Die Sache mit den schwarzen Schafen

Schwarze Schafe gibt es nicht. Dieser Satz ist kaum zu glauben, begleiten sie doch die meisten von uns seit Kindertagen, und zwar in Form eines Schlafliedes, das wohl aus der Kiste der schwarzen Pädagogik stammt.

„Schlaf Kindlein schlaf. Da draußen steht ein Schaf, ein schwarzes und weißes und wenn das Kind nicht schlafen, will, dann kommt das schwarze und beißt es.“ Wer diese Version des Kinderliedes nicht kennt, kennt mit Sicherheit die Bezeichnung „schwarzes Schaf“ als Redensart.

Das „schwarze Schaf“ ist der Außenseiter in einer sozialen Gruppe, der Sündenbock, der durch sein Verhalten missfällt und die anderen in Misskredit bringt. Dennoch: schwarze Schafe gibt es nicht. Nicht in den landwirtschaftlichen Förderrichtlinien der Europäischen Gemeinschaft und nicht in Kinderliedern.

Das Kinderlied „Schlaf Kindlein schlaf.“, stammt aus dem Jahre 1611. Nur die erste Strophe gab es damals. Die lautete: „Schlaf, Kindlein, schlaf. Der Vater hüt‘ die Schaf. Die Mutter schüttelt‘s Bäumelein. Da fällt herab ein Träumelein. Schlaf, Kindlein, schlaf!“

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Die schwarzen Schafe in der Europäischen Union

In der mehrstrophigen späteren Fassung aus des „Knaben Wunderhorn“ von 1808 kommt ein schwarzer Hund, aber kein schwarzes Schaf vor. Es gibt seither viele Fassungen des Schlafliedes, eine von Christian Morgenstern und viele sind Neuschöpfungen von Eltern und Großeltern, darunter die mit dem schwarzen Schaf, die wohl am bekanntesten in der Generation der Großeltern war, wo immer sie auch herstammt.

Und wie ist das nun mit der Europäischen Union? Schwarze Schafe in der EU gibt es als Datenbank des Verbraucherschutzes. Schwarze Schafe in dieser Datenbank sind Unternehmen, die mit aggressivem Marketing, falschen und irreführenden Informationen Verbraucher zum Kauf nötigen. Vor diesen will uns die EU schützen.

Wohl denn – was soll man dazu angesichts der Banken-, Finanz- und Eurokrise sagen? Die Männer und Frauen, die die Geschicke der Europäischen Union lenken, singen uns zwar kein Kinderlied, aber erzählen uns offensichtlich ein Märchen oder machen Kabarett. Wenn dem so ist, dürften sie heiße Anwärter auf den Kabarettpreis „das schwarze Schaf“ sein, den Hanns Dieter Hüsch 1999 ins Leben rief.

Förderrichtlinien für schwarz-braune Schafe

Zurück zu den schwarzen Schafen: Schwarze Schafe, insbesondere schwarze Lämmer sind wunderschöne Tiere mit samtschwarzen Augen und einem glänzenden schwarzen Fell. Sie gibt es. In der Natur. Heutzutage meist in sogenannten Arche-Höfen. Die Bezeichnung Arche-Hof wird von der Gesellschaft zur Erhaltung gefährdeter Haustierrassen e.V. (GEH) vergeben.

Alle zwei Wochen stirbt laut GEH eine an Klima und Standort angepasste Nutztierrasse aus. Über 100 Rassen stehen allein in Deutschland auf der roten Liste. Die Landwirte aus dem Tegernseer Tal wie andernorts wissen davon. Arche-Höfe halten diese Tiere als Nutztiere und züchten sie.

Allerdings im Falle von schwarzen Schafen jenseits der Förderrichtlinien der EU, weshalb die Südtiroler ihre schwarzen Schafe schwarz-braune Schafe nennen. Für braune Schafe, die ebenfalls vom Aussterben bedroht sind, gibt es wiederum Fördergelder.

Aber warum ist ein schwarzes Schaf ein schwarzes Schaf und als solches geschmäht und nicht existent, wenn es auch allerliebst anzuschauen ist? Schwarze Schafe sind schon lange vor Zeiten der EU geächtet worden – es finden sich dazu sogar Bibelstellen im Alten Testament bei Moses – , da ihre Wolle nicht wie die von weißen Schafen gefärbt werden kann. Insofern ist diese wenig oder gar nichts wert.

Allerdings sind schwarze Schafe in Schafherden durchaus wichtig. In früheren Jahrhunderten bestand eine Schafherde aus etwa 300 Tieren. Jedes 20. Schaf war ein schwarzes, damit der Schäfer seine Schäfchen besser zählen konnte. Heute besteht eine Schafherde aus 1000 Tieren. Jedes 50. Schaf ist ein schwarzes Schaf. Wer beim Einschlafen Schäfchen zählt, sollte also durchaus auch ein paar schwarze an seinem inneren Auge vorbeiziehen lassen.

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