Transparenz bleibt in Rottach-Egern auch weiterhin ein Fremdwort – zumindest was die Live-Übertragung von Gemeinderatssitzungen angeht.
Karl Gohlke, seines Zeichens Rottacher Bürger, hatte in einer E-Mail an Bürgermeister Franz Hafner um eine solche Übertragung gebeten, da es seiner Meinung nach vielen Menschen aus zeitlichen Gründen verwehrt bleibt, ihr Grundrecht der politischen Teilhabe wahrzunehmen. Der Gemeinderat lehnte jedoch ab. Zu teuer, zu aufwändig, zu transparent.
Auf die Idee gekommen sei Gohlke laut eigener Aussage durch andere Gemeinden in Bayern. In seiner Stellungnahme verweist er dabei auf Städte wie Pfaffenhofen und Passau, in denen die Live-Übertragung der Stadtratssitzungen bereits seit geraumer Zeit praktiziert werde.
Mittlerweile hat sich diese Möglichkeit der demokratischen Teilhabe etabliert. Ich sehe keinen sachlichen Grund, warum dies nicht ebenfalls bei uns realisierbar sein soll.
Laut neuester Rechtslage ist in Bezug auf die Gemindeordnung zumindest das Argument der Persönlichkeitsrechte der Gemeinderäte nicht mehr gültig. Diese steht nämlich hinter ihrem öffentlichen Mandat zurück. Damit fällt eines der Hauptkritikpunkte aus der Vergangenheit weg.
Zur Rechenschaft ziehen
So war einigen Gemeinderäten offenbar auch daran gelegen andere sachlichen Argumente zu finden um den Antrag abzulehnen. Auch Bürgermeister Franz Hafner stellte gleich von Beginn an klar, dass er gegen eine Aufzeichnung und Archivierung der Sitzungen ist, mit zum Teil interessanten Argumenten:
Es kann nicht sein, dass jemand nach zehn Jahren für etwas zur Rechenschaft gezogen wird, was er hier mal gesagt hat.
Anders sehe die Sache vielleicht mit der Möglichkeit eines Livestreams aus. „Der ist, so wurde mir zumindest gesagt, nach der Übertragung weg“, erklärte der Rathaus-Chef. „Allerdings nur solange ihn niemand daheim aufzeichnet“, so der Einwand, den gleich mehrere Gemeinderäte parat hatten. Diese Möglichkeit bestehe nämlich durchaus und sei technisch auch nicht schwer umsetzbar.
12.000 Euro pro Jahr
Ein weiterer Punkt sei laut Hafner, dass nach Rücksprache mit der Stadt Pfaffenhofen deutlich geworden sei, dass die Live Übertragung keineswegs so billig sei wie Gohlke in seinem Appell an den Gemeinderat behauptet. Dort schätzte der Rottacher aufgrund der “Digitalisierung unserer Welt” die Kosten nämlich als eher gering ein. „Die Stadt Pfaffenhofen bezahlt aber ohne die Anschaffungskosten 12.000 Euro im Jahr, um die Liveübertragung zu betreiben. Und das ist noch billig, wie sie mir versichert haben“, teilte Hafner mit.
Zudem sieht der Rottacher Bürgermeister auch ein großes Problem bei der technischen Umsetzung. Der Gemeinderatssaal sei sowieso schon seit langem ein Sorgenkind der Gemeinde. Wenn der jetzt noch an die technische Neuerung angepasst werden müsse, „dann Gnade uns Gott“.
Insgesamt schätzt die Mehrheit des Gemeinderates das Interesse der Bürger an den Sitzungen überhaupt als sehr gering ein. Dabei nahmen sie auch wieder Bezug auf die Zahlen aus Pfaffenhofen: “Bei 24.000 Einwohnern schauen sich den Livestream in der Spitze nur 800 Leute an”, erklärte der zweite Bürgermeister Hermann Ulbricht (FWG).
Das mangelnde Interesse sehe man vor allem aber auch daran, dass zu den Sitzungen in Rottach meist nur wenige Zuschauer kommen würden. Dementsprechend wurde der Antrag Gohlkes dann auch einstimmig abgelehnt.
Kompromissvorschlag mit 9:9 abgelehnt
Als Kompromissvorschlag schlug Ulbricht dann jedoch vor, eine andere Maßnahme aus Pfaffenhofen zu übernehmen. „Die stellen nämlich zu der Sitzungseinladung auch die umfassenden Informationen zur Verfügung, die bei uns nur die Gemeinderäte vorabbekommen“, so Ulbricht.
Eine Lösung, die im Gemeinderat durchaus mehr Anklang fand. Doch Christian Köck (CSU) sprach sich dagegen aus. „Ich will nicht dass Themen schon totgeredet werden, bevor die hier überhaupt beschlossen wurden“, so Köcks Überzeugung, der gleichzeitig die Beweggründe für seine grundsätzliche Ablehnung von Transparenz aufzeigte:
Heutzutage gibt es immer den Wahn alles transparent zu machen und zwar mit Gewalt. Ich finde nicht, dass wir dem immer folgen sollten. Wer sich wirklich informieren will, der hat auch jetzt schon ausreichend Möglichkeiten
Was genau Köck mit seinem Argument meint, ist dagegen offen. Zumindest die skizzierte Möglichkeit sich als Bürger vorab umfassend zu informieren, stellt sich heutzutage als schwierig bis unmöglich dar. Anfragen an die Gemeinde zu den Tagesordnungspunkten der nächsten Gemeinderatssitzung werden gerne mit dem Hinweis “Das wird alles in der nächsten Sitzung besprochen” abgetan.
Die anschließende Abstimmung spiegelte jedoch auch die unterschiedlichen Meinungen der Räte zu dem kontroversen Thema wider. Der Antrag wurde mit einem Stimmenverhältnis von neun zu neun abgelehnt.
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