“Die Zeit ist reif für den Wechsel”

Nur noch wenige Tage sind es bis zur Bürgermeisterwahl am kommenden Sonntag. Kurz vorher geben wir noch einen Überblick über die Kandidaten und wofür sie stehen. Heute ist, neben dem Wiesseer Bürgermeister Peter Höß, auch dessen Herausforderer Rolf Neresheimer an der Reihe.

Der 51-Jährige will einen neuen Politikstil in Bad Wiessee etablieren. Wenn es nach ihm geht, sollen zukünftig Entscheidungen gemeinsam mit dem Bürger getroffen werden. Außerdem will er kein Experte für alles sein, sondern sich bei verschiedenen Themen Hilfe aus dem Ort holen.

Neresheimer setzt in erste Linie auf eine Veränderung des Politikstils
Rolf Neresheimer sieht die Zeit für einen Wechsel gekommen.

Hallo Herr Neresheimer, wie ist es Ihnen die letzten zwei Monate als Bürgermeisterkandidat ergangen?

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Rolf Neresheimer: Es war eine sehr turbulente Zeit. Eine Bürgerliste auf den Weg zu bringen und ein Programm zu erarbeiten, war nicht einfach. Die meisten von uns kannten sich vorher ja nicht. Das war also erst mal ein Findungsprozess.

Haben Sie mit so vielen Schwierigkeiten gerechnet?

Rolf Neresheimer: Natürlich. Die etablierten Parteien haben ja schon seit Jahren ihre Programme und verwenden diese teilweise auch wieder. Bei uns war das ein Prozess, in dem wir die Ideen und Prioritäten erst zusammenbringen mussten. Das war eine große Herausforderung.

War das auch ein Grund dafür, dass es mit dem geplanten Duell mit Bürgermeister Höß nicht geklappt hat?

Neresheimer: Wir haben die Teilnahme intensiv besprochen und uns dann gegen das Duell entschieden. Diese Darstellung passte einfach nicht zu uns. Es war eine Phase, die uns im Endeffekt weitergebracht hat, aber zu der Zeit doch sehr aufreibend war.

Bereuen Sie die Absage im Nachhinein?

Neresheimer: Nein. Nicht die Absage war der Fehler, sondern überhaupt erst die Zusage.

Berater aus dem Ort nehmen

Sie gelten ja gemeinhin als Gegner eines Badepark-Abrisses. Aber haben Sie auch andere Themen?

Neresheimer: Ja, ich habe auch andere Themen: Nachhaltige regenerative Energiegewinnung in Bad Wiessee ist ein sehr wichtiges Zukunftsthema. Ich möchte mich ganz besonders dafür einsetzen, dass wir in den kommenden Jahrzehnten weitgehend energie-autark werden. Außerdem werde ich mich dafür einsetzen, dass sich bei den neu zu planenden Gebäuden sowohl Gastgewerbe als auch Geschäfte, Büros und Wohnungen unter einem Dach ansiedeln. So würden die Häuser nachhaltig wirtschaftlicher und ganzjährig belebt.

Wie soll das konkret aussehen?

Neresheimer: Nicht nur der Bürgermeister, sondern wir Wiesseer Bürger werden uns da alle beraten lassen müssen. Vielleicht liegt das auch so ein bisschen in meiner Natur als Wirtschaftsingenieur: Ich weiß, dass es für alles Experten gibt. Ein Bürgermeister muss sich nicht in jedem Bereich gut auskennen, aber die richtigen Menschen, Sachverständige an einen Tisch bringen.

Sie wollen sich also immer extern beraten lassen?

Neresheimer: Bei wichtigen Projekten schon. Mein Ziel ist, dass ich in erster Linie Leute aus der Region dafür gewinnen kann. Denen liegt etwas am Ort, ihrer Heimat, und es kann ihnen nicht egal sein, was daraus wird. Nicht so wie beispielsweise Herr von Angerer (Anm. d. Redaktion: der Städteplaner, der Bad Wiessee in Sachen Therme und anderen Projekten berät), der von irgendwo aus arbeitet und darüber hinaus auch bei vielen anderen Gemeinden beschäftigt ist.

Ist das einer Ihrer Kritikpunkte am amtierenden Bürgermeister?

Neresheimer: Ja. Die Leute wollen ja etwas für den Ort tun. Engagement und viel Kompetenz am Ort ist da. Ich habe jetzt in der kurzen Zeit der Kandidatur viele Menschen kennengelernt, die Fachwissen haben und sich gern einbringen würden. Bisher sind sie da allerdings meistens auf taube Ohren gestoßen. Da wandern Konzepte einfach in die Schublade und keiner erfährt etwas davon. Das will ich ändern.

Wie sieht es mit den Projekten aus, die der Gemeinderat erst kürzlich beschlossen hat? Stichwort: Bebauungspläne und Gemeindesanierungen. Würden Sie diese, in der Form wie sie der derzeitige Bürgermeister angeht, weiterführen?

Neresheimer: Ja, diese Projekte würde ich in jedem Fall weiterführen. Die Sanierung der Gemeindewohnungen ist eine sehr wichtige Sache. Die Ortsgestaltung aktiv zu beeinflussen, ist unverzichtbar, allerdings ist die flächendeckende Anwendung dieses Instruments eine sehr kostspielige und zeitintensive Angelegenheit. Hier muss ich mich erst einarbeiten.

Alternativen für den Badepark

Eines Ihrer grundlegenden Themen ist ja der Erhalt des Badeparks. Soll dies tatsächlich so Realität werden, wird das Thermenkonzept grundlegend überdacht werden müssen. Haben Sie auch an die Konsequenzen gedacht hinsichtlich der Investoren?

Neresheimer: Das Thermenkonzept muss selbstverständlich gegenüber seiner jetzigen Form verändert werden. Ich finde die aktuelle Planung nicht gut. Es kann einem potentiellen Investor nur Recht sein, wenn er einen besseren Plan vorgelegt bekommt. Es muss eine finanzierbare, nachhaltig wirtschaftliche Lösung gefunden werden, die nicht erst durch Querfinanzierung mit Eigentums-Wohnungsbau interessant wird.

Dennoch, Sie wissen ja, dass Investoren häufig sensibel auf ungeahnte Veränderungen reagieren. Auch und gerade wenn es dabei um mehr Bürgerbeteiligung geht. Sind Sie darauf vorbereitet, dass Ihr Vorhaben Investoren abschrecken könnte?

Neresheimer: Ich glaube nicht, dass Investoren dadurch verschreckt werden. Es sei denn, der Investor ist ein ausgesprochener Matteo-Thun-Fan. Aber das würde ich in Kauf nehmen. Wiessee braucht kein architektonisches Gesamtkunstwerk, sondern sinnvolle Gesamtplanung. Meine Überzeugung ist, dass es für einen Investor nur von Vorteil sein kann, wenn das Projekt nachhaltig wird und er die Bevölkerung hinter sich weiß. Das Einhalten von Transparenz statt der althergebrachten Geheimhaltungstaktik ist vor allem für nachhaltig denkende Investoren interessant, weil sie für viel höhere Akzeptanz bei den Bürgern sorgt.

Ihr Plan ist ja, dass am Ende der Diskussion eine Abstimmung stehen soll, bei der sich die Bürger für einen Plan entscheiden sollen. Was passiert aber, wenn die Leute die Pläne ablehnen und Wiessee auf den Schulden sitzenbleibt?

Neresheimer: Ganz klar: Das darf nicht passieren. Am Ende muss ein Konsens gefunden werden, der mehrheitsfähig ist. Ich bin aber sicher, dass wir viele gute Ideen einsammeln und daraus in einem Architektenwettbewerb attraktive Lösungen entstehen.

Rolf Neresheimer erklärt
Rolf Neresheimer erklärt seinen neuen Politikstil.

Nun werden Sie ja im Falle eines Wahlsiegs dennoch keine Mehrheit im Gemeinderat zusammenbekommen, so viel dürfte abzusehen sein. Wie, und vor allem: bei wem, wollen Sie sich also Ihre Mehrheiten beschaffen?

Neresheimer: Es geht nicht mehr darum, die Meinung des Bürgermeisters durchzuwinken, sondern Mehrheiten immer wieder neu zu gewinnen. Ich glaube aber, dass durch bessere Vorbereitung der zur Entscheidung stehenden Themen die Effizienz in der Verwaltung und die Akzeptanz bei den Gemeinderäten wachsen wird.

Sie wollen mit der Bürgerliste einen neuen Politikstil pflegen. Worin unterscheidet sich dieser denn genau von der “normalen” Politik?

Neresheimer: Der große Unterschied ist in erster Linie die Kommunikation. Alles wird offengelegt, sodass sich die Bürger auf Basis aller Fakten eine Meinung bilden können. Außerdem sollen die einzelnen Punkte für die Gemeinderatssitzungen spannender formuliert werden, sodass jeder weiß, worum es geht und auch mal vorbeikommt. Ich will nicht, dass nur Bürgermeister und Gemeinderat sechs Jahre lang über die Zukunft Bad Wiessees entscheiden.

Wird diese Bürgerbeteiligung aber nicht die Entscheidungsprozesse verlangsamen?

Neresheimer: Selbst wenn, wäre die Zeit aber gut investiert. Meiner Meinung nach ist es aber ratsamer, die Leute gleich mit ins Boot zu holen, anstatt sich später mit Klagen vor Gericht auseinandersetzen zu müssen. Da holt man diese Zeit wieder rein.

Politik aktiv mitgestalten

Nun ist es ja immer einfacher, gegen etwas zu sein. Schaffen Sie den Sprung vom Widerstand aus der Oppositionsrolle hin zu einem verlässlichen Bürgermeister?

Neresheimer: Ich wüsste nicht, warum ich nicht verlässlich sein sollte. Durch mehr Beteiligung schafft man ja auch mehr Vertrauen.

Aber kann sich Wiessee in der jetzigen Situation einen Wechsel im Rathaus leisten? Müssen Sie sich nicht zu sehr einarbeiten?

Neresheimer: Mit diesem Argument würde sich ja nie etwas ändern. Ich war es durch meinen Beruf immer gewohnt, mit Leuten zusammenzuarbeiten und mich in Themen einzuarbeiten. Das sollte ich in wenigen Wochen bis Monaten erledigt haben.

Wo sehen Sie Bad Wiessee in 20 Jahren?

Neresheimer: Ich sehe einen Ort, in dem die Bürger die Politik aktiv mitgestalten. Außerdem möchte ich die vorhin schon angesprochene regenerative Energiegewinnung realisiert sehen.

Und wo sehen Sie sich selbst am Abend des 16. März?

Neresheimer: Ich sehe mich als zukünftigen Bürgermeister von Bad Wiessee. Die Zeit ist reif für einen Wechsel im Ort. Die Bereitschaft und der Wunsch vieler Bürger, neue Wege zu gehen, war nie größer.

Herr Neresheimer, vielen Dank für das Gespräch.

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