“Wie kann ich eine Gemeinde vernünftig führen, wenn ich am Bettelstab hänge?”

Die Gewerbefläche am Brunnenweg in Waakirchen soll erweitert werden. Im Norden plant die Gemeinde einen Bahnhaltepunkt, im Süden will sie Platz für große Fertigungshallen schaffen. Die Bürger hatten die Möglichkeit, Einwände zu äußern. Das taten es – und der Bürgermeister „tobt“.

Waakirchens Bürgermeister Sepp Hartl kämpft für seine Gemeinde.
Waakirchens Bürgermeister Sepp Hartl will seine Gemeinde “vernünftig” führen.

Mehrheitlich stimmte der Gemeinderat im Oktober des vergangenen Jahres für eine Herausnahme der Gewerbefläche am Brunnenweg aus dem Landschaftsschutzgebiet. Damit sollte zum einen das Gewerbegebiet vergrößert werden, zum anderen wollte man die Firma Biolink dazu bewegen, ihre Abwanderungspläne nach Bad Tölz aufzugeben.

Doch Biolink kehrte Waakirchen den Rücken zu, und die Gemeinde stieg in die Detailplanung ein. Im Norden ist nun einen Bahnhaltepunkt vorgesehen, im Süden will man Platz für große Fertigungshallen schaffen, und ein Hag soll das Gebiet abgrenzen. Bürgermeister Sepp Hartl (FWG) war empört, über die Bedenken einiger Anwohner, das Gewerbegebiet am Brunnenweg zu erweitern:

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Wie kann ich eine Gemeinde vernünftig führen, wenn ich am Bettelstab hänge?

Nur durch den immensen Anstieg der Gewerbesteuereinnahmen habe die Gemeinde in den letzten acht Jahren Investitionen tätigen können, die allen Bürgern und Bürgerinnen zugute kamen, sagt Hartl und fügt hinzu: „Ich kann nicht nachvollziehen, wie man fünf Hektar beanstandet.“

Einige Anlieger hatten eine Unterschriftenaktion gestartet und in einem Schreiben Bedenken gegen die gesamte Planung geäußert. Emission, Lärm, Abgase – so lauteten die Befürchtungen der Initiative. Eva Vogel, eine der Unterzeichnerin, betreibt eine Gärtnerei, die ungefähr vier Meter vom Gewerbegebiet entfernt liegt. Sie nimmt an, dass die geplanten Fertigungshallen so groß sind, dass sie Schatten werfen.

Waakirchen als Wirtschaftsstandort

Doch dafür zeigt Bürgermeister Sepp Hartl kein Verständnis. „Wir hatten die einmalige Chance, ein Gewerbegebiet zu vergrößern. Wer sich mit Gemeindepolitik befasst, der weiß, wir leben hier sehr gut. Dies ist aber nur durch die Gewerbesteuereinnahmen möglich.“ Ein Kampf sei es gewesen, diese zusammenhängende Fläche aus dem Landschaftsschutzgebiet herauszunehmen. Und er fährt fort:

Wir müssen wachsen und Arbeitsplätze schaffen, damit wir Geld für unsere Straßen, Krippen, Kindergärten und Schulen haben. Ansonsten können wir den Standard für das Gemeinwohl nicht aufrecht erhalten.

Dr. Robert Englmann (CSU) bat darum, nicht emotional zu werden: „Wir sollten diesen `demokratischen Vorgang` nüchterner betrachten. Die Bürger haben nun einmal die Möglichkeit, sich einzubringen. Das sind alles sachliche, kritische Erwägungen, die vorgebracht werden.“

Andere private Grundstückseigentümer, vertreten durch Marianne Obermüller, sind gegen die geplante Bahnhaltestelle. In einem Schreiben an die Gemeinde weist die Initiative darauf hin, die Haltestelle würde sich zu weit außerhalb von Marienstein und Häuserdörfl befinden, so dass man dort keinen Vorteil von einer solchen Anbindung hätte.

Außerdem wäre die neue Haltestelle nur 1,7 km von Schaftlach entfernt, die man ebenso gut nutzen könne. Grundschüler beispielsweise hätten erst ab zwei Kilometern ein Beförderungsrecht. Ob sich die Gemeinde das denn leisten könne, fragte man schriftlich an.

Gemeinde „schaut voraus“

Rudi Reber sagt dazu: Ziel sei es gewesen, das Gewerbegebiet attraktiv zu gestalten, deshalb habe man die Haltestelle eingeplant. Gerade für Pendler sei eine flexible An- und Abreise wichtig, betonte er. Bürgermeister Sepp Hartl unterstützt die Aussage erklärt, dass dies eine „vorausschauende Aktion“ gewesen sei.

Einwände kamen auch von der Regierung von Oberbayern. In einem Schreiben verwies man auf die „besondere Bedeutung“ der Fläche. Sofern man beim Bau Rücksicht auf die Landschaft nehme, hätte sie allerdings keine Bedenken. Ausgeschlossen werden solle auf alle Fälle eine Verkaufsfläche von über 500 Quadratmetern und das Vorhaben, Flächen an Einzelhändler abzugeben. Einstimmig befürwortet der Gemeinderat den Einwand.

Naturschutzbehörde besteht auf Ausgleichsflächen

Ein weiterer Einwand kam von der Unteren Naturschutzbehörde. Sie besteht darauf, dass mit Beginn der ersten Baumaßnahme Ausgleichsflächen geschaffen werden müssten. Das artenreiche Grünland und der Gehölzbestand sollen ebenfalls erhalten bleiben. Auch diesen Einwand befürwortet der Gemeinderat einstimmig.

Nach Kenntnisnahme und Berücksichtigung aller Einwände wird der Bebauungsplan nun erneut öffentlich ausgelegt. Eine erneute Stellungnahme ist möglich. Und so sieht die geplante Erweiterung im Norden und Süden (jeweils rot umrandet) aus:

Die geplante Erweiterung der Gewerbefläche ist im Norden und Süden rot umrandet.
Die geplante Erweiterung der Gewerbefläche ist im Norden und Süden rot umrandet.

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