Die Fratze häuslicher Gewalt

Als das Thema häusliche Gewalt im Kreistag zur Sprache kam und die Dimension im Landkreis bekannt wurde, waren viele Kreisräte über das Ausmaß entsetzt.

70 Fälle von häuslicher Gewalt sind im Landkreis Miesbach aktenkundig. Die Dunkelziffer ist größer.
70 Fälle von häuslicher Gewalt sind im Landkreis Miesbach aktenkundig. Die Dunkelziffer ist größer.

Zunächst stellte Andreas Untergruber, Leiter des Weißen Rings in Miesbach, dessen Arbeit vor. „Wir sind ihr lokaler Ansprechpartner in Sachen Kriminalitätsprävention und Opferhilfe“. Der Weiße Ring verstehe sich als Anlaufstelle für Opfer. „Nicht jeder will gleich zur Polizei gehen, wir aber können die Opfer dabei begleiten“. Ihr Motto sei: Helfen, Beraten, Vorbeugen. Der menschliche Beistand sei das Allerwichtigste.

Man biete auch erste juristische Beratungen an, weil die Opfer vielmals Angst vor den Kosten eines Anwalts hätten. Diese würde man in bestimmten Fällen übernehmen. „Wir bieten auch finanzielle Soforthilfen, denn manche Frauen mit Kind wissen nicht, wie sie die nächste Woche überstehen sollen“, so Untergruber. Damit war er beim Anliegen des Weißen Rings, die häusliche Gewalt im Landkreis öffentlich zu machen:

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In Bayern waren es im vergangenen Jahr 19.000 Fälle, in Oberbayern Süd 1.500 und im Landkreis Miesbach 70 Fälle von häuslicher Gewalt, die angezeigt wurden.

Davon ging im Landkreis Miesbach in 80 Prozent der Fälle die Gewalt von Männern aus. “Die Dunkelziffer, das ist bekannt, ist bei Gewalt gegenüber Frauen natürlich weitaus größer“, schilderte Manfred Jahn, Sprecher des Forums „Häusliche Gewalt“, die bedrückende Lage.

Dahinter verberge sich psychische und physische Gewalt innerhalb der Lebensgemeinschaften. Psychische Gewalt sei zum Beispiel Stalking, das Nachstellen und Auflauern ehemaliger Partner, die massiven Druck und Telefonterror ausgesetzt seien.

„Überlastete Frauenhäuser“

Andere Ausformungen seien Beleidigungen bis hin zur Freiheitsberaubung. Körperliche Gewalt reiche bis zur Vergewaltigung. „Weitere Leidtragende sind die Kinder, die mitbekommen, wenn die Mama am nächsten Tag weint und Angst hat, wenn der Papa wiederkommt“, referierte Jahn. Oft werde dann auch eine Traumatisierung der Kinder beobachtet. “Die Kinder leiden immer mit und wenn sie dann groß sind, haben sie oft selbst psychische Probleme“.

Landrat Wolfgang Rzehak (Grüne) beklagte, dass es früher noch hieß, das Opfer wird schon selbst Schuld haben. Für ihn stehe viel zu oft der Täter im Mittelpunkt, weniger das Opfer. Ein weiteres Problem sei, hieß es im Kreistag, dass die Frauenhäuser völlig überlastet seien und man selten betroffenen Frauen auf Dauer ein Dach über dem Kopf bieten könne, da die Wohnungsnot das Hauptproblem sei.

Der derzeitige Zustand kann auf Dauer so nicht bleiben.

„Wichtig ist, dass wir dafür auch ein Bewusstsein in der Öffentlichkeit schaffen“, erklärte SPD-Fraktionssprecher Martin Walch. Bei häuslicher Gewalt erlebe er als Anwalt immer wieder, dass die Frauen große Probleme haben, sich anderen anzuvertrauen. „Gewalt hat in Familien nichts zu suchen. Oft tragen die Opfer auch ein Schuldgefühl mit sich, da sie glauben, sie würden eine Mitschuld an der Situation haben“, so Walch. Häusliche Gewalt habe viele Gesichter.

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