit und die katastrophale Verkehrslage verloren. Das Tal darf nicht mit Autos überrannt werden. Hier sollte man „intelligent“ gegenzusteuern.

Und wie?

Indem man beispielsweise mehr auf Busse und Schiffe setzt und die Einheimischen umsonst fahren lässt. Außerdem braucht die BOB ein zweites Gleis. Schön wäre es natürlich, wenn man den Auto-Verkehr weiträumig ausgrenzen könnte. Eine Vision sind große Fußgängerzonen rund um den See, bei denen die Autos größtenteils ausgesperrt sind. Eine Art Ökopark – das wäre eine Sensation.

Man hört und liest eigentlich nicht viel aus Rottach. Warum eigentlich?

Wir sind ein guter, harmonischer Gemeinderat und stimmen über Parteigrenzen hinweg ab. Wenn eine Idee gut ist, ist sie gut. Auch wenn sie von einer anderen Partei kommt – daran sollten die in München und Berlin auch mal denken. Wir gehen respektvoll miteinander um und sind generell auf einem Nenner.

Sie wollen behaupten, es gibt nie Differenzen? Nie Zoff?

Natürlich gibt es die. Aber selbst, wenn wir unterschiedlicher Meinung sind, ist die Stimmung immer noch gut und sachlich. Ich glaube, sonst hätte ich Bauchschmerzen. Man darf nicht vergessen: Wir sitzen alle ehrenamtlich im Gemeinderat und opfern viel Zeit und Nerven. Selten haben wir eine 9:12 Abstimmung. Unsere Ergebnisse sind meistens eindeutig.

Bürgermeister Christian Köck ist bei der CSU. Verfolgt er da nicht eine völlig andere Linie?

Unser Bürgermeister ist mit Leib und Seele Christdemokrat. Korrekt. Viele Themen im Gemeinderat versucht er aber, überparteilich anzupacken. Er behandelt jeden gleich. Jeder hat die Chance, sich einzubringen. Sein Führungsstil ist eher demokratisch.

Sie sind im Finanzausschuss. Schlagen nicht zwei Herzen in Ihrer Brust, wenn die Gemeinde auf der einen Seite hohe Steuereinnahmen durch Grundstücksverkäufe hat (siehe Grunderwerbssteuer), auf der anderen Seite aber Flächen erhalten will? Ist das nicht ein Widerspruch zu Ihrer Ideologie?

Rottach verdient zwar an der Grunderwerbssteuer, aber eine Motivation, dies als Einnahmequelle zu forcieren, gibt es nicht! Wir sind ja eher froh, wenn nichts verkauft wird und versuchen die Bebauung in Grenzen zu halten.

Und wie?

Indem wir unsere Gestaltungssatzung anwenden, Bebauungspläne aufstellen und jeden Einzelfall genau betrachten, vor allem bei Bauträgern, die Grundstücke nur zur Gewinnmaximierung nutzen. Da muss man streng sein! Bei Einheimischen kann man dann gerne kulanter sein, wenn`s nach mir ginge. Aber Gesetz ist Gesetz – da sieht man den Konflikt.

Die Bauerei ist allerdings ein verantwortungsvolles Thema. Hier muss man den Spagat zwischen Baurecht und Grundstückserhalt hinbekommen. Das ist oft nicht einfach und funktioniert nur über planerische Vorgaben.

Oft sieht es aber so aus, als ob der Gemeinderat Projekte einfach nur durchwinkt…

Der Bürgermeister (Christian Köck) verhandelt oft mit Bauträgern und sucht einen Kompromiss. Um jeden Zentimeter wird da gerungen. Manchmal scheitern wir, da haben Sie recht. Doch eins ist klar: Je dichter besiedelt der Ort wird, desto mehr verändert er sich auch. Dann ist auch der Tourismus-Ast abgesägt, auf dem wir sitzen.

Besteht überhaupt eine Chance, die Bauwut einzudämmen?

Ich denke, irgendwann reguliert sie sich von selbst. Nämlich dann, wenn es nichts mehr gibt. Der Trend geht dahin, dass Grundstücke geteilt und verdichtet werden. Begünstigt wurde das Ganze ja unter Stoiber und seinem veränderten Baugesetz – da ist eine Verdichtung ausdrücklich erwünscht. Die Gemeinden bräuchten die Hoheit zurück, in Bauentscheidungen das letzte Wort zu haben.

Sie glauben, das ist gewollt? Ich denke da an die Handwerker und Makler, die von der jetzigen Situation profitieren…

Richtig, da steckt eine ganze Lobby dahinter. Sie sehen, wie komplex und schwierig das Thema ist.

Welche Themen geht Rottach als nächstes an?

Wir wollen den Energienutzungsplan auf den Weg bringen und die entsprechende Förderung dafür beantragen. Wir müssen die Infrastruktur erhalten und haben ja in den vergangenen Jahren schon einiges geschafft. Man denke an das neue Seeeforum, Turnhalle, Tiefgarage, den Bauhof und das sehr schön gewordenen Gebiet bei den Gsotthaber Stubn.

Aber es geht weiter: Die Sanierung der Gemeindehäuser und Wohnraum für Einheimische – auch das sind wichtige Themen, die Schritt für Schritt angegangen werden müssen. Und der Neubau der Volksschule wird eine große Geschichte werden. Die Planung für ein neues Lernkonzept mit freien Räumen ist inzwischen abgeschlossen.

Die Gemeinde Rottach ist ein Riesenunternehmen mit knapp 16 Millionen Euro im Haushalt. Der Begriff „Geldsorgen“ müsste für Sie eigentlich ein Fremdwort sein…

(lacht) Ja, unser Ort steht finanziell nicht schlecht da. Wir haben ein schönes Seeufer, ein ebenso schönes Warmbad, attraktive Geschäfte und eine Bebauung, die zusammenpasst. Und noch sind wir nicht mit Leuchtreklame zugepflastert. Dieses gilt es zu erhalten. Mit allen, auch finanziellen, Mitteln. Genau deswegen kommen ja die Leute auch. Weil’s einfach schee ist.

Vielen Dank für das Gespräch.

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