Friedenskirche in Bad Wiessee sanierungsbedürftig:
Die Kirche bröckelt …

Wären Kirchen börsennotierte Privatunternehmen, wäre die Führungsriege komplett entlassen worden. Doch die Kirchen in unserem Land ticken anders. Ein Blick auf das Elend – auch hier im Tal.

Symbolbild: Das Vertrauen in die Kirche bröckelt, die Stufen der Friedenskirche Bad Wiessee leider auch.

Tegernsee: Ein Ort, in dem über Jahrhunderte ein katholisches Kloster das Sagen hatte. Hier leben weniger als 3.668 Einwohner, manche sagen dazu Seelen. 1.620 davon sind als katholisch im Einwohnermeldeamt eingetragen, 536 als evangelisch. 70 Prozent der Menschen auf der Ostseite des Tegernsees werden offiziell als Amtskirchen-Christen geführt. In Gesamtdeutschland sind sie übrigens schon in der Minderheit, stellen weniger als 50 Prozent. Also, alles gut am See? Mitnichten – die Schäfchen-Herde von Dr. Weber, Arzberger, Waldschütz (aka Monsignore) und Fischbacher hat sich seit 2022 dramatisch verkleinert. Von Kreuth über Rottach-Egern, Bad Wiessee, Gmund und Tegernsee, bis nach Waakirchen haben sich 608 Menschen zum Kirchen-Austritt entschieden. In Tegernsee waren es über das gesamte letzte Jahr 57 und seit Januar 2023 bis diese Woche schon 17 Austritte.

Die Kirche ist sanierungsbedürftig

Es geht bergab. Das weiß auch Sabine Arzberger. Steht man vor “ihrer” Friedenskirche in Bad Wiessee, springt einem die Allegorie direkt ins Auge. Die Treppe zum Eingang – gesperrt. Die Stufensteine sind herausgebrochen. Im Dach sind Löcher. Es regnet herein. 2022 wurde der Bau 85 Jahre alt. 1000 Seelen betreut die Pfarrerin in Bad Wiessee, deren Vater schon hier im letzten Jahrhundert wirkte.

In den zurückliegenden zwei Jahren kam eins zum anderen. Es wurde immer mehr, was sich als sanierungsbedürftig herausstellte,

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Sabine Arzberger, Pfarrerin Bad Wiesee

Auch sie ist betrübt: “In den zurückliegenden zwei Jahren kam eins zum anderen. Es wurde immer mehr, was sich als sanierungsbedürftig herausstellte, wenn man die Kirche für die Zukunft erhalten will.” Ähnliches gibt es vom Seelen-Mitbewerber, der katholischen Kirche in Bad Wiessee, zu erzählen. Auch dort schimmelt und bröckelt es am Turm. Ist hier Spott angebracht? Schließlich haben sich die Katholiken mit ihren jahrzehntelangen Missbrauchsskandalen und ihrer katastrophalen Bearbeitung der Fälle ja auch das Elend selbst erzeugt. Und die Evangelen?

Fragt man Protestanten dieser Tage, die hier im Tal schon immer in der Minderheit waren, zucken viele mit den Schultern. Sie wissen nicht, wofür ihre Kirche steht. “Alles ist so beliebig geworden”, sagt einer, den wir vor der Kirche treffen. Aber ist das gerecht? Ohne das Engagement von Pfarrer Dr. Weber wäre eine halbwegs funktionierende Kinderbetreuung im Tal unmöglich. Er hat mit extrem viel Engagement in den letzten Jahren neun Einrichtungen geschaffen. Oder Arzberger, die sich um die mehrheitlich Älteren kümmert. Und jetzt eine baufällige Kirche, die dringend Spenden braucht. Denkmalgeschützt ist sie, da ist es noch nicht einmal leicht, sie einfach umzuwidmen, und wie in Kreuth in eine Kita zu verwandeln.

Wellnesstempel statt Orte der Stille

Aber wie ist das möglich? In Zeiten spürbarer Angst vor Krieg und Elend, einer drohenden Wirtschaftskrise, müssten die Gotteshäuser doch prall gefüllt mit sorgenvollen Menschen sein? Sabine Arzberger erklärt: “Im Grunde können wir im Tegernseer Tal nicht über leere Kirchenbänke klagen, denn die Kirchen in Rottach-Egern und Bad Wiessee sind auch einfach sehr groß. Immer wieder sind sie voll und sonntags doch ganz gut gefüllt. Trotzdem meine ich, viele Menschen suchen das, was ihre Seele braucht, einfach nicht mehr in und bei den Kirchen.”

… viele Menschen suchen das, was ihre Seele braucht, einfach nicht mehr in und bei den Kirchen. Sabine Arzberger, Pfarrerin Bad Wiessee

Aber diese Friedenskirche verfällt nun, braucht dringend Spenden. Man muss kein streng gläubiger Mensch sein, um zu ahnen, wohin diese Erosion des Glaubens führen wird: Beliebigkeit. Dabei geht es nicht um Tradition. Es geht um Orte, an denen Menschen mit anderen Menschen zusammenkommen, um Ruhe und Trost zu finden. Keine Fußbäder, Heilsteine oder Youtube-Coachings werden das auffangen.

Pfarrerin Arzberger hofft darauf, dass sich die Friedenskirche sanieren lässt.

Und genau das ist das Paradoxe: Am See nimmt die Menge an Wellnesstempeln zu, Körperkult überall. Basenbäder, Yoga, Detox und Re-Shaping – alles wird gemacht, um den Körper zu entgiften und zu optimieren. Nur: Wenn es um Räume der Stille, des Nachdenkens, des Zusammenkommens geht, wird es eng. Vor allem, wenn diese Räume kostenfrei sind. Für unsere Vorgänger-Generationen war das eine Selbstverständlichkeit. Sie kamen zur Kur nach Bad Wiessee und am Sonntag ging es den Kirchgang rauf auf den Kirschbaumhügel. Von Anfang war der Bau von diesen Gästen mitfinanziert worden. “Das ist bis heute so nötig. Da braucht es die Unterstützung vieler. Kirchen stehen auch für christliche Kultur und für die Werte unseres christlichen Abendlandes. Vielleicht wäre das ja ein Anreiz für die Menschen, die keine Kirchensteuer mehr zahlen, ihren Beitrag jetzt zu leisten’, überlegt Arzberger.  “Mit ihrem Namen steht die Friedenskirche auf jeden Fall für die Bedeutung von innerem und äußerem Frieden.”

Spenden für die Friedenskirche

180. 000 Euro beträgt das noch zu finanzierende Defizit – bei Gesamtkosten von 816. 000 Euro. Die Maßnahme betrifft das Dach (undicht), den Turm (undicht), die schon zerfallene Außentreppe, die marode Elektrik und den feuchtigkeitsgeplagten Innenraum und die Orgel. Bürgermeister Robert Kühn steht ebenfalls dahinter: “Die Friedenskirche ist ein wunderbarer Ort in der Mitte unserer Gemeinde. Wir sollten alles tun, um ihn für uns und unsere nachfolgenden Generationen als besonderen Ort zu erhalten. Ich bitte alle unsere Bürgerinnen und Bürger um eine Spende.”

Für weitere Informationen ist Pfarrerin Arzberger ansprechbar (08022/857753).

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