Ein Neubau des Schuhmacher-Wehrs ist im Gespräch. Die Vereinigung „Rettet den Tegernsee“ ist strikt gegen den Neubau und hat die Gründe gestern Abend nochmals dargelegt.
Spätestens seit dem verheerenden Hochwasser vor fast genau einem Jahr haben Bürger und Politik erfahren müssen, wie schnell rund um den Tegernsee große Teile unter Wasser stehen können. Wenige Wochen später schlossen sich zahlreiche Talbewohner unter Führung des Tegernseers Andreas Scherzer zum Aktionsbündnis Tegernseer Gegenwehr zusammen. Mittlerweile heißt das Bündnis „Rettet den Tegernsee“.
Die Vereinigung mit 125 Mitgliedern hat sich – wie der Name schon sagt – die Rettung des Tegernsees auf die Fahnen geschrieben. Sie sind vor allem gegen den geplanten Neubau des Schuhmacher-Wehrs in Gmund. Mit Hilfe der Staustufe soll der Tegernsee im Hochwasserfall als Rückhaltebecken genutzt werden, um die Unterlieger der Mangfall im Raum Rosenheim zu schützen. So befürchten es die Wehr-Gegner.
Das Wasserwirtschaftsamt Rosenheim hat das indes bereits mehrfach bestritten und betont, den Tegernsee nicht als Rückhaltebecken verwenden zu wollen. Das hatte Leiter Paul Geisenhofer im August im TS-Interview klar gemacht.
„Causa Tegernsee“ auch Aigner bekannt
Gestern Abend lud der Verein „Rettet den Tegernsee“ nun zur Infoveranstaltung ins Rottacher Seeforum. Rund 150 interessierte Gäste kamen. Unter den Anwesenden befanden sich die Tal-Bürgermeister, einige Gemeinderäte, viele Vereinsmitglieder und zahlreiche interessierte Bewohner des Tegernseer Tals, die alle das letztjährige Jahrhunderthochwasser noch sehr gut in Erinnerung hatten.
Scherzer stellte gleich zu Beginn die Ergebnisse des Runden Tischs im Bayerischen Landtag vor, die am 15. Mai mit Wirtschaftsministerin Ilse Aigner, Umweltminister Marcel Huber sowie dem Leiter des Wasserwirtschaftsamts Rosenheim, Paul Geisenhofer, diskutiert worden waren. „Es waren sehr konstruktive Gespräche. Die Zahlen und Fakten wurden erörtert, das Anliegen Hochwasserschutz am Tegernsee liegt nun auch an oberster Stelle vor“, so Scherzer gestern Abend. Mit am Tisch bei dem Gespräch im Landtag hatte auch der Wiesseer Yacht-Club-Vorstand Peter Kathan gesessen. Er präsentierte die Forderungen des Aktionsbündnisses gestern Abend im Rottacher Seeforum:
Unser oberstes Ziel ist nach wie vor ein Hochwasserschutz-Konzept für den gesamten Tegernsee. Dabei sollten erstmal Möglichkeiten wie die Senkung des mittleren Seewasserspiegels um zehn Zentimeter auf 725,28 m über N.N., das Ausbaggern der Mangfall und der Zuflüsse und die Schaffung zusätzlicher Polderflächen in Betracht gezogen werden, bevor Unmengen an Steuergeldern für den Bau eines neuen, überdimensionierten Wehrs ausgegeben werden.
Das bereits bestehende alte Schuhmacher-Wehr war bereits 1899 erbaut worden. Es verfügt über eine bewegliche Klappe mit manueller Bedienung, die einen Aufstau bewirkt und eine Ableitung in den Kanal zum Kraftwerk der Büttenpapierfabrik Gmund ermöglicht. Das Brett hat eine Höhe von 32 Zentimetern und ist im Normalbetrieb aufgestellt. Im Hochwasserfall wird die Klappe manuell vollständig umgelegt.
Gegen das neue Schuhmacher-Wehr
Der Plan des Wasserwirtschaftsamts Rosenheim sieht nun den Abriss der bestehenden Wehranlage und den Neubau des Schuhmacher-Wehrs vor, verbunden mit der Vertiefung des Mangfall-Flussbetts. Die neue Wehranlage aus Beton mit kombinierten mechanischen Teilen (zwei Wehrschütze mit je einer 32 cm hohen, auch im Hochwasserfall steuerbaren Aufsatzklappe). Das neue Wehr würde zudem deutlich länger, breiter und höher als die bisherige Anlage werden.
„Derzeit liegt kein klares und verbindliches Steuerungskonzept für die neue Wehranlage vor. Wir wissen nicht, ab welchem Pegelstand eine Absenkung erfolgen würde“, betonte Kathan. Auf diese Frage forderte er gestern erneut Antworten von Seiten des Wasserwirtschaftsamts. Zudem sprach er sich gegen die geplante Reduzierung der Leistungsfähigkeit des Abflusses des Tegernsees aus.
Durch die Zunahme der versiegelten Flächen im Tegernseer Tal durch Neubauten, Straßen und Parkplätze ist die Hochwassergefahr bei langanhaltenden Regenfällen in den vergangenen Jahren gestiegen. Zudem wurden die Weissach und die Rottach begradigt und ausgebaut, so dass die Wassermengen schneller in den See fließen als in der Vergangenheit.
Um den Abfluss des Wassers aus dem See zu begünstigen, schlug Kathan die Beseitigung der alten Brückenreste in der Mangfall bei Gmund und die regelmäßige Entnahme des Geschiebes in der Mangfall und den Zuläufen des Sees vor. Wichtig ist laut Kathan auch ein klares und verbindliches Konzept, mit dem es künftig möglich ist, früher Wasser über die Mangfall aus dem Tegernsee abzulassen. „Allein diese Maßnahme kann den Seepegel erheblich verringern und den Tegernsee-Bewohnern Schäden ersparen“, betonte der Vorstand des Wiesseer Yacht Clubs weiter. Er schlug daher einen Feldversuch rund um das derzeitige Wehr vor.
So soll durch das zeitweise Legen des derzeitigen Staubretts getestet werden, wie viel Wasser unter Normalbedingungen dort abfließt, um dann auch Richtwerte für ein Hochwasserszenario zu ermitteln. „Die Verordnungen, ab wann das Wehr geöffnet wird, basieren auf dem Jahr 1974. Seitdem hat sich einiges getan, hier brauchen wir neue Richtwerte“, forderte Christoph Netta, ebenfalls Mitglied des Bündnisses „Rettet den Tegernsee“.
Nach dem Vortrag Kathans legte der Limnologe Prof. Dr. Arnulf Melzer ein Gutachten dar, das die Auswirkungen des geplanten Wehrs auf Flora und Fauna am Tegernsee aufzeigte. Es offenbarte eine mögliche Schwächung bis hin zu einer Schädigung der bestehenden Schilfbestände samt ökologischer Folgeschäden.
„Durch das neue Wehr und die damit verbundene zeitweise Aufstockung des Seepegels wird ein großer Teil der Schilfflächen überschwemmt und somit zerstört“, so die Befürchtung von Prof. Melzer. Verschwindet das Schilf, verschwindet auch wichtiger Lebensraum für zahlreiche Kleinfischarten. Da diese wiederum größeren Fischen als Nahrung dienen, könnte das Verschwinden der Kleinstfische gravierende Auswirkungen auf den Fischbestand des Tegernsees haben, so die Meinung des Experten.
Hochwasser eine Gefahr für die Wirtschaftskraft
Welche Auswirkungen ein Hochwasser auf die Anlieger selbst und den gesamten Wirtschaftsraum Tegernsee haben kann, versuchte Maximilian Manzenrieder, Direktor des Hotel Egerner Höfe, deutlich zu machen: „Allein unser Hotel hatte einen Schaden von rund 300.000 Euro. Wäre der Wasserpegel nur geringfügig höher ausgefallen, wären die gesamten technischen Einrichtungen des Hotels wohl zerstört worden. Dann hätte der Schaden rund sechs Millionen ausgemacht und wir hätten mehrere Monate zusperren müssen“, schilderte Manzenrieder die bedrohliche Lage im vergangenen Jahr.
Laut Berechnungen des Hoteliers gibt jeder Gast der Egerner Höfe im Schnitt 100 Euro pro Tag in den Betrieben rund um den See aus. Bleibt dieser Verdienst aus, weil große Hotels wegen Hochwasserschäden mehrere Monate geschlossen bleiben müssen, wirkt sich das massiv auf die Wirtschaft am Tegernsee aus. „Nach Rücksprache mit Betroffenen und Versicherungen gehen wir mittlerweile von einem Gesamtschaden von 25 Millionen Euro aus, der durch das Jahrhunderthochwasser im Juni 2013 entstanden ist. Das darf sich nicht wiederholen“, meinte auch Andreas Scherzer.
Verein sucht Schulterschluss mit Bürgermeistern
Gleichwohl war sich auch Scherzer bewusst: „Das nächste Hochwasser kommt bestimmt, wir müssen aber besser darauf vorbereitet sein. Aus diesem Grund wollen er und die Initiative weiter an das Wasserwirtschaftsamt herantreten, um noch immer offene Fragen zu klären und um für den geplanten Feldversuch zu werben. „Wir kommunizieren jetzt auf Augenhöhe und werden ernst genommen. Weitere Treffen sind geplant“, betonte Scherzer.
Darüber hinaus warb er auch für eine engere Zusammenarbeit mit den Talbürgermeistern. Hier war es vor allem nach einer hitzigen Infoveranstaltung im vergangenen August zu Unstimmigkeiten gekommen. Nach einer Flugblattaktion des Vereins hatten die Bürgermeister schließlich die Zusammenarbeit vorübergehend aufgekündigt. Beim gestrigen Infoabend waren jedoch alle fünf Rathauschefs vertreten. Dass die Dissonanzen aber noch immer nicht ganz aus der Welt sind, unterstrich der Gmunder Bürgermeister Georg von Preysing: „Wir haben eigentlich alle ein gemeinsames Ziel. Trotzdem gibt es noch Abstimmungsschwierigkeiten. Die Veranstaltung heute Abend wurde anberaumt, ohne mit uns über den Termin zu sprechen. Auch von dem Treffen im Landtag hatten wir keine Kenntnis,“ so Preysing.
Er forderte daher, dass die bekundete Zusammenarbeit kein bloßes Lippenbekenntnis des Vereins sein dürfe. Sein Pendant aus Bad Wiessee, Peter Höß, bezeichnete den gestrigen Abend indes als sehr wichtigen Schritt und dankte dem Aktionsbündnis für die sehr sachliche Präsentation. „Wir werden das gemeinsam schon schaffen“, erklärte Höß abschließend. Denn für alle Beteiligten war klar: „Der Tegernsee muss so schön bleiben, wie er ist.“
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