Kühn, Bierschneider und Köck in einem Auto. Was ist das? Ein Sketch zu Fasching? Nein, es sind die Teilnehmer der Arbeitsgemeinschaft “Kommunales Schwimmen”, eine talweite Projektgruppe. Letzte Woche fuhr man in den Nachbar-Landkreis nach Geretsried. Die haben ihr Schwimmbad gerade eröffnet. Man wollte Wissen absaugen.
“Hört nicht auf die Vereine, wenn ihr das Schwimmbad plant”, so der Geretsrieder Bürgermeister (CSU) Michael Müller in Gesprächen mit den Kollegen aus dem Tal. Das war nicht einmal despektierlich den Ehrenamtlichen gegenüber gemeint. Es war eine Warnung vor überzogenen Vorstellungen für ein kommunales Schwimmbad. Im September 2021, mitten in der Pandemie hatte man im Norden des Nachbarlandkreises nach über zehn Jahren Planung und Bau ein schlichtes, aber effizientes Schwimmbad eröffnet. Grund genug für die Tegernseer Arbeitsgemeinschaft, die gleiches in Bad Wiessee schaffen will, bei den Kollegen im Nordwesten in dieser Woche Erfahrungswerte einzusammeln.
Seit der Betrieb des Badepark in Bad Wiessee eingestellt und im Sommer 2022 abgerissen wurde, fehlt den Kindern im Tal ein Platz für den dringend erforderlichen Schwimmunterricht. Auch ältere Menschen vermissen es, im Winter Bahnen zu ziehen. Die Pandemie, die gestiegenen Baustoffpreise und nicht zuletzt die Energiekrise haben Bad Wiessees Pläne für einen schnellen Bau ordentlich durchgerüttelt. Der Westufer-Ort braucht die Unterstützung der anderen Talgemeinden, deren Einwohner genauso von einem schnellen Neubau profitierten.
In der AG “Kommunales Schwimmen” sind alle Bürgermeister der Talgemeinden, sowie zwei Personen aus den jeweiligen Räten vertreten. So etwas Interkommunales birgt immer Risiken. Das Tal war jahrzehntelang bekannt für gemeindliche Alleingänge. Gern sorgten bürgermeisterliche Eitelkeiten für seltsame Blüten, die dann auch gern den Gemeinde-Etat und das Verhältnis zu den Nachbarorten unnötig belasteten. Mit dem Badepark soll es anders werden.
Geretsried ist die größte Gemeinde im Landkreis. Sie war auch Bauherrin des Schwimmbad-Projekts. Knapp 19 Millionen Euro hat es gekostet. Es wird von den örtlichen Stadtwerken geführt. Zwölf Mitarbeiter arbeiten dort. 23 Schulen und dreizehn Vereine, so der Betreiber, nutzen das Bad. Fast 36 000 Besucher verzeichnete das Bad im ersten Jahr. Aber: Das Schwimmbad verzeichnet ein jährliches Defizit von gut einer Million Euro. Bürgermeister Kühn ist das bewusst. “Die Kosten für den Bau eines schlichten Schwimmbads mit fünf Bahnen hätten wir vielleicht allein als Gemeinde gestemmt. Aber das Betriebskosten-Defizit jedes Jahr und die zukünftigen Investitionskosten sind nur mit Hilfe der anderen Gemeinden im Tegernseer Tal zu finanzieren.”
Fünf Bahnen, ein Nichtschwimmerbecken – kein Schnickschnack. So stellen sich einige Bürgermeister das neue Bad am Westufer vor. Noch nicht einmal einen Sprungturm wie in Geretsried, so glauben einige Vertreter aus der AG wäre notwendig. Kühn ist sicher, dass “ein interkommunales Projekt in dieser Form funktionieren kann”.
Sicher ist wohl auch, dass eine klamme Gemeinde wie Kreuth hierbei einen deutlich kleineren Beitrag leisten muss. Der hochverschuldete Ort am südlichen Ende des Tals musste im letzten Jahr wieder neue Kredite aufnehmen, um seinen Verpflichtungen nachzukommen, ist also sehr auf die Solidarität der Nachbargemeinden angewiesen. Im Gegensatz zu Geretsried, wo sieben Gemeinden im Umkreis die Kosten teilen, müssen sich bei uns lediglich fünf Gemeinden zusammentun. Das alles ist natürlich den leeren Kassen auf Kommunalebene geschuldet. So betont auch Johannes Hagn, Tegernsees Bürgermeister, dass man bereit sei, finanziell bei Bau und -Folgekosten zu unterstützen, Spielereien wie Grundstücksbewertungen dem Solidaritätsgedanken eher abträglich seien. “Wir helfen gern, aber die Gemeinde, die das Bad betreibt, sollte wie in Geretsried auch, den Großteil der Kosten übernehmen.” Inwieweit der Wert des Badepark-Grundstücks in die Berechnung für die Aufteilung der Kosten einfließen soll, wird bei manchen Bürgermeistern als Streitpunkt gesehen.
Immer häufiger schließen kleine Gemeinden aus Geldmangel Hallenbäder – zuletzt gab es bundesweit rund 80 Fälle im Jahr. Vielfach sind die Kosten für eine Stadt oder Gemeinde nicht mehr zu tragen. Instandhaltung, Sanierung oder gar Neubauten und die dauerhaften Defizite lassen den Betrieb eines Hallenbads für viele Kommunen heute zu einem finanziellen Wackerstein werden. Gleichzeitig müssen Kommunen ab einer bestimmten Größe Schwimmunterricht anbieten. Die Lösung: Man teilt die Kosten – die Lasten verteilen, das Zauberwort dafür: interkommunal.
Geretsried hat es vorgemacht, auch wenn es nicht nach Plan lief: Baubeginn war im April 2018. 2020 sollte eröffnet werden. Doch Insolvenzen, Corona und auf der Zielgeraden auch noch ein Brand im Edelstahlbecken verzögerten das Großvorhaben. Dies trieb die Kosten in die Höhe: 2017 rechnete die Kommune mit 15,3 Millionen Euro. Am Ende wurden es 18,8 Millionen Euro. Auch da schluckten manche Vertreter aus dem Tegernseer Tal. Schwimmen wird, das wurde wohl allen Teilnehmern der AG-Klassenfahrt klar, immer ein Zuschussgeschäft sein.
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