Die Thomasnacht

thomasnacht tegernsee

Neben historisch belegbaren Fakten, die die Geschichte des Tals beschreiben, existieren diverse Mythen und Sagen rund um den See. Der Schriftsteller Martin Calsow wird an dieser Stelle in loser Folge über alte und oft vergessene Bräuche und Riten berichten. Immer mit einem Augenzwinkern und immer so nah an den Fakten, wie es sein Erzählerherz zulässt. Heute beginnen wir mit der Thomasnacht.

Es ist die längste Nacht des Jahres. Die Thomasnacht vom 20. auf den 21. Dezember ‒ also von heute auf morgen ‒ läutet die Wintersonnenwende ein. Astronomisch ist es einfach. Die Sonne erreicht die geringste Mittagshöhe, der größere Teil der täglichen Sonnenbahn liegt unterhalb des Horizonts. Der astronomische Winter beginnt.

Dämonen und böse Kräfte

Doch genug der Physik, lieber weiter mit diffusen Traditionen und Aberglauben. Die Nacht zuvor kannten die Menschen in früheren Zeiten als die Thomasnacht, benannt nach dem Heiligen Thomas, uns auch als Ungläubiger ‒ „Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!“ ‒ bekannt. Riten und Aberglauben sind in ganz Europa mit dieser Nacht verbunden. In Friesland läuteten die ganze Nacht die Glocken, in Böhmen steckte man Besen in den Schnee und Schuhe drum herum.

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Bevor wir permanent das Licht einschalteten, war das für unsere Vorfahren eine dunkle Zeit für Gespenster und Dämonen. Wegen der langen Nacht glaubten sie, könnten böse Kräfte besonders intensiv wirken. Also verbrachte man die Nacht meist zusammen, nähte oder soff schlicht miteinander.

Thomastag als Schlachttag

Aber auch Positives war damit verbunden. In Regionen wie Kärnten glaubten die Menschen, in dieser Nacht besonders in die Zukunft schauen zu können. Hier im Oberland und auch im Tal war bei den Bauern der Thomastag noch bis nach dem Krieg bekannt. Das war der Schlachttag!

Heute kennen viele nur noch eine Fastenzeit. Sie beginnt am Aschermittwoch, dauert 40 Tage und endet am Ostersonntag. Aber noch vor einigen Jahrzehnten wurde den Menschen von der Kanzel herab eine weitere Fastenzeit „empfohlen“. Vom 11. November, St. Martin, bis zum 25. Dezember wurde ebenso auf Fleisch verzichtet. In dieser Zeit wurde auf den Höfen ein Schwein gemästet, die Mettensau oder auch Weihnachter genannt.

thomasnacht schwein

Am Thomastag dann schlachtete der Hofherr, sein ältester Sohn verteilte das Fleisch unter dem Gesinde, gedacht als eine Analogie auf die Erbfolge. Erst am 25. Dezember, also am ersten Weihnachtstag, durfte der erste Schweinsbraten gegessen werden. Am Heiligabend aber war noch Fasten angesagt, meist in Form eines Fisches. Aus dieser Tradition entstammt der für viele grauselig schmeckende Karpfen nach der Bescherung.

„Heiliger Thomas, i bitt di“

In Zeiten von Speed-Dating, Partnersuchportalen und anderem Schnickschnack sei den heutigen Singles folgende Tradition aus dieser Nacht empfohlen: Eine ledige Frau, heute eben Single, soll sich in der Thomasnacht nackt vor ihrem Bett ‒ wurscht, ob Wasserbett oder Futon ‒ auf einen Schemel stellen und einen Vers aufsagen:

Betschemel, i tritt di, heiliger Thomas, i bitt di, lass mi sehn den Herzallerliebsten mein, in dieser heiligen Nacht!

So wird sie ihren zukünftigen Ehemann sehen. Hier gilt aber auch der Zusatz: zu viel Wissen macht unfroh. Generell sollte dabei auch auf Sicherheit Wert gelegt werden. Ein Sturz, nackt, auf den Boden, könnte in der Notaufnahme in Agatharied Fragen aufwerfen.

Wenn Sie Ideen, Anregungen und Fragen haben, können Sie den Wiesseer Autor direkt über die Kommentarfunktion anschreiben.

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