Die Zukunft wird älter

Das Format „Gesellschaft im Dialog“ ist nach Aussagen der Bürgerstiftung noch “im Experimentierstadium“. Doch die Veranstaltung hat etwas Entscheidendes geleistet: den dringenden Wunsch nach neuen Wohnformen für ältere Mitbürger in Holzkirchen zu formulieren.

Das Thema "Wohnen im Alter" scheint viele zu interessieren - denn die Podiumsdiskussion war gut besucht
Das Thema “Wohnen im Alter” scheint viele zu interessieren – denn die Podiumsdiskussion war gut besucht

Bürgermeister Olaf von Löwis bekannte zum Schluss, dass er mit einem derart großen Interesse an einer Mehrgenerationen-Einrichtung in Holzkirchen nicht gerechnet habe. Rund 100 Menschen hatten den Oberbräu-Saal zum Info-Abend der Bürgerstiftung gefüllt.

Ein großer Teil der Besucher waren die Vertreter der Aussteller, dennoch lockte die Veranstaltung zahlreiche Interessierte an. Deren gesammelt verlesene Fragen zielten immer wieder in Richtung selbstbestimmtes, nachbarschaftlich organisiertes Wohnen – unter der deutlichen Maßgabe „bezahlbar“.

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Dr. Frank Strathmann erklärte zu Beginn die demografische Situation in Deutschland, Bayern, dem Landkreis und auch in Holzkirchen. Es ist offenkundig, dass der Anteil der über 65-Jährigen in der Bevölkerung ansteigt. Auch wenn Holzkirchen als Zuzugsgemeinde junger Familien im Vergleich zum Tegernseer Tal noch recht gut aufgestellt ist, sobald die Baby-Boomer der 1960er Jahre ins Rentenalter kommen, ergeben sich Probleme.

Die Zukunft wird älter

“Die Pflegequote steigt”, stellt Ute Haury fest. Die meisten Menschen wollten so lange wie möglich zuhause leben, unterstützt durch externe Dienste oder ihre Kinder. „Die Zukunft wird älter“ fasste die Moderatorin zusammen. Sie fungierte als Stichwortgeberin für die örtlichen Vertreter, die ihre Arbeit oder Institutionen vorstellten. Neben dem Bürgermeister waren das Bernd Helwig als Seniorenbeauftrager, Johann Numberger als Behindertenbeauftragter, Cornelia Müller als Leiterin des St. Anna-Hauses und Sabine Lenk-Seyfried vom Forum Inklusion.

Strathmann übernahm die Fragen an die überörtlichen Vertreter. Gemeinderätin Betty Mehrer berichtete über die Fortschritte der Weyarner Mehrgenerationen-Einrichtung. Baubeginn der sieben Häuser mit jeweils zehn Wohnungen sei im Sommer. Aufgrund einer Bürgerbefragung habe man sich für ein Eigentümermodell entschieden. Weyarn sei eine insgesamt wohlhabende Gemeinde, in der die meisten Bürger bereits in einem Eigenheim lebten.

Doch dieses Modell ist nicht ohne Weiteres auf alle Gemeinden übertragbar. Nötig waren ein langer Atem sowie eine sechsjährige Planung: „Auch ein Gemeinderat war nicht von Anfang an mit fliegenden Fahnen dabei. Schließlich muss man als Gemeinde auch Geld in die Hand nehmen.“

Interkommunal und genossenschaftlich

Manfred Doll vom Otterfinger Arbeitskreis Soziales Leben aus Otterfing schwärmte von einem interkommunalen Projekt „Betreutes Wohnen“. Mehrere Gemeinden in der Oberpfalz hätten sich zusammengeschlossen, um das gemeinsam zu stemmen: „Das Grundstück kommt von den Gemeinden, die Anschubfinanzierung vom Staat und der laufende Betrieb trägt sich selbst.“ Aus einer Befragung im Rahmen des Bedarfsplans für den Landkreis Miesbach wisse man, dass 82 Prozent derartige Mehrgenerationenhäuser wolle.

Als Martin Orkslar, Vorstand der MARO Genossenschaft, über realisierte Projekte mit Mieten von 4,60 Euro pro Quadratmeter berichtete, ging ein Raunen durch das Publikum. Doch auch er gestand angesichts der Holzkirchner Grundstückspreise: „Wir können nicht zaubern.“ Im genossenschaftlich organisierten Bereich rechnete er wieder mit Quadratmeterpreisen um die 10 Euro.

Der Bürgermeister dämpfte die aufkommende Euphorie. Gerade wenn es um zentrale Lage, Einkaufs- und Versorgungsmöglichkeiten gehe: “Die innerörtlichen Flächen sind in privater Hand.“ Beim ohnehin geplanten Geschoßwohnungsbau der Gemeinde in den Neubaugebieten könne man sich „dem Thema Mehrgenerationenhaus nähern“. Da käme man eher auf ein Niveau, „das bezahlbar ist.“

Kreative Modelle – nicht nur bei der Finanzierung

Finanzierungsmöglichkeiten skizzierte Sabine Wenng von der landesweit aktiven Arbeitsgruppe Sozialplanung und Altersforschung. Sie ist im Auftrag des Bayrischen Sozialministeriums aktiv: „Ich empfehle eine Förderung aus dem Leader-Programm der Bayerischen Landesstiftung, dazu regionale Fördertöpfe, unter anderem der Regierung von Oberbayern. Da muss man basteln was Bau, Unterhalt und Personalkosten betrifft.“

Das „Wohngeschäft“ sei genau zu regeln, insbesondere wenn es um weitere Unterstützung, Betreuung und Nachbarschaftshilfe gehe. Ehrenamt und Profis müssten sich ergänzen. Wenng wünschte sich eine hohe Flexibilität der möglichen Dienstleistungen für unterschiedliche Bedürfnisse.

Bunte Vorschläge kamen sogar vom Podium. Johann Numberger könnte sich beispielsweise den Postboten als Kümmerer vorstellen, der bei alten Leuten nachschaut, ob auch alles in Ordnung ist. Bernd Helwig brachte eine WG zum beiderseitigen Nutzen ins Gespräch: Ältere Menschen, die nach Auszug der Kinder und Tod des Partners allein in ihrem Reihenhaus lebten, könnten einen Asylbewerber oder einen Studenten gegen Mithilfe in Haushalt und Garten aufnehmen.

Und wer pflegt?

Cornelia Müller brachte es abschließend auf den Punkt: „Was nutzen alle Bauten und Netzwerke, wenn schließlich keiner da ist, der pflegt.“ Sie warb begeistert für Tätigkeiten in der Altenhilfe, „der kreativste und lohnendste Beruf, der mir je begegnet ist.“

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