“Eigener” Bauernhof anstatt EU-Saat

Vergangene Woche gingen Meldungen durchs Netz, in denen vom Vorhaben der EU berichtet wurde, alte Saatgutsorten in Zukunft verbieten zu wollen. Groß war die Aufregung, dass selbst die private Weitergabe solcher Sorten verboten werden soll.

So ganz stimmten die Gerüchte zwar nicht, aber sie zeigen trotzdem die vorherrschende Angst. Verkommen Fleisch, Obst und Gemüse zusehends zu einem ausschließlichen Industrieprodukt? Konzerne anstatt Bauern und globale Massenware statt Nahrungsmittel aus dem eigenen Umfeld? Eine kleine Gegenbewegung dazu gibt es seit Jahren. Gemeinschaftlich finanzierte Bauernhöfe ‒ Vereine der Selbstversorger.

Gemüsekisten vom Bauern nebenan statt Massenproduktion aus dem Supermarkt.
Gemüsekisten vom Bauern nebenan statt Massenproduktion aus dem Supermarkt.

Diese in Deutschland noch wenig verbreiteten Selbstversorgerbewegungen haben ihren Ursprung in den USA. Hinter der Abkürzung CSA – „Community supported agriculture“ – oder unter der sperrigen deutschen Bezeichnung „Gemeinschaftsgetragene Landbaukultur“ steht dabei der Gedanke, sich aus seinem räumlich direkten Umfeld mit Nahrungsmitteln versorgen zu lassen, anstatt die globale Nahrungsmittelindustrie zu unterstützen.

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Flatrate für lokale Nahrungsmittel

In einer Art Hofgemeinschaft beteiligen sich Menschen aus der Nachbarschaft eines Bauernhofs dabei finanziell an dessen Betrieb, indem sie „Nahrungsmittel-Flatrates“ kaufen und dadurch die komplette Jahresproduktion des Bauern finanzieren. Je nach Hofgröße werden so bis zu mehrere Hundert Menschen mit frischem Obst und Gemüse versorgt.

Durch monatliche Mitgliedsbeiträge kann der Bauer mit festen Einnahmen kalkulieren und ist nicht mehr von schwankenden Marktpreisen abhängig. Ziel ist dabei keine Gewinnmaximierung, sondern ein angemessenes Auskommen. Die „Flatrates“ der Gemeinschaftshöfe laufen über mindestens eine Erntesaison. Einen ersten Hof gibt es seit einiger Zeit auch in der Nähe von München. 65 Euro kostet die Mitgliedschaft dort monatlich. Zahlbar in den Erntemonaten April bis Oktober.

Jeden Freitag können sich die Mitglieder der Waldgärtner dafür eine Erntekiste abholen, die mit dem gefüllt ist, was die Saison hergibt. Über sich selbst sagen die Waldgärtner:

„Unser Ziel ist es, in einem geschlossenen Kreislauf und nach ökologischen Prinzipien gesundes Saisongemüse von hoher Qualität zu produzieren und es zu fairen Konditionen zu verteilen. Wir legen dabei besonderen Wert auf Mischkulturen, große Sorten- und Artenvielfalt und die Erhaltung und Rekultivierung alter Sorten.“

Ziel des Ganzen ist zum einen, dass die Lebensmittel durch die direkte Verteilung nicht mehr Tausende von Kilometer transportiert werden müssen. Außerdem bekommen die Beteiligten der „Hofgemeinschaft“ einen transparenten Einblick in die wirklichen Kosten und die Arbeitsabläufe ihres Hofs.

Viele Höfe bieten beispielsweise „Mitmachtage“ oder „Kindernachmittage“ an, bei denen man sich persönlich überzeugen kann, wie die eigenen Lebensmittel entstehen.

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Seit 2012 haben die Waldgärtner nahe München eine brachliegende Gärtnerei gepachtet.

Eine Bio-EU-Zertifizierung haben die Waldgärtner beispielsweise nicht. Dort reicht den rund 150 Hofmitgliedern eine Selbstverpflichtung, “außer Kompost, Hornspänen und Steinmehl nichts zur Bodenverbesserung von außen einzubringen“.

Es geht bei den CSA-Konzepten in erster Linie auch nicht um Bio. Ein meist größeres Anliegen ist, dass Nahrungsspekulationen so auf ganz natürlichem Wege die Grundlage mit Lebensmitteln zu handeln entzogen wird. Die Produktion aus gemeinschaftlich finanzierten Bauernhöfen gelangt durch die Direktabnahme nie in den globalen Handels- und Finanzkreislauf. Ganz im Gegenteil haben die Mitglieder die Möglichkeit, sich selbst am Anbau zu beteiligen und einzubringen.

Bei den Waldgärtnern gibt es, wie auf allen Gemeinschaftshöfen, die Möglichkeit, selbst Hand anzulegen oder bei den Anbau- und Ernteplanungen für das nächste Jahr mitzusprechen:

„Bei unserer Jahresversammlung können die Mitglieder mit darüber entscheiden, was im folgenden Jahr angebaut wird, und kreative Ideen sind stets willkommen. Die Gärtnerei steht allen offen, Hobbygärtnern, die mithelfen oder Anregungen für ihren eigenen Garten bekommen wollen, Eltern, die ihren Kindern die Natur näherbringen möchten, und natürlich Erholungsuchenden.“

Auch im Tegernseer Tal besteht durchaus der Wunsch nach Regionalität und hochwertigen Produkten. Das zeigt nicht nur der Erfolg der Naturkäserei in Kreuth oder die Rottacher Markthalle, die auch auf regionale Produkte setzt.

Erst vor einiger Zeit hat der Gmunder Gemeinderat eine 3.000 Quadratmeter große Fläche zum Gemeinschaftsgärtnern freigegeben. Initiatoren hierfür waren zwei Studenten, die die Gemeinde von ihrer Idee eines Gartens für jedermann überzeugten.

Im neuen Dürnbacher „D’Obstgartern“ kann sich jeder beteiligen ‒ und anschließend auch ernten.

In einem Gemeinschaftsgarten ist zwar niemand direkt für die Ernte verantwortlich, es gibt also auch keinen „Bauern“, der einen allwöchentlich beliefert ‒ dafür kostet es auch nichts. Vielen wird die eigene Mitarbeit allerdings weder zeitlich möglich sein, noch werden sie Lust darauf haben. Für solche wäre ein innovativer Gemeinschaftshof vielleicht die bessere Alternative.

Mitmachen, ganz ohne EU-Regeln

Ob selbst mitarbeiten oder eine „Nahrungsmittel-Flatrate“ vom Hof nebenan ‒ das eigentlich Spannende an solchen Konzepten ist gar nicht mal so sehr der Bio-Gedanke, der für viele dahintersteht. Spannender ist die Chance, sich dadurch als lokale Gemeinschaft selbst zu versorgen und damit die durchaus hinterfragbare weltweite Industrialisierung unserer Ernährung an der Wurzel zu packen.

Ganz nebenbei kann es für den einen oder anderen bestimmt ein schöner Ausgleich sein, ab und zu mal auf „seinem“ Bauernhof vorbeizuschauen … ganz ohne Reglementierungen der EU.

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