Deutsche rüsten rasant auf

Wie berichtet, haben im Landkreis Miesbach allein im Januar mehr als 100 Bürger den kleinen Waffenschein beantragt – doppelt so viele wie im ganzen Jahr zuvor. Eine ähnliche Aufrüstung zieht sich jedoch durch das ganze Land. Nach Recherchen der Holzkirchner Stimme wurden Ende Januar bundesweit 300.900 kleine Waffenscheine registriert, alleine 15.000 mehr nach den Sylvester-Übergriffen in Köln.

Der kleine Waffenschein ist groß im Kommen - auch die Bürger im Landkreis rüsten auf / Quelle: dpa
Der kleine Waffenschein ist groß im Kommen – auch die Bürger im Landkreis rüsten auf / Quelle: dpa

Die „abartige Entwicklung“, so ein Waffenexperte, macht deutschlandweit Schule. Die Bürger versuchen offenbar, ihr subjektives Gefühl von Sicherheit zu erhöhen, indem neben Pfefferspray vermehrt auch zu Gas-, Schreckschuss- und Signalwaffen gegriffen wird, deren Erwerb zunächst ab 18 Jahren frei ist. Mitgeführt werden dürfen sie aber nur mit der entsprechenden Erlaubnis durch das Landratsamt.

Die Ausstellung des kleinen Waffenscheines erfolgt dabei nach § 10 Abs. 4 Satz 4 Waffengesetz (WaffG) und berechtigt zum Führen von Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen. Der Besitz dieser Art von Waffen ist erlaubnisfrei. Offenbar machen viele Bürger Gebrauch davon. “Derzeit sind rund 300.900 kleine Waffenscheine im Nationalen Waffenregister (NWR) gespeichert (Stand Januar 2016)“, teilt Claudia Talaska als Pressesprecherin des NWR in Bonn auf Nachfrage mit. Anfang Januar waren es noch 285.900 registrierte kleine Waffenscheine.

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Allerdings gibt Talaska zu bedenken: „Wir können nicht bestätigen, ob die im Vergleich erkennbare Steigerung der einzelnen Zahlen auf einem tatsächlichen Anwachsen bei der Erteilung von solchen Erlaubnissen beruht oder dies ihren Grund in der noch andauernden Datenbereinigung hat“.

„Schreckschusswaffen geben nur Scheinsicherheit“

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hingegen sieht hier eine zunehmende Nachfrage nach Waffen. Peter Schall, Landesvorsitzender in Bayern:

Die GdP betrachtet diese Entwicklung mit Sorge, denn zum einen geben diese Waffen eine Scheinsicherheit, vor allem aber kommt es immer wieder zu polizeilichen Einsätzen, weil entweder der Waffenträger selbst mit dem Teil in der Öffentlichkeit hantiert − oft auch unter Alkohol stehend − oder weil die Waffe zufällig von einem Dritten gesehen wird, weil sie zum Beispiel unter der Jacke in einem Holster getragen wird.

Bei der Polizei gehe man zunächst von einer scharfen Waffe aus, was dann im Einzelfall zu einem Missverständnis und polizeilichem Schusswaffengebrauch führen kann. Dabei betonet Schall, dass ein mit einer scharfen Waffe bewaffneter Straftäter in so einem Fall “aufgrund einer solchen Anscheinswaffe” die Situation weiter eskalierten kann. “Hier kann man wirklich nur appellieren, das Teil zu Hause zu lassen, da nie ganz absehbar ist, ob nicht doch ein Außenstehender die vermutliche Waffe bemerkt und die Polizei alarmiert“.

Bundesweite Analysen zur verstärkten Nachfrage nach dem kleinen Waffenschein gibt es nicht, aber Aussagen, die eine deutliche Sprache sprechen. Nochmals Peter Schall: „Vielleicht fühlen sich die Menschen wegen der vielen Flüchtlinge nicht mehr so sicher. Vielleicht liegt es aber auch an den steigenden Einbruchszahlen.“ Der Sprecher des Verbands Deutscher Büchsenmacher und Waffenfachhändler vermutet: „Das sind oft Leute, die schon länger eine Schreckschusswaffe haben und diese nun mit sich führen wollen.“

Tipps der Polizei

Doch Einigkeit besteht, dass täuschend echt aussehende Schreckschusspistolen Situationen eskalieren lassen könnten. Denn die Waffen könnten die Menschen in Sicherheit wiegen und im Umgang damit leichtsinnig machen. Die Experten der Münchner Polizei dagegen empfehlen keine „Bewaffnung“, sondern:

  • Nachts beleuchtete Wege nutzen,
  • in Gruppen unterwegs sein,
  • Aufmerksam sein – sich also nicht vom Handy oder Musik vom Kopfhörer ablenken lassen,
  • sich Know-How im Selbstverteidigungskurs aneignen,
  • Angreifer heftig gegen das Schienbein treten oder mit der flachen Hand ins Gesicht schlagen,
  • durch Schreien oder eine für den Notfall mitgeführte Trillerpfeife Aufmerksamkeit erregen und Hilfe holen

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