“Die Inflation auffangen – das ist eine echte Herausforderung”

Corona-Lockdown, Ukraine-Krieg und Inflation: Unternehmer im Tegernseer Tal müssen sich von heute auf morgen neuen Herausforderungen stellen. So wie der Handwerkmeister Wolfgang Hafner, der erfolgreich ein kleines Unternehmen in Gmund führt.

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Herr Hafner, Sie sind Elektrounternehmer aus Gmund, kann man das so sagen? Wir sprechen heute darüber, wie Sie mit Ihrem Betrieb die Pandemie und alle weiteren Herausforderungen in den letzten Jahren überstanden haben.

Wir haben die Pandemie recht gut überstanden. Gerade in der Anfangsphase war ich schon besorgt und sehr vorsichtig. Es war ja eine Situation, mit der wir alle keine Erfahrung hatten, weder unsere Generation noch unsere Vorgängergeneration, wo man sich vielleicht mal in einer solchen Ausnahmesituation einen Ratschlag hätte einholen können. Gleich zu Beginn der Pandemie habe ich mich mit den Anträgen für Förderungen und Unterstützungen für den “Worst Case” befasst, sowie mit allen Vorschriften, um meine Mitarbeiter zu schützen und abzusichern. Man wusste schließlich überhaupt nicht, wohin die Reise geht.

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Wie haben Sie Ihre tägliche Arbeit, Ihre Betriebsabläufe an die Situation angepasst? Haben Sie die Firmenstruktur verändert? Wie haben das Ihre Mitarbeiter erlebt?

Wir Handwerker gehörten ja zu den wenigen, die weiterhin vor Ort ihre Arbeit erledigen durften. Aber als wir plötzlich “Passierscheine” mit uns führen mussten, war das schon ein komisches Gefühl. Wer hätte je gedacht, dass es so etwas hierzulande einmal geben würde? Die Betriebsabläufe haben wir bei den Büroarbeiten, Einsatzplanung, Buchhaltung etc. rasch angepasst, für Büromitarbeiter z.B. auf Home-Office umgestellt, die Monteure in feste Gruppen eingeteilt. Unsere Mitarbeiter haben alle toll mitgezogen und die Konzepte bereitwillig umgesetzt. Anfangs waren die Mitarbeiter im Büro sogar recht froh über die Möglichkeit des Home-Office, aber mittlerweile freuen sich auch alle wieder, im Büro mit Kollegen zusammenzuarbeiten. Wir sind jedoch auch nach der Pandemie flexibel geblieben, was Home-Office angeht. Und siehe da: Es funktioniert, und das hätten wir nie so schnell umgesetzt. Ein positiver Effekt der Pandemie …

Hatten Sie pandemiebedingt Umsatzeinbußen zu verzeichnen?

Nein, eher im Gegenteil. Wir haben sogar mehr Aufträge bekommen, weil jedermann zwangsweise daheim bleiben musste und genügend Zeit hatte, sich über anstehende Modernisierungen oder Sanierungen Gedanken zu machen. Außerdem konnte kein Geld für Freizeitaktivitäten und Urlaube ausgegeben werden. Und das wurde dann teilweise in die Verschönerung des Heims investiert. Für uns Elektriker gab es natürlich auch zusätzliche Arbeit, um zum Beispiel Home Office Arbeitsplätze einzurichten.

Hafner Lehrlinge 2023
Nachwuchs-Handwerker des Unternehmens. Wer will, kann nach der Lehre bleiben. Quelle \ Hafner.

Sie haben mir bei unserem Vorgespräch gesagt, dass Ihr Team 45 Mitarbeiter umfasst, deshalb auch mein Ausdruck “Elektrounternehmer”, der durchaus anerkennend gemeint war. Ich kann mir vorstellen, dass das auch eine große Verantwortung für die Gesundheit Ihrer Mitarbeiter war …

Ja, das war eine große Verantwortung und mir auch ein persönliches Anliegen das a) die Gesundheit der Mitarbeiter geschützt wird, und b) ich ihnen auch die Sicherheit geben konnte, dass wir die Pandemie überstehen werden. Wir haben zum Beispiel die Corona-Förderung an unsere Mitarbeiter ausbezahlt und Selbsttests, Masken und Desinfektionsmittel zur Verfügung gestellt. Natürlich gab es im Laufe der Zeit bei dem einen oder anderen Mitarbeiter eine Corona-Infektion, das blieb nicht aus. Aber die Arbeitsausfälle bei uns waren überschaubar, weil wir Gott sei Dank auch bisher keine Long Covid Fälle im Team haben.

Haben Sie das Gefühl, dass das Landratsamt, das ja die maßgebliche Behörde ist, das Handwerk unterstützt hat in der Zeit? Oder waren Sie eher auf sich selbst angewiesen, auf Ihre eigene Improvisationskunst, Ihre eigenen Ideen und Kreativität?

Ganz klar mussten wir viel in Eigeninitiative leisten, wie beispielsweise Masken für die Mitarbeiter organisieren oder die Büroarbeiten kurzfristig ins Home Office verlegen. Wir mussten auch ständig dafür sorgen, dass wir – was die häufig wechselnden Vorschriften anging – immer auf dem Laufenden blieben. Aber ich muss auch mal sagen, dass uns das Landratsamt immer gut zur Seite gestanden hat, und dass es da stets einen regen Austausch gab. Wir mussten uns ja regelmäßig rückversichern, wie wir das zum Beispiel mit der Nachverfolgung machen. Wir haben immer eine Auskunft bekommen und gemeinsam eine Lösung gefunden. Das war schon eine große gemeinsame Anstrengung …

Jetzt ist – gefühlt – die Pandemie vorbei mit ihren Lockdowns, und dann kommt der Krieg Russlands gegen die Ukraine, Lieferkettenprobleme, Energiekrise und Inflation …? Was hat Ihre Branche getroffen?

Lieferkettenprobleme sind wirklich ein großes Thema für uns. Wo wir vor der Pandemie verwöhnt waren von “Just in time” Lieferungen, man bestellte Teile, und sie waren kurzfristig verfügbar, müssen wir heute viel vorausschauender planen, Bauteile früher bestellen und auch die Lagerhaltung organisieren und teilweise vorfinanzieren. Und die Energiekrise trifft uns direkt: Mit rund 25 Fahrzeugen, die wir im Einsatz haben, schlagen bei uns natürlich auch die hohen Spritpreise durch …  Zum Thema Inflation: Unsere Material- und Lohnkosten sind von 2019 zu 2023 um rund 30 – 40 Prozent gestiegen. Das aufzufangen ist eine große Herausforderung.

Die von der Politik verordnete Energiewende hat doch auch ihr Gutes für Sie, oder?

Richtig. Die Nachfrage nach erneuerbaren Energien ist natürlich ein neues Geschäftsfeld. Photovoltaik wird immer mehr nachgefragt, da haben wir eher das Problem der pünktlichen Materialbeschaffung. Weil die Nachfrage so groß ist, werden von den Lieferanten teilweise die zugesicherten Liefertermine nicht eingehalten. Das müssen wir dann wiederum unseren Kunden erklären.

Ist die Kundschaft hier im idyllischen Oberland denn überhaupt bereit, sich Photovoltaik auf die Dächer installieren zu lassen?

Zu Anfang gab es schon eine gewisse Skepsis, aber jetzt vergeht keine Woche ohne neue Anfragen. Teilweise fördern die Kommunen ja sogar die Anschaffung von Photovoltaik. Ich denke aber, dass der Bund oder die Länder wieder Förderprogramme auflegen müssten, denn eines ist klar: Es kann kein vernünftiges Energiekonzept auf Dauer ohne Photovoltaik geben.

Wenn Sie jetzt auf 2023 und die Zukunft blicken, schauen Sie positiv ins Jahr und in die nächsten Jahre? Oder sagen Sie, mal sehen, wo das hingeht, also was Auftragslage, Lieferketten, Fachkräftemangel angeht?

Bei der Auftragslage schaue ich positiv in die Zukunft, das ist sicher auch unserer Region geschuldet, denn hier sind wir tatsächlich auf der Sonnenseite. Die Lieferkettenproblematik wird uns sicher noch die nächsten zwei, drei Jahre begleiten. Aber auch damit werden wir umgehen lernen. Dem Fachkräftemangel begegnen wir bei uns im Betrieb damit, dass wir unseren eigenen Nachwuchs ausbilden. Wir haben acht Azubis im Team, jeweils zwei pro Lehrjahr, denn die Elektrikerlehre dauert vier Jahre. Nach abgeschlossener Ausbildung versuchen wir auch immer, die jungen Kollegen in der Firma zu halten.

Das muss ich noch zum Schluss fragen. Sie haben einen Nigerianer in ihrem Team, der nach Deutschland geflohen ist. Wie zufrieden sind Sie mit dieser Entscheidung?

Der Mitarbeiter aus Nigeria hat bei uns seine Elektrikerlehre gemacht und ist bei uns und in der Firma super integriert. Ich bin richtig froh und auch glücklich, dass man so einmal ganz konkret unterstützen und jemandem eine echte Chance eröffnen kann. Für uns war es die richtige Entscheidung, und ja, ich würde es immer empfehlen.

Herr Hafner, haben Sie vielen Dank für das Gespräch und Ihnen und Ihrem Team weiterhin alles Gute und viel Erfolg!

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